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Unwetterkatastrophe im Ahrtal: Stand der Ermittlungen

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Hochwasserkatastrophe an der Ahr Foto: Marti Seifert - Creative Commons Zero, Public Domain

KOBLENZ Am 06.08.2021 hatte die Staatsanwaltschaft Koblenz die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen zwei Beschuldigte wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung im Amt – jeweils begangen durch Unterlassen – mitgeteilt. Gleichzeitig hatte sie angekündigt, die Medien und die Öffentlichkeit fortlaufend über den Gang der Ermittlungen zu unterrichten, soweit dies ermittlungstaktisch und unter Berücksichtigung der für die Beschuldigten geltenden Unschuldsvermutung rechtlich möglich ist. Dieser Ankündigung folgend hat sie mit Pressemitteilungen vom 21.12.2021, 15.03.2022 und 09.06.2022 den jeweiligen Stand der Ermittlungen mitgeteilt. Diese Mitteilungen werden nunmehr ergänzt:

Mittlerweile hat die Polizei die aus den bisherigen Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse in wesentlichen Teilen zusammengefasst und mit der Fertigung ihres Abschlussberichts begonnen. In der sich nun anschließenden Phase des Verfahrens erfolgt eine eingehende Auswertung der Erkenntnisse und der bereits zu einzelnen Fragekomplexen vorliegenden Berichte durch die Staatsanwaltschaft. Hierbei finden auch Erkenntnisse aus einzelnen weiteren Zeugenvernehmungen sowie aus den beim Untersuchungsausschuss „Flutkatastrophe“ des Landtages Rheinland-Pfalz angeforderten und von dort zur Verfügung gestellten Unterlagen Berücksichtigung. Auch wird in diesem Zusammenhang das vor wenigen Tagen bei der Staatsanwaltschaft Koblenz eingegangene Gutachten des hydrologischen Sachverständigen inhaltlich einzuordnen sein.

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Der Sachverständige ist insbesondere zu folgenden Schlüssen gelangt:

Bei der Flut im Ahrtal habe es sich um ein Ereignis von hoher Komplexität gehandelt. Diese Komplexität sei im Vorfeld nicht abzusehen gewesen und habe sich auch nicht durch Modellierungen prognostizieren lassen. Das Ausmaß der Zerstörung sei nicht allein auf die extreme Abflussgröße zurückzuführen. Vielmehr seien große Mengen an Treibgut flussabwärts transportiert worden, was an zahlreichen Brücken zu Verklausungen geführt habe. Dies habe lokale und punktuelle weitere Erhöhungen des Wasserstandes durch Rückstau zur Folge gehabt.

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Der Sachverständige verweist auch auf die Wasserverdrängung durch Bauten auf dem Talboden. Da der Zufluss aus den Nebenbächen räumlich und zeitlich unterschiedlich erfolgt sei, hätten sich die Wassermengen nur teilweise überlagert, was beobachtete schwankende Wasserstände erkläre. Lokal seien schwallartige Wellen hinzugekommen, die aus dem Aufbruch von Verklausungen resultiert hätten. Die Faktoren hätten sich lokal sehr unterschiedlich auf das Geschehen ausgewirkt. Das plötzliche Auftreten des Hochwassers, der in Schüben erfolgte schnelle Anstieg des Wasserstandes sowie die für die Ahr ungewöhnlich hohen Fließgeschwindigkeiten sprächen für ein als Sturzflut zu bezeichnendes Ereignis, wobei Sturzfluten in Deutschland nur selten vorkämen.

Die Wetterprognosen des Deutschen Wetterdienstes sowie weiterer meteorologischer Institutionen hätten nahe, teilweise sogar deutlich über den tatsächlich gefallenen Niederschlagsmengen gelegen. Bei der Konkretisierung der erwarteten Regenmengen für das Einzugsgebiet der Ahr zeige sich ein größeres Spektrum der Niederschlagsmengen. Dies sei in der Dynamik des Regenbandes begründet, das sich erst kurzfristig genauer habe verorten lassen. Bereits eine geringfügige räumliche Verschiebung des erwarteten Niederschlagsbandes hätte im Ahr-Einzugsgebiet zu einem erheblichen Unterschied in den Regenmengen geführt. Selbst wenn sich die tatsächlich gefallene Niederschlagsmenge nur im unteren Bereich des durch den Deutschen Wetterdienst prognostizierten Spektrums bewegt hätte, wäre dennoch ein Hochwasser der Größenordnung des 02.06.2016 zu erwarten gewesen.

Konkrete Hochwasserwarnungen und durch das Landesamt für Umwelt prognostizierte Pegelstände seien erst drei Tage später, eine Gefahrenwarnung, welche ein schweres Hochwasser der Größenordnung eines seltener als alle 50 Jahre auftretenden Hochwassers prognostizierte, erst am 14.07.2021 um 17:17 Uhr erfolgt. Die konkreten Pegel-Prognosen hätten am 14.07.2021 um 11:22 Uhr angedeutet, dass ein Hochwasser der Größenordnung vom Juni 2016 zu erwarten sei. Eine realistischere Prognose der erwarteten Pegelstände sei jedoch erst ab 20:22 Uhr und damit erst nach Eintritt des Hochwassers am Oberlauf der Ahr erfolgt. Am Unterlauf sei das Hochwasser erst später eingetreten, und zwar in Bad Neuenahr zwischen 23:00 Uhr und 23:30 Uhr und in Sinzig ab 02:00 Uhr. Die prognostizierten Pegelstände hätten ab 14:22 Uhr gereicht, um von einem Hochwasser größer als 2016 auszugehen. Ab 20:22 Uhr habe ein nochmals deutlich größeres Hochwasser als 2016 angenommen werden müssen. Das tatsächliche Hochwassergeschehen habe sich insbesondere durch die Warnungen der Hochwassergefahr sowie der Pegelprognosen frühestens um 20:22 Uhr prognostizieren lassen.

Das Ahr-Hochwasser vom 14./15.07.2021 habe sich von dem „Jahrhunderthochwasser“ am 02.06.2016 in seiner Entstehung und Größe signifikant unterschieden. Der 2016 erreichte Scheitelabfluss habe etwa 20 bis 25% von dem betragen, was im Juli 2021 erreicht worden sei. Zwar seien auch 2016 etwa 800 beschädigte Häuser registriert worden, doch habe keine Einsturzgefahr bestanden. Auch andere Faktoren, die das Hochwasser vom Juli 2021 maßgeblich geprägt hätten, wie die großen Mengen an Treibgütern, die daraus entstandenen Verklausungen oder die hohen Fließgeschwindigkeiten innerhalb bebauter Gebiete, seien 2016 nicht beobachtet worden.

Die Ausführungen des Gutachters bestätigen die bereits zuvor durch die bisherigen Ermittlungen gewonnene Vermutung der Staatsanwaltschaft, dass es sich bei der Flut im Ahrtal am 14./15.07.2021 um ein Geschehen handelt, das mit dem Begriff „Hochwasser“ nur unzureichend beschrieben ist. Dies wird im Rahmen der Frage, wie mit im Vorfeld der Katastrophe ergangenen Warnungen umgegangen worden ist, zu berücksichtigen sein. Ansonsten bedarf das Gutachten wie auch die übrigen, bisher gewonnenen Beweismittel der näheren Auswertung, die sich auf den konkreten Ablauf der Katastrophennacht sowie – ggf. – auch auf die Frage bezieht, ob frühere Warnungen zu einer Vermeidung von Todesfällen geführt hätten. Hierbei prüft die Staatsanwaltschaft routinemäßig und ihren gesetzlichen Verpflichtungen entsprechend weiterhin, ob Anlass besteht, auch gegen andere als die bisher beschuldigten Personen Ermittlungen einzuleiten. Bisher ist dies nicht der Fall.

Die Staatsanwaltschaft beabsichtigt, parallel zu den Auswertungen der vorliegenden Erkenntnisse den Untersuchungsausschuss um die Übermittlung weiterer dort anfallender Unterlagen zu bitten.

Nähere Auskünfte zum Stand können wegen der noch andauernden Prüfungen leider auch weiterhin nicht erfolgen. Wann mit einer abschließenden Entscheidung zu rechnen ist, lässt sich bedauerlicherweise noch immer nicht sicher sagen. Auch deshalb sei an dieser Stelle nochmals die für die Beschuldigten weiterhin geltende Unschuldsvermutung besonders betont. Es ist nach wie vor nicht auszuschließen, dass es nach der Sichtung des vorliegenden und sehr umfangreichen Materials noch einzelner Nachermittlungen bedarf. Ungeachtet dessen wird das Verfahren auch weiterhin großem Nachdruck und dem Ziel eines möglichst baldigen Verfahrensabschlusses geführt.

Die Staatsanwaltschaft wird die Öffentlichkeit zu gegebener Zeit erneut über den Fortgang des Verfahrens informieren. (Pressemitteilung:  Kruse, Leitender Oberstaatsanwalt).

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So geht Gemeinschaft: Die Jugendfeuerwehr in Dessighofen

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DESSIGHOFEN Viele Sportvereine in der Region beklagen Nachwuchsmangel. In Zeiten virtueller Realität mit Handys und Spielekonsolen, rückt die gemeinschaftliche Freizeitgestaltung immer mehr in den Hintergrund. Nicht so bei der Jugendfeuerwehr in Dessighofen. Sieben junge Menschen im Altern von 10 bis 16 Jahren treffen sich regelmäßig mit den Jugendwart Daniel Schaab und dem Jugendgruppenleiter Luca Bingel zu Aktivitäten und Übungen rund um die Feuerwehr. Mitten drin der Dornholzhäuser Wehrführer Florian Schmidt, der ebenfalls die Jugend rund um Dessighofen, Schweighausen, Geisig, Oberwies und Dornholzhausen mitbetreut.

Dabei geht es nicht nur um spannende Erfahrungen mit dem schweren Gerät, sondern auch um gemeinsame Zeit bei Ausflügen oder auch einmal bei Vorführungen des Erlernten mitten im Dorf. Nachwuchssorgen rund um die Jugendfeuerwehr Dessighofen? Immerhin sind fünf der sieben Kinder und Jugendlichen weiblich. Und dennoch brauchen auch die kleinen Gemeinden zukünftige, neue Feuerwehrleute. Dafür wurde jetzt eine Fahrzeugshow organisiert, bei dem die Kleinsten so einiges Wissenswertes zu den ehrenamtlichen Helfern erfahren durften.

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Die Neugierde beim Nachwuchs wurde geweckt und erste Neumitglieder gewonnen. Dabei ist schon die Jugendfeuerwehr, ähnlich wie beim erwachsenen Pedanten, viel mehr als nur eine Interessengemeinschaft oder ein gemeinsames Hobby. Es ist schon bei den Jugendlichen ein Treff weit über die Feuerwehr hinaus. So beginnen Freundschaften für lange Zeit oder sogar für ein Leben lang. Das hat etwas.

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Wehrleiter der VG Nastätten legt Amt nieder: Schwere Vorwürfe gegen mehrere Wehrführer!

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NASTÄTTEN Der Nastätter Wehrleiter Stephan Allmeroth hat seinen Abschied zum 30. Juni 2024 bekannt gegeben. Gerne hätte er seine volle Amtszeit beendet, doch die Ereignisse der vergangenen Monate ließen ihn umdenken Aus einem uns vorliegenden Schreiben des Wehrleiters Allmeroth an die Verbandsgemeinde Nastätten geht hervor, dass an einem Konzept für den Fahrzeugbedarfsplan gearbeitet wurde, der in der letzten Sitzung des Arbeitskreises im erarbeiteten Planstand den politischen Vertretern vorgestellt wurde.

Laut Stephan Allmeroth soll es im Anschluss eine Entwicklung gegeben haben, die er als Wehrleiter nicht vertreten kann. Er schreibt an die Verbandsgemeinde: »Hinter meinem Rücken fanden Gespräche von zwei bis drei Wehrführern aus dem Arbeitskreis mit politischen Vertretern statt, mit dem Ziel die im Arbeitskreis demokratisch und mehrheitlich beschlossene Empfehlung in eine andere Richtung zu lenken. Eine solche intrigante Vorgehensweise ärgert mich maßlos und ist ebenso keine gute Entwicklung, wie die nicht vorhandene Gesprächsbereitschaft dieser Kameraden.«

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Weiter teilt er mit: »Diese Entwicklung, mit einem fehlenden Rückhalt für die Wehrleitung und der immer persönlicher werdende Verlauf, haben in mir diesen Entschluss reifen lassen, dass solch ein arbeitsintensives Ehrenamt wie das des Wehrleiters, ohne die Basis einer vertrauensvollen, wertschätzenden Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist. Dies ist daher mit meiner persönlichen Lebenseinstellung nicht mehr vereinbar! Gerne hätte ich mich persönlich von Euch verabschiedet, jedoch wurde meiner Forderung nach einer Wehrführerdienstversammlung zur Aussprache in diesem Thema, nicht stattgegeben.

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Für die Zukunft würde ich mir für das doch so wichtige Ehrenamt Feuerwehr wieder mehr Zusammenhalt und Kameradschaft wünschen. Die heutige Ellenbogenmentalität und das egoistische Verhalten (Kirchturmdenken) dürfen hier keinen Platz finden, der Blick muss auf die gesamte Feuerwehr der Verbandsgemeinde gerichtet werden, um alle gleichermaßen nach vorne zu entwickeln. Denn nur gemeinsam bekommen wir die in der Zukunft folgenden Herausforderungen, als eine Feuerwehr gemeistert. Ihr werdet mich auch künftig in der Feuerwehr der VG Nastätten antreffen, jedoch wieder in der Mannschaft! Denn diese Leidenschaft Feuerwehr ist und bleibt die richtige Entscheidung, seine Freizeit sinnvoll für seine Mitmenschen einzusetzen.«

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Sachbeschädigung in Misselberg

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MISSELBERG Am Mittwoch dem 10.04.2024 vormittags, wurde die Bruchsteinmauer, am Schild “650 Jahre Misselberg”, beschädigt. Es wurde Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Wer etwas gesehen hat oder sachdienliche Hinweise geben kann, kann sich an die Polizeiinspektion Bad Ems, Tel. 0 26 03/97 0-0 oder den Ortsbürgermeister Thomas Schulz Tel. 0 26 04/89 73 wenden.

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