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Existenz gefährdet? Schlachthof Bayer kritisiert mögliche Gebührenerhöhung für Fleischbeschau!

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Existenz gefährdet? Schlachthof Bayer kritisiert mögliche Gebührenerhöhung für Fleischbeschau! (Foto: Pixabay -Symbolbild)
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BAD EMS Der Kreisausschuss plant eine Erhöhung der Fleischbeschaugebühren für den Rhein-Lahn-Kreis. Während sich für Kleinbetriebe und Hausschlachtungen an der Preisstruktur nichts ändern soll, sollen gewerbliche Großbetriebe in Zukunft bei der Rinderfleischbeschau deutlich mehr bezahlen. Die angesetzten Gebühren bei der Schweineschlachtung sollen von 2,14 EUR auf 3,05 EUR steigen. Bei Rindern von 5,00 EUR auf 13,47 EUR.

Gerechnet nach den Schlachtzahlen aus dem Jahr 2023 würde das für 2024 etwa 67.000 EUR mehr an finanziellen Aufwendungen für den Betrieb Bayer in Niederwallmenach bedeuten. Spielraum für Erhöhungen der Verkaufspreise sieht das Unternehmen nicht mehr, da in der jüngsten Vergangenheit durch gestiegene Energiepreise und Mitarbeiterlöhne bereits Angleichungen der Verbraucherpreise gab. Die Firma befürchtet bei erneuten Preissteigerungen, dass die Kunden dauerhaft zu Wettbewerbern wechseln könnten.

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Das Unternehmen kündigte an, den Standort Niederwallmenach aufzugeben, wenn es zu der geplanten Gebührenerhöhung kommen würde. Auch die Kostenbeteiligung des Schlachthofes in Höhe von etwa 400.000 EUR beim Ausbau der Kläranlage im Ort würde zwangsläufig entfallen. Der Geschäftsführer appellierte an die Kreistagsmitglieder, dass diese sich genau überlegen sollten, ob sie einer solchen neuen Gebührenordnung zustimmen wollen, denn wäre die Schlachtung in Niederwallmenach einmal eingestellt, gäbe es an diesem Standort keine Zukunft mehr.

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Mittlerweile ruderten einige Kreistagsmitglieder zurück und wollen zunächst der Beschlussfassung nicht zustimmen. Ursprünglich sollte heute darüber entschieden werden, dazu wird es voraussichtlich nicht kommen. Besonders in den sozialen Medien bekam die Thematik eine Eigendynamik. Die Menschen entrüsteten sich über die mögliche finanzielle Belastung eines regionalen Anbieters. Vehement wurde für den Schlachthof in Niederwallmenach Partei ergriffen und Solidarität gezeigt.

Wettbewerbsungerechtigkeit für das Unternehmen Bayer oder jahrzentelanger Wettbewerbsvorteil gegen Mitbewerber?

Besonders in der geplanten Gebührenerhöhung sieht das Unternehmen eine Wettbewerbsungerechtigkeit. Wir haben uns einmal die Standorte von gewerblichen Großschlachtereien und die dort angesetzte Gebührenordnung in der Fleischhygiene angesehen, um einen Vergleich anzustellen. Und auch dort musste man deutlich unterscheiden, denn in vielen Kreisen gibt es keine gewerblichen Großschlachtbetriebe, und die Gebührenordnung ist primär auf die gewerblichen Kleinbetriebe abgestimmt. Wir haben uns ausschließlich an den Standorten mit gewerblichen Großbetrieben orientiert, um die Werte vergleichbar zu machen.

Schauen wir zunächst einmal auf die Gebührenordnung für Schweineschlachtungen. Der Rhein-Lahn-Kreis möchte von 2,14 EUR auf 3,05 EUR erhöhen. Günstiger ist es im Kreis Bernkastel-Wittlich. Bei angenommenen 1000 Schlachtungen pro Woche (Bayer Niederwallmenach) und 200 pro Tag bei einer 5-Tage-Woche würde der Betrieb in dem Kreis nur 1,71 EUR pro Schweineschlachtung bezahlen. In der Vulkaneifel (Eifelfleisch in Gerolstein) lägen die Kosten bei 2,80 EUR statt der angedachten 3,05 EUR. In Bad Kreuznach liegen die Gebühren bei beachtlichen 8,54 EUR. Schaut man dort ein wenig über das Bundesland hinauf auf die ganz großen Schlachtbetriebe wie Tönnies in Rheda-Wiedenbrück oder Westfleisch, wird es interessant. Bei angenommenen 30 Schlachtungen pro Stunde müsste Tönnies 4,37 EUR pro Schwein bezahlen. Westfleisch käme mit 3,03 EUR günstiger weg.

Ganz anders sieht es bei den Gebühren für Rinder aus. Bisher verlangte der Rhein-Lahn-Kreis 5,00 EUR für die Fleischbeschauung bei Rindern. Der nunmehr angedachte Preis liegt bei 13,47 EUR. Und genau dort wird die Vergleichbarkeit sehr schwierig. Das Unternehmen Bayer ist im Bereich der Rinderschlachtung kein großer Schlachtbetrieb, sondern ein kleiner Gewerbebetrieb. In den Kreisen wird primär nach Schlachtart unterschieden und gerade nicht zusammengezählt. So kommt es vor, dass ein Unternehmen bei der Schweineschlachtung so hohe Zahlen vorweisen kann, dass es als gewerblicher Großbetrieb eingestuft wird und bei der Rinder- oder Geflügelschlachtung deutlich schlechter dasteht, da dort die Verwertungszahlen deutlich geringer sind.

Eine Preiserhöhung von 5 Cent je Kilo würden die Verbraucher nicht mittragen?

Statt einer von dem Unternehmen Bayer angenommenen Wettbewerbsbenachteiligung bei einer Gebührenerhöhung, dürfte es sich vielmehr um einen jahrzehntelangen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Mitbewerbern gehandelt haben bei bisherigen 5,00 EUR pro Fleischbeschau bei einem Rind. Das Unternehmen gibt auf ihrer Webseite an, dass es zwischen 40 und 80 Rinderschlachtungen pro Woche durchführt. Wir haben uns angesehen, was für die Menge in anderen Kreisen mit Schlachthofgroßbetrieben aufgerufen wird.

Im Kreis Bernkastel-Wittlich werden ab einer Schlachtleistung von 120 Rindern pro Tag 22,29 EUR fällig. In Bad Kreuznach sind es ab 65 bis 119 Rinder pro Tag 14,12 EUR und in der Vulkaneifel 15,64 EUR bzw. 6,13 EUR ab 120 Schlachtungen pro Tag. Der Rhein-Lahn-Kreis möchte zukünftig möglicherweise auf 13,47 EUR erhöhen und wäre damit noch sehr günstig im direkten Vergleich. Das Bundesland Bayern hat dieses Jahr einen Gesetzentwurf zur Preisdeckelung bei den Gebühren nach dem Fleischhygienerecht verabschiedet. Damit sollen kleinere und mittlere Schlachthöfe entlastet werden. Vermieden werden sollen damit lange Transportwege. Regionale Schlachtstrukturen sollen gestärkt werden. Allerdings betrifft das nur Unternehmen mit bis zu 1000 Großvieheinheiten im Jahr. Da liegt das Unternehmen Bayer in Niederwallmenach auch bei den Rindern bei einer Leistung von 40 bis 80 Stück die Woche drüber. Bei ausgewachsenen Rindern soll der Preis bei 14,00 EUR liegen.

Während andere Kreise nach Jungrindern (deutlich günstiger) und ausgewachsenen Tieren unterscheiden, soll es im Rhein-Lahn-Kreis einen Einheitspreis geben. Und eines ist sicherlich klar: Regionalität ist ein gewichtiges Argument. Für die zuliefernden Landwirte bedeutet es kurze Wege und damit geringere Kosten und für die Verbraucher ist es die Möglichkeit, heimische Metzgerwaren zu konkurrenzfähigen Preisen zu bekommen. Ein Schlachthof im Kreis ist sicherlich ein Luxus, den zahlreiche andere Gemeinden gerne hätten.

Und trotzdem darf sich ein Kreis nicht beirren lassen. Insbesondere bei der Erhöhung der Gebühren zur Fleischbeschau bei Rindern ist der Schritt überfällig. Mit bisherigen 5,00 EUR konnte das kaum kostendeckend bei einer Schlachtleistung von 40 bis 80 Rindern die Woche gewesen sein. Ein ausgewachsenes Schlachtrind wiegt etwa 330 kg. Bei durchschnittlich angenommenen 48% Schlachtabfällen und einer Kostenerhöhung von 8,47 EUR je Rind wären das auf das Kilo brutto gerechnet rund 5 Cent. Und eine Preiserhöhung von 5 Cent je Kilo würden die Verbraucher nicht mittragen?

Gerade die gewerblichen Kleinbetriebe können nicht mit einem Unternehmen wie Bayer konkurrieren. Sie zahlen 20,00 bei Rindern ab 6 Schlachtungen und müssen sich in Nischen trotzdem dem Wettbewerb stellen. Bei bisherigen 5,00 EUR je Fleischbeschau und lediglich 40 bis 80 Schlachtungen von Rindern je Woche käme die Weiterführung der bisherigen Regelung einer versteckten Subvention des Kreises gleich. Bei dem angedachten neuen Preis von 13,47 EUR ist dieser noch immer über dem Kreis hinaus konkurrenzlos günstig, sofern man richtigerweise die Schlachtmenge beachtet.

Ein Shitstorm in den sozialen Medien beeindruckt scheinbar selbst gestandene Kreispolitiker

Die Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Rhein-Lahn hofft auf legale Wege, das Unternehmen nicht weiter zu belasten, damit regionale Strukturen der Lebensmittelversorgung gesichert bleiben. Sie sieht besonders die Belastung durch den Fachkräftemangel, Energiepreis- und Lohnsteigerungen. Dazu sind immer mehr behördliche Anforderungen zu erfüllen. Im aktuellen Fall zur Firma Bayer führt sie die bereits 2017 eingeführte EU-Verordnung an, welche die Kreisverwaltung verpflichtet, die Gebührenstruktur anzupassen. Dabei wäre aber der Schuldige weder in der Kreisverwaltung noch im Land oder dem Bund zu suchen, denn immerhin handelt es sich um eine EU-Verordnung, die dem Tierschutz dienen soll. Bei der Tötung der Tiere müssen nach der erlassenen Verordnung dauerhaft ein Veterinär anwesend sein und ein weiterer müsste eine Probe entnehmen. Europäische Gesetze müssen vor Ort umgesetzt werden.

»Die Firma Bayer ist für unsere Region als regionaler Lebensmittelversorger, als Arbeitgeber, aber auch für unsere vielen regionalen Landwirte mit Viehhaltung ein wichtiges, höchst relevantes Unternehmen. Wertvolle Lebensmittelversorgung wird hier vor Ort sichergestellt. Als Wirtschaftsförderin bin ich der Meinung, dass jede mögliche Prüfung erfolgen muss, wie diese hohe, zusätzliche Kostenbelastung für die Firma Bayer reduziert werden kann. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst sein, dass die durch Gesetz auferlegten Vorgaben eine Kostenumlage in Form von Gebühren erfordern; tut der Kreis das nicht, ist dies faktisch eine unerlaubte verdeckte Subvention mit ebenfalls weitreichenden Folgen. Es gilt in dieser Situation, alle Möglichkeiten auszuloten und gemeinsam mit Sachverstand legale Wege zu finden. Hilfreich wäre dabei schon, wenn die Exekutive in allen Ländern der EU, wo diese Verordnung und alle anderen Verordnungen wie bei uns gelten, deren Umsetzung ernsthaft kontrollieren würden. Andernfalls entstehen hier vor Ort Wettbewerbsnachteile und die, die sich an Recht und Gesetz halten, sind am Ende die Dummen«, teilt die Geschäftsführerin der WfG Rhein-Lahn mit.

Eine Überschrift in den sozialen Medien reichte aus, um einen donnernden Protest gegen die Pläne des Kreises auszulösen. Ein solcher Shitstorm beeindruckt scheinbar selbst gestandene Kreispolitiker. Nicht wenige knickten ein und versprachen, die Zustimmung zur Beschlussvorlage zu verweigern oder Nonkonformität ist unerwünscht und so schwimmen die Fische im Gleichklang ihres Abgesangs einer polarisierenden Nachricht hinterher, ohne zu hinterfragen. Das Phänomen der sozialen Medien. Nur darf ein Kreis sich davon erschüttern lassen oder ist er nicht dazu aufgerufen, gleiche Verhältnisse für alle zu schaffen, ohne das Ansehen des Unternehmens? Muss es nicht auch kostendeckend arbeiten?

Lokal ist längst zu einem Schlachtruf geworden. Und dennoch endet die Regionalität nicht an den Grenzen des Rhein-Lahn-Kreises. Viel zu gerne glaubt man, dass der Kreis eine Scheibe ist, von der man hinten herunterfällt. Hähnchen aus Schweighausen, Milch aus Endlichhofen und der Schnaps aus Hirschberg. Schön ist das. Doch in Zeiten der Globalisierung gehören auch die Äpfel aus der Eifel, der Wein von der Mosel und die Kirschen aus dem Rhein-Taunus-Kreis dazu. Und das am Besten zu ähnlichen Bedingungen. Und da sind wir wieder beim Schlachthof Bayer in Niederwallmenach.

Einen Wettbewerbsnachteil soll der Betrieb auf keinen Fall erleiden, aber auch keinen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil bei der Fleischbeschau von Rindern erlangen. Zudem darf die Entscheidung eines Kreisausschusses nicht davon abhängig gemacht werden, wie sich das Schwarmverhalten in den sozialen Medien entwickelt oder ob Druck auf ihn ausgeübt wird. Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung des Kreises ausfällt, die heute sicherlich nicht getroffen wird.

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Neues Jagdgesetz: Jäger protestieren vor dem Kreishaus in Bad Ems

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Foto: BEN Kurier | Lizenz: Envato
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BAD EMS Mit der geplanten Reform des Landesjagdgesetzes in Rheinland-Pfalz verschieben sich die Kräfteverhältnisse im Revier: Die Rechte von Grundstückseigentümern werden gestärkt, während Jagdpächter mit Einschränkungen rechnen müssen. Die Folge: scharfer Protest aus der Jägerschaft – zuletzt vor dem Kreishaus in Bad Ems, wo sich rund 120 Jäger versammelten, um ihrem Unmut öffentlich Luft zu machen.

Rheinland-Pfalz steht vor einer grundlegenden Reform des Landesjagdgesetzes – und die Diskussionen darüber sind hitzig. Während Umwelt- und Naturschutzverbände den Entwurf begrüßen, kommt aus jagdlichen Kreisen scharfer Gegenwind. Insbesondere die geplanten Änderungen rund um den Waldumbau und Mindestabschussquoten sorgen für Unmut.

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Kern des neuen Gesetzes ist die stärkere Ausrichtung der Jagd auf die klimabedingt notwendige Walderneuerung. Um eine natürliche Verjüngung des Waldes zu ermöglichen, sollen künftig neue Jagdkonzepte entwickelt werden, die regional zwischen Jagdausübungsberechtigten und Verpächtern abgestimmt werden. Wenn Wildverbiss die Entwicklung des Waldes stark behindert, können Behörden Mindestabschusszahlen festsetzen – im Zweifelsfall auch verbindlich anordnen.

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Die Kritik aus der Jägerschaft ist deutlich. Es wird befürchtet, dass das neue Gesetz zu einem massiven Anstieg der Abschüsse führen könnte, ohne ausreichende Berücksichtigung wildbiologischer Zusammenhänge. In der Folge sehen sich viele Jäger in ihrer Rolle einseitig belastet und stellen die Ausgewogenheit des Entwurfs infrage.

Besonders umstritten sind die neuen Eingriffsrechte für Grundstückseigentümer. Diese können künftig bei Wildschäden selbst zur Jagd greifen oder Dritte bestimmen – auch zusätzlich zum Jagdpächter. Bei einer Nutzung von mehr als 50 Prozent der bejagbaren Fläche erhalten Eigentümer sogar ein Mitspracherecht bei den Abschussplänen – bis hin zur Möglichkeit der Kündigung bestehender Pachtverhältnisse.

Naturschutzverbände begrüßen die Reform. Aus ihrer Sicht ist der Wildbestand in vielen Regionen zu hoch, was die natürliche Waldverjüngung erheblich erschwere. Sie sehen die Novelle als überfällig an – gerade mit Blick auf die fortschreitende Klimakrise, den Rückgang der Artenvielfalt und die Herausforderungen einer ökologisch tragfähigen Waldbewirtschaftung.

Die Reform ist nicht neu auf dem politischen Tableau: Über Jahre hinweg wurde darum gerungen. Auch in anderen Bundesländern verliefen ähnliche Reformprozesse nicht ohne Widerstand. In Rheinland-Pfalz wurde der Entwurf über längere Zeit mit unterschiedlichen Interessengruppen abgestimmt.

Umweltministerin Katrin Eder betont, dass es sich um einen breit abgestimmten Kompromiss handelt, der sowohl den Koalitionsvertrag als auch die Anforderungen an den Schutz und die nachhaltige Entwicklung der Wälder berücksichtigt. Mit dem Beschluss im Ministerrat ist das Gesetz einen bedeutenden Schritt weiter – die Einbringung in den Landtag soll zeitnah erfolgen. In Kraft treten könnte es dann ab April 2027.

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Streit um Straßenausbaubeiträge: CDU fordert Abschaffung – SPD warnt vor Folgen für Kommunen

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Foto: BEN Kurier
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POLITIK In der 88. Plenarsitzung des rheinland-pfälzischen Landtags trafen am Mittwoch zwei entgegengesetzte Positionen frontal aufeinander: Die CDU-Fraktion forderte die komplette Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, während die SPD vor einem schwerwiegenden Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung warnte. Im Zentrum der Debatte standen die Fragen der Gerechtigkeit, der Finanzierung und der politischen Verantwortung gegenüber Kommunen und Bürgern.

CDU: „Öffentliche Straßen sind eine Aufgabe für alle“

Die CDU-Landtagsfraktion hat ihren Gesetzentwurf zur Abschaffung der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge eingebracht. Fraktionschef Gordon Schnieder erklärte, es sei an der Zeit, Eigentümerinnen und Eigentümer zu entlasten: »Öffentliche Straßen, Wege und Plätze dienen der Allgemeinheit. Ihr Ausbau darf keine übermäßige Belastung für Einzelne bedeuten

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Künftig sollen die Kommunen pauschal jährlich rund 10.000 Euro pro Straßenkilometer aus Landesmitteln erhalten – ohne bürokratisches Antragsverfahren. Schnieder betonte: »Wir stehen für eine bürgernahe Politik und eine effiziente Verwaltung.«

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Die CDU verweist auf andere Bundesländer, in denen die Beiträge bereits abgeschafft oder den Kommunen freigestellt wurden. Rheinland-Pfalz sei das letzte Flächenland, das an einer verpflichtenden Regelung festhalte.

SPD: „Ein gefährlicher Vorschlag zu Lasten der Allgemeinheit“

Benedikt Oster, SPD-Abgeordneter und Mitglied des Innenausschusses, widersprach vehement: »Der CDU-Entwurf klingt auf den ersten Blick bürgerfreundlich – ist in Wirklichkeit aber ein populistisches Umverteilungsmodell nach dem Gießkannenprinzip.« Er warnte davor, dass eine Abschaffung der Beiträge nicht nur die Planungssicherheit der Kommunen gefährde, sondern auch zu einer ungerechten Belastung der Allgemeinheit führe.

Die SPD sieht die Beiträge als Instrument kommunaler Selbstverwaltung und verweist auf die Vorteile für Anlieger durch steigende Grundstückswerte nach einem Straßenausbau. »Warum sollen Mieter und Menschen ohne Eigentum künftig über Steuern für den Vorteil Einzelner aufkommen?«, so Oster.

Ein vollständiger Systemwechsel, so die SPD, sei zudem weder gerecht noch haushaltspolitisch vertretbar. Auch der Vorschlag der CDU, die Finanzierung aus Rücklagen zu stemmen, sei unseriös. Rücklagen wie die Gigabit-Rücklage oder die Haushaltssicherungsrücklage seien für andere Aufgaben vorgesehen.

Kommunale Spitzenverbände und der Bund der Steuerzahler uneins

Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz spricht sich gegen eine pauschale Abschaffung aus. Geschäftsführer Dr. Karl-Heinz Frieden betonte, dass die Beiträge bei differenzierter Anwendung ein funktionierendes Finanzierungsinstrument seien. Insbesondere wiederkehrende Beiträge würden Härten vermeiden und böten den Kommunen verlässliche Einnahmen.

Demgegenüber fordert der Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz seit Jahren ein Ende der Beiträge. Präsident Rainer Brüderle nannte Rheinland-Pfalz das letzte Reservat verpflichtender Ausbaubeiträge. Auch der Verband Wohneigentum sowie Haus & Grund argumentieren, dass das System ungerecht, bürokratisch und intransparent sei.

Finanzierung weiter ungeklärt

Zwar plant die CDU jährlich 200 Millionen Euro aus originären Landesmitteln zur Kompensation, die Freien Wähler sprechen jedoch nur von 90 Millionen Euro. Oster stellte infrage, wie diese Summen nachhaltig gestemmt werden sollen: »Eine dauerhafte Ausgabe aus Rücklagen zu finanzieren, ist nicht verantwortbar.«

Zudem bestehe die Gefahr, dass künftig jede einzelne Investition in Mainz entschieden werden müsste, was die kommunale Gestaltungsfreiheit erheblich einschränken würde. Der SPD-Abgeordnete stellte klar: »Die Kommunen wollen keine Symbolpolitik, sondern Verlässlichkeit und Entscheidungsfreiheit vor Ort

Blick in andere Bundesländer: Keine einfache Lösung

In Bayern und Hessen wurden die Beiträge abgeschafft oder zur freiwilligen Option erklärt – mit gemischten Ergebnissen. In Bayern spricht der Gemeindetag von einem Pyrrhussieg für die Bürger, da nun die Allgemeinheit belastet werde. In Hessen befürchten viele Kommunen Steuererhöhungen, um den Wegfall der Einnahmen zu kompensieren.

Die Debatte um die Straßenausbaubeiträge bleibt ein hochsensibles Thema, das sowohl finanzielle als auch verfassungsrechtliche Dimensionen berührt. Während die CDU mit ihrem Vorschlag auf Entlastung und Vereinfachung setzt, mahnt die SPD zur Vorsicht und verweist auf die Risiken für Kommunen und Steuerzahler.

Ob es zu einer Einigung kommt, ist ungewiss. Klar ist jedoch: Die grundsätzliche Frage, wer für den Zustand öffentlicher Infrastruktur zahlen soll, wird das politische Rheinland-Pfalz noch lange beschäftigen.

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Kreis will Schulen übernehmen: Wer zahlt am Ende die Zeche?

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BAD EMS Der Rhein-Lahn-Kreis plant die Übernahme der letzten drei Realschulen von den Verbandsgemeinden. Die damit verbundenen Kosten sollen durch eine Erhöhung der Kreisumlage um zwei Prozent gedeckt werden. Der Kreisausschuss hat dem Kreistag eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen – die endgültige Entscheidung wird für Ende Juni erwartet.

Ziel: Entlastung der Verbandsgemeinden – aber zu welchem Preis?

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Die Idee, Schulen in Trägerschaft des Kreises zu führen, ist nicht neu. Bereits 2020 wurde das Modell vorgestellt, um die Verbandsgemeinden von Verwaltungs- und Sanierungsaufwand zu entlasten. Während die Verbandsgemeinden seither unter zunehmenden finanziellen Belastungen leiden, galt der Vorschlag damals als pragmatischer Ansatz. Allerdings war die Ausgangslage damals eine andere: Der Kreis verfügte noch über einen ausgeglichenen Haushalt – heute steht er mit rund 28 Millionen Euro in der Kreide.

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Kreisumlage bereits wegen Paulinenstift erhöht

Mit der Übernahme des Paulinenstifts in Nastätten zur Sicherung der medizinischen Versorgung in der Region hatte der Kreis bereits eine erste Erhöhung der Umlage beschlossen. Nun soll mit der geplanten Schulübernahme eine weitere Erhöhung folgen. Die Argumentation: Ein einheitlicher Schulträger könne langfristig Verwaltungs- und Betriebskosten einsparen.

Solidargemeinschaft – oder Mehrbelastung für alle?

Durch die Übernahme würden die finanziellen Lasten nicht mehr allein von den Verbandsgemeinden getragen, in denen sich die Realschulen befinden. Vielmehr würde der gesamte Kreis – also auch Kommunen ohne eigene Realschulen – zur Kasse gebeten. Kritiker sehen darin zwar einen Akt solidarischer Finanzierung, warnen aber vor finanziellen Folgewirkungen: Die Verbandsgemeinden werden die höheren Umlagen an ihre jeweiligen Städte und Ortsgemeinden weiterreichen. Und dort wird die Belastung letztlich bei den Bürgern ankommen.

Einsparungen nicht automatisch entlastend

Offen bleibt zudem, ob die Verbandsgemeinden die durch den Wegfall der Schulträgerschaft eingesparten Mittel tatsächlich an die Kommunen weitergeben. Angesichts der angespannten Haushaltslagen ist eine Entlastung der Städte und Ortsgemeinden keineswegs sicher. Die beabsichtigte Umlageerhöhung könnte also trotz möglicher Einsparungen unterm Strich zu einer Mehrbelastung führen.

Transparenz gefordert

Viele Bürgerinnen und Bürger wissen kaum, was sich hinter dem Begriff der Kreisumlage verbirgt – und noch weniger, welche konkreten Auswirkungen eine Erhöhung auf ihre eigene Gemeinde und letztlich auf sie selbst hat. Umso wichtiger wäre es aus Sicht von Beobachtern, die finanziellen Folgen künftiger Entscheidungen frühzeitig und offen zu kommunizieren. In der freien Wirtschaft wäre eine solche Investition mit klaren Rückzahlungsmodalitäten und Risikobewertungen verknüpft. Im politischen Raum dagegen bleibt oft unklar, wer die tatsächliche Zeche zahlt.

Entscheidung steht bevor

Der Kreistag wird Ende Juni über die Übernahme der Schulen und damit auch über die Erhöhung der Kreisumlage entscheiden. Angesichts der angespannten Haushaltslage des Rhein-Lahn-Kreises und der bereits erfolgten Umlageerhöhung zur Finanzierung des Paulinenstifts wird die Entscheidung nicht nur ein bildungspolitisches Signal setzen, sondern auch zur Nagelprobe für die finanzielle Belastbarkeit der kommunalen Solidargemeinschaft im Kreis.

Kommentar: Am Ende zahlt der Bürger

In der Privatwirtschaft gilt ein einfaches Prinzip: Wer bestellt, bezahlt. In der öffentlichen Hand funktioniert das offenbar anders. Politische Entscheidungen werden getroffen, Projekte angestoßen – und die Kosten wandern von oben nach unten. Der Kreis beschließt, die Umlage steigt. Die Verbandsgemeinden geben die Belastung an Städte und Ortsgemeinden weiter. Und dort landet sie schließlich bei denen, die weder am Tisch saßen noch gefragt wurden: die Bürger.

Die Idee, Schulträgerschaften zu zentralisieren, mag sinnvoll sein. Doch die Finanzierung über eine ständig steigende Kreisumlage folgt einem Prinzip, das sich immer öfter wiederholt: Man beschließt, doch bezahlt wird ganz unten. Eine ehrliche Debatte über die Grenzen kommunaler Belastbarkeit ist längst überfällig (BEN Kurier Kommentar).

 

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