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Bad Ems ist sicher? Es gibt kein Problem mit Randalierern? Videos im Artikel

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Bad Ems ist sicher? Es gibt kein Problem mit Randalierern? Videos im Artikel
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BAD EMS Am 06.06 berichtete der BEN Kurier über nächtliche Randale im Kurpark (Artikel hier). Die Polizei und die Stadt waren alarmiert. Ein neues Sicherheitskonzept sollte alles besser machen. Angedacht waren u.a. nächtliche Alkoholverbote in Teilbereichen der Stadt.

Und es schien sich etwas zu tun. Patrouillierende Sicherheitskräfte liefen nächtliche Streifen durch den Kurpark. Einige Tage kehrte trügerische Ruhe ein, denn schnell war klar, dass sich nichts geändert hatte.

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Aufnahmen vom 25.07.2021 – Schlägerei gegen 2:00 Uhr morgens in der Römerstraße

 

Das Dilemma ist das Gleiche. Noch immer ziehen zu später Stunde, Gruppen von jungen Erwachsenen durch die Römerstraße und Teile des Kurparks. Nur 12 Tage nach den Vorfällen war alles beim Alten.

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Die Polizei überprüft präventiv in unregelmäßigen Abständen die bekannten Hotspots in Bad Ems. Dabei ist es wie ein Katz und Maus Spiel. Sobald aus der Ferne ein Streifenwagen erkennbar ist, verschwinden die Heranwachsenden. Dabei versucht die Polizei der Lage her zu werden. Ist sie über Vorfälle informiert, trifft sie binnen kurzer Zeit vor Ort ein.

Doch wie sollen die Ordnungshüter reagieren? Ein Platzverweis? Eine vorübergehende Festnahme bei renitenten Ruhestörern? Nur wenige Tage später, wird sie die gleichen, unbelehrbaren Personen erneut vor Ort antreffen. Eine frustrierende Situation.

Vorfall in der Nacht vom 05.06 auf den 06.06 – Römerstraße

 

Auch dem Stadtbürgermeister Oliver Krügel ist die bekannte Problematik ein Dorn im Auge. Dabei warnt er eindringlich vor einer pauschalisierten Bewertung aller Jugendlichen oder Heranwachsenden in Bad Ems. Der überwiegende Teil der jungen Mitbürger, ist nicht für die Vorfälle in der Stadt verantwortlich. Im Gegenteil. Diese nutzen lieber die zahlreichen angebotenen Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in der Kurstadt.

Der Vorsitzende des Fußballvereins der Sportfreunde Bad Bad Ems, Achim Wunsch, sprach in der Live Online-Sitzung des Stadtbürgermeisters an, dass der Kurpark und die Römerstraße immer unsicherer werden würden und wollte wissen, was die Stadt dagegen unternimmt.

Am 03.07 in der Römerstraße – Erste Vorfälle gegen 23:00 Uhr – Letzte um 2:54 Uhr

Dem gegenüber antwortete Oliver Krügel, dass dort öfters nichts dran sein würde. Er bat die Bürger darum, dass die Informationen kritisch hinterfragt werden. „Man kann nicht behaupten, dass wir in diesem Jahr (glücklicherweise), ein Vandalismus- oder ein Gewaltproblem haben was über ein Maß einer Stadt hinaus geht in dieser Größenordnung“, führte der Stadtbürgermeister aus.

Die hauptsächliche Verantwortung, für die Ordnung in der Stadt, sieht das Stadtoberhaupt bei der Polizei. Für eigene Sicherheitskräfte wäre kein finanzieller Spielraum da. Oliver Krügel weist auf  ein weiteres Dilemma hin. Laut ihm, wäre die Personaldecke der Polizei sehr dünn. Um die erschwerten Aufgaben in der Stadt bewältigen zu können, bedarf es weiterer Einsatzkräfte. Und diese fordert er von der Landesregierung.

Bad Ems ist Weltkulturerbe. Einerseits möchte das Stadtoberhaupt keine negativen Nachrichten zu nächtlichen Auseinandersetzungen in der Römerstraße lesen. Verständlich. Denn dieses verschreckt mögliche Gäste in der Kurstadt. Andererseits scheint eine Lösung in weite Ferne gerückt zu sein. Somit kommt die aktuelle Situation einer Kapitulation vor den Gegebenheiten gleich. Alles bleibt so wie gehabt.

30.07 – Polizeieinsatz in der Römerstraße

Doch wie passt das alles zusammen? Natürlich spiegeln die nächtlichen Auseinandersetzungen und exzessiven Saufgelagen auf den Straßen nicht den Querschnitt der Jugend wieder. Und natürlich können diese nicht in einen Topf geworfen werden. Doch ohne ein Sicherheitskonzept wird eine ganze Generation durch die Gesellschaft immer mehr in Kollektivhaftung genommen.

Zwischenzeitlich haben Bürger in der Römerstraße kapituliert und haben der Stadt dauerhaft den Rücken gekehrt. Andere teilten dem BEN Kurier telefonisch mit, dass sie nachts nicht mehr gefahrlos auf die Straße gehen können.

Einige Bürger haben schlichtweg Angst und fühlen sich im Stich gelassen. Zu Unrecht? Die Verantwortlichen sprechen davon, dass es keinen nennenswerte Kriminalität in Bad Ems geben würde. Ähnliches verlautete auch der Stadtbürgermeister. Gleichwohl sprechen die bewegten Bilder und das gefühlte Sicherheitsempfinden der Anwohner andere Worte.

18.07 Polizeieinsatz in der Römerstraße

Natürlich sollten strafrechtlich relevante Vorfälle angezeigt werden um eine Handhabe für die Ordnungshüter zu schaffen. Allerdings trauen sich viele Betroffene nicht. Die Angst vor Repressalien ist groß wobei sich die Anwohner durchaus eine konsequente Beendigung der nächtlichen Eskalationen wünschen. Ein Bad Emser schrieb dem BEN Kurier: „…Wut, Angst und Machtlosigkeit….. Das unbändige Gefühl nicht ernst genommen zu werden….“

Bestenfalls nur ein Betrunkener nach Mitternacht – Schlafen können die Anwohner nicht

In den sozialen Medien tauchen immer wieder die gleichen Namen auf. Genannt werden ein Victor oder auch ein Dennis (Anm. Beide sind der Redaktion namentlich bekannt). Gerade Letzterer soll laut mehreren Augenzeugen zur Folge, einen Kleindealer mit körperlichen Konsequenzen gedroht haben, wenn dieser in Zukunft erneut Drogen in seiner Stadt verkaufen würde. Nur er alleine hätte das Recht dazu.

Tilidin, Amphetamine oder lieber Marihuana? Offenbar alles leicht zu erwerben in der Kurstadt. Bestimmt ist dieses in anderen Städten nicht anders. Die Römerstraße ist auch nicht vergleichbar mit der Kaiserstraße in Frankfurt. Aber hier geht es einzig und alleine um die Stadt Bad Ems. Und in dieser gab es einmal in früheren Zeiten eine wunderschöne Flaniermeile in der Römerstraße, die auch in den Abendstunden sicher besucht werden konnte. Das ist nun Vergangenheit. Willkommen im Weltkulturerbe Bad Ems.

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1 Comment

1 Comments

  1. Emser

    5. August 2021 at 13:08

    Gut geschrieben aber eine Lösung wird es leider nicht so einfach geben.
    Sicherheit kostet Geld und das will keiner bezahlen. Ein Dilemma, was so oft existiert.
    Das Licht im Kurpark war eine gut gemeinte Lösung aber wenn ich mir die Videos anschaue, hauen die Pfosten sich mitten auf der Römerstr. auf die Nuss. Da ist eh Licht.
    Was muss man machen: Videoüberwachung. Geht leider auf Kosten der persönlichen Freiheit, bringt aber ein klein wenig mehr Sicherheit.

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Alltag auf der Wache: Die Polizeiinspektion Lahnstein im Porträt

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LAHNSTEIN Wenn morgens die ersten Streifenwagen das Gelände der Polizeiinspektion Lahnstein verlassen, beginnt ein Arbeitstag, der selten vorhersehbar ist. Die Einsätze sind so vielfältig wie das Gebiet, für das die Beamtinnen und Beamten hier zuständig sind: Von der Stadt Lahnstein hin zur Verbandsgemeinde Loreley – mit Orten wie Dachsenhausen, Braubach und die Koblenzer Stadtteile Horchheim sowie Pfaffendorf. Mal ist es eine Ruhestörung in einem Mehrfamilienhaus, mal ein schwerer Verkehrsunfall, mal eine Anzeige wegen Internetbetrug. Die Herausforderungen wachsen – aber eines bleibt: der Wille, den Menschen zur Seite zu stehen.

Berufung in Uniform

Wer durch die Flure der Polizeiinspektion geht, begegnet Menschen mit Haltung. Caroline Fachinger, die Dienststellenleiterin, empfängt ruhig und freundlich – mit der Selbstverständlichkeit von über 30 Dienstjahren. Schon mit 16 begann sie ihre Laufbahn bei der Polizei, über Mainz und Koblenz führte sie der Weg zurück in den Rhein-Lahn-Kreis. Seit anderthalb Jahren leitet sie die Inspektion in Lahnstein, ein Team aus rund 40 Mitarbeitenden.

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»Was mich nach all den Jahren immer noch antreibt, ist die Vielseitigkeit dieses Berufs. Man kann sich entwickeln, sich einbringen – und man ist nie allein. Der Polizeidienst funktioniert nur als Teamarbeit«, sagt sie. Dabei ist sie nicht nur Führungskraft, sondern Kollegin, Mentorin, Ansprechpartnerin. Und sie spürt, dass sich der Beruf verändert hat – in der Wahrnehmung, aber auch in der Realität.

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Zwischen Fußstreife und Facebookbetrug

Denn klassische Straftaten wie Einbruch oder Diebstahl sind längst nicht mehr die einzigen Herausforderungen. »Die Kriminalität hat sich stark ins Internet verlagert. Betrugsmaschen über Kleinanzeigenportale, Fake-Shops, Hasskommentare in sozialen Netzwerken – das sind Dinge, mit denen wir heute regelmäßig zu tun haben«, so Fachinger. Und auch die Bürger selbst hätten sich verändert: »Die Schwelle, die Polizei zu rufen, ist gesunken. Die Menschen reagieren sensibler, aber auch schneller. Ein Streit unter Nachbarn, eine Rangelei auf der Kirmes – sofort wird das Handy gezückt und die 110 gewählt

Die neue Generation im Team

Eine, die diese neue Realität aus nächster Nähe erlebt, ist Polizeikommissarin Alisha Ling. Frisch im Dienst, mit viel Begeisterung und einer ordentlichen Portion Realitätssinn. »Für mich war das ein Kindheitstraum. Und was mich bis heute am meisten fasziniert, ist der Teamgeist. Du bist nie allein. Du gehst nicht allein zum Einsatz, du trägst Verantwortung gemeinsam.«

Ling liebt die Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern. »Da sind so viele Begegnungen, die einfach guttun. Menschen, die dankbar sind. Oder auch nur mal reden wollen. Das gehört genauso dazu wie die schwierigen Seiten.«

Und die gibt es. Etwa wenn es darum geht, Todesnachrichten zu überbringen. »Das sind Momente, in denen man sich wünscht, diesen Teil des Jobs könnte jemand anders übernehmen.« Doch die Polizei ist auch darauf vorbereitet: Mit dem sogenannten Kriseninterventionsteam (Kit-Pol) stehen geschulte Kolleginnen und Kollegen zur Seite, um emotionale Belastungen aufzufangen – und aufzuarbeiten.

Streife, Schreibtisch, Zentrale Anzeigenbearbeitung

Viele denken bei Polizeiarbeit nur an Funkwagen und Blaulicht – doch der Dienstalltag ist weit mehr. »Ein Großteil unserer Arbeit spielt sich am Schreibtisch ab«, erklärt Caroline Fachinger. In Lahnstein ist sogar die Zentrale Anzeigenbearbeitung für das gesamte Polizeipräsidium Koblenz angesiedelt. Betrugsdelikte, Sachbeschädigungen, Ladendiebstähle – Fälle mit geringer Komplexität, aber hoher Anzahl, werden hier gesammelt und bearbeitet. »Das entlastet die Reviere vor Ort und bündelt Kompetenzen

Und dennoch bleibt der Kontakt zur Straße wichtig – buchstäblich. »Wir versuchen, regelmäßig zu Fuß Streife zu gehen«, sagt Alisha Ling. »Gerade nach dem Frühdienst, einfach raus in die Innenstadt. Die Leute sehen uns, sprechen uns an. So entsteht Nähe.«

Mit Haltung und Herz: Polizei als Lebensweg

Sven Hohaus, Polizeioberkommissar, ist einer, der den Polizeiberuf von mehreren Seiten kennt. Nach seiner Ausbildung unterrichtet er heute neben dem Streifendienst auch an der Höheren Berufsfachschule in Lahnstein – dort, wo er selbst einst begann. Er lehrt Gefahrenabwehrrecht und bringt den Nachwuchs auf Kurs. »Mir war klar, dass ich keinen Beruf will, der mich täglich ins Büro einsperrt. Hier habe ich alles: Menschen, Herausforderungen, Verantwortung.«

Auch er kennt die Diskussion um Respekt gegenüber der Polizei. „Ja, es ist manchmal rauer geworden. Aber mit dem richtigen Auftreten kommt man weit. Freundlichkeit wirkt oft stärker als jedes Mittel des Zwangs.“ Angst habe er nie. »Man braucht Respekt vor der Situation und den Menschen, aber keine Angst.«

Ein starkes Team – für ein starkes Revier

Was uns beim Besuch in der PI Lahnstein besonders auffiel, war das Miteinander. Die gegenseitige Unterstützung, das Gespräch, das offene Ohr. Vom Schreibtisch bis zur Fußstreife, von der jungen Kommissarin bis zur erfahrenen Leiterin – hier wird zusammengearbeitet, nicht nebeneinander her.

»Polizei ist nicht, was viele von außen denken«, sagt Caroline Fachinger. »Wir sind keine Befehlsempfänger – wir sind Entscheidungsfinder, Gesprächspartner, Helfer. Und manchmal auch nur einfach da.«

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Wenn das Warum bleibt: Der Fall Luise und der schwierige Weg zur Gerechtigkeit

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KOBLENZ Es ist über zwei Jahre her. Und doch ist es, als sei es erst gestern gewesen. Als wir damals in Freudenberg standen, an jenem kalten, stillen Ort, wo eine Zwölfjährige ihr Leben verlor. Ihr Name war Luise. Zwei gleichaltrige Mädchen sollen sie mit dutzenden Messerstichen getötet haben. Eine Tat, so grausam, so unbegreiflich, dass sich selbst abgeklärte Reporter mit der Frage „Warum?“ zurückzogen – weil es keine Antwort gab. Heute kehrt dieser Fall zurück in die öffentliche Wahrnehmung: vor einem Zivilgericht.

Am 24. Juli 2025 wird vor dem Landgericht Koblenz verhandelt – nicht über Schuld im strafrechtlichen Sinne, denn die mutmaßlichen Täterinnen waren zum Tatzeitpunkt strafunmündig. Es wird auch nicht über das Motiv gesprochen, nicht über Details der Tat. Es geht nun um Schmerzensgeld, Hinterbliebenengeld, Beerdigungskosten. Die Familie von Luise fordert, was ihnen umen und Kerzen rechtlich zusteht – und vielleicht mehr noch: ein Zeichen, ein öffentliches Eingeständnis, dass der Schmerz nicht folgenlos bleibt.

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Die Eltern von Luise fordern jeweils 50.000 Euro Schmerzensgeld, hinzu kommen mindestens 30.000 Euro Hinterbliebenengeld pro Kläger. Auch eine weitere Angehörige ist beteiligt. Die Klage richtet sich gegen die beiden Mädchen, die das Leben ihrer Tochter ausgelöscht haben sollen. Die Summe mag hoch erscheinen – und doch ist sie in Wahrheit nicht messbar. Denn was ist der Tod eines Kindes wert? Was wiegt das Schweigen eines leeren Kinderzimmers?

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Doch bei allem Verständnis, bei aller Wut, bei aller Trauer: Die Fragen gehen weiter. Denn der Prozess wirft auch ein moralisches Licht auf das, was Recht kann – und was nicht. Kann ein finanzieller Ausgleich wirklich Gerechtigkeit schaffen? Kann ein Gerichtsurteil heilen, was durch keine Tat, keine Worte, kein Geld der Welt wieder gutzumachen ist?

Und dann ist da noch die andere Seite. Zwei Kinder, die zu Täterinnen wurden. Zwei Familien, deren Welt ebenfalls zerbrach. Eine der Mütter sagte später in einem Interview: „Ich bin eine Mama. Ich verstehe die Mutter des Opfers. Ihr Bett bleibt leer – meins nicht.“ Ein Satz voller Ambivalenz. Voller Tragik. Voller Schuld, die sich nicht einfach aufrechnen lässt.

Wer diesen Fall beurteilt, muss beides sehen: das Leid der Opferfamilie – und die Abgründe, in die auch die Familien der Täterinnen gestürzt wurden. Und wieder stellt sich das alte „Warum?“: Warum kam es so weit? Warum diese Gewalt? Warum zwei so junge Mädchen – mit einem Messer, mit Wut, mit was auch immer in sich?

Was kann ein Zivilprozess leisten in einem Fall, der so viele Grenzen sprengt? Juristisch geht es um die Frage, ob die Täterinnen zivilrechtlich überhaupt haften können. Dafür müssten sie das Unrecht ihrer Tat erkannt haben – mit zwölf und dreizehn Jahren. Doch ganz unabhängig vom Ergebnis: Der Prozess ist eine Form der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Unbegreiflichen. Ein Versuch, etwas zu ordnen, was nicht geordnet werden kann.

Das Landgericht hat den Gütetermin öffentlich angesetzt. Es wird viele Kameras geben. Viele Stimmen. Vielleicht auch viele Meinungen. Aber am Ende bleibt eine Erkenntnis, die sich durchzieht seit jenem 11. März 2023: Nichts wird je wieder gut. Und dennoch suchen Menschen nach Wegen, mit dem Schmerz zu leben.

Damals haben wir vom BEN Kurier in einem sehr persönlichen Leitartikel gefragt: Warum? Heute ist diese Frage aktueller denn je. Denn mit dem Zivilprozess beginnt keine juristische Aufarbeitung – sie ist längst unmöglich. Es beginnt ein Ringen um Anerkennung, um Ausdruck, um Würde. Für ein Kind, das nie erwachsen werden durfte.

Und wenn dieser Prozess etwas leisten kann, dann vielleicht das: Dass wir nie aufhören, zu fragen. Und dass wir nicht vergessen.

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Ebling: Bedrohung durch Rechtsextremismus und Islamismus bleibt hoch

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Foto: BEN Kurier | Lizenz: Envato
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MAINZ Rechtsextremismus und Islamismus bleiben große Bedrohungen für die freiheitliche demokratische Grundordnung und stehen deshalb in besonderer Weise im Fokus der Sicherheitsbehörden. Dies machte der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2024 am Mittwoch in Mainz deutlich. Schwerpunkte setzte der Minister in seinen Ausführungen auf die Vernetzung von Akteuren der „Neuen Rechten“ sowie auf die extremistische Radikalisierung junger Menschen. Auch ging er auf die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ein.

Die AfD sei keine Partei wie jede andere, sagte Ebling. So hätten sich unter den Kandidaten für die Kommunalwahl 2024 Personen befunden, die bereits Mitglied in anderen rechtsextremistischen Gruppierungen gewesen seien, zum Beispiel der „Jungen Alternative“ oder der „Identitären Bewegung“ beziehungsweise „Revolte Rheinland“. Immer stärker vernetze sich die AfD mit Akteuren der „Neuen Rechten“. Beispielhaft zeige sich dies an der „Burschenschaft Germania Halle zu Mainz“, deren Einfluss bereits im Kontext des ehemaligen „Zentrums Rheinhessen“ in Mainz deutlich geworden sei. Entsprechende Vernetzungsbestrebungen der AfD und der „Neuen Rechten“ beobachtet der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz auch rund um das sogenannte Quartier Kirschstein in Koblenz, wo am 17. August 2024 eine „Messe des Vorfelds“ stattfand, bei der bedeutende Akteure der Szene anwesend waren.

Zum Erliegen gekommen sind Ende 2024 hingegen die rechtsextremistischen Umtriebe in der sogenannten Fassfabrik in Hachenburg im Westerwald, die der Verfassungsschutz bereits länger im Blick hatte. „Das Beispiel der ‚Fassfabrik‘ zeigt, wie erfolgreich ein enger Schulterschluss zwischen Sicherheitsbehörden, Politik und Zivilgesellschaft sowie eine gewisse Ausdauer und ein konsequentes Vorgehen sein können“, betonte der Minister.

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Insgesamt ist das rechtsextremistische Personenpotenzial in Rheinland-Pfalz abermals leicht gewachsen und beläuft sich inzwischen auf knapp 800 Personen, darunter 160 gewaltorientierte. Zu den Regionen, in denen Rechtsextremisten vergleichsweise stark in Erscheinung treten, zählen Teile die Pfalz und der Westerwald. Verglichen mit anderen Bundesländern ist Rheinland-Pfalz kein rechtsextremistischer „Hot Spot“.

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Islamismus – Jihadistischer Terrorismus wieder verstärkt im Fokus

Der Islamismus bleibt neben dem Rechtsextremismus eine herausragende extremistische Bedrohung für die demokratische und offene Gesellschaft sowie die innere Sicherheit. Der Gazakrieg und die weiteren militärischen Operationen Israels, die sich an den Terrorangriff der HAMAS auf Israel anschlossen, sorgten 2024 für eine anhaltend hohe Emotionalisierung der Szene. Vor allem online oder als Teilnehmer propalästinensischer Demonstrationen taten Islamisten ihren Unmut über die Lage im Gazastreifen und die hohe Anzahl ziviler Opfer kund. Dabei äußerten sie vielfach Verständnis für die HAMAS und rechtfertigten oder glorifizierten deren Vorgehen. Zudem fielen sie regelmäßig durch israelfeindliche und antisemitische Aussagen auf.

„Die Fronthaltung gegen Israel ist keineswegs auf Islamisten begrenzt, sondern schließt auch Personen insbesondere aus den Bereichen Extremismus mit Auslandsbezug sowie Linksextremismus ein“, so Innenminister Ebling. Mehrfach habe man bei propalästinensischen Kundgebungen eine entsprechende heterogene Zusammensetzung der Teilnehmenden feststellen können.

Wieder verstärkt in den Fokus rückte der jihadistische Terrorismus. Von ihm gehe weiterhin nicht nur eine hohe abstrakte Gefahr aus. Terroristische Taten und Vorbereitungshandlungen im Bundesgebiet hätten 2024 verdeutlicht, wie nah die Gefahr immer noch sei, sagte der Minister. Auch wenn Rheinland-Pfalz glücklicherweise von Terrortaten verschont geblieben sei, müssten die Sicherheitsbehörden äußerst wachsam bleiben, wie der Fall des am 26. November 2024 wegen des dringenden Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat festgenommenen Jugendlichen aus dem Landkreis Mainz-Bingen zeige. Er soll sich im Internet islamistisch radikalisiert haben.

Dem Islamismus werden in Rheinland-Pfalz rund 690 Personen zugerechnet, davon ca. 65 gewaltorientierte. Geografische Schwerpunkte lassen sich in Mainz, Ludwigshafen am Rhein sowie im nördlichen Landesteil in der Region Koblenz/Neuwied ausmachen.

Virtueller Raum – immer mehr Jugendliche radikalisieren sich online

Sowohl Rechtsextremisten als auch Islamisten erreichen laut Verfassungsschutz über soziale Netzwerke, Messengerdienste und Videoplattformen zunehmend Jugendliche, die sie indoktrinieren, mobilisieren und radikalisieren. „Die Verfassungsschutzbehörden im Bund und in den Ländern registrieren seit einigen Jahren eine steigende Zahl von Fällen, in denen sich sehr junge Menschen online radikalisieren und in der Folge selbst zu Multiplikatoren extremistischer Ideologie werden“, erläuterte der Minister. Der digitale Raum habe sich zu einer zweiten, der sogenannten Realwelt ebenbürtigen Wirklichkeit entwickelt. Mittlerweile seien digitale, insbesondere soziale Medien die maßgeblichen Aktionsräume extremistischer und fremder staatlicher Akteure.

Laut Verfassungsschutz nimmt außerdem die Verrohung im virtuellen Raum zu, welche mitunter in gewaltverherrlichenden Inhalten Ausdruck findet. Einzelne Akteure versuchten durch immer stärkere gewaltverherrlichende Inhalte, sich gegenseitig zu übertrumpfen, heißt es im aktuellen Jahresbericht. Dies könne zu rapiden Radikalisierungen in entstehenden „Echokammern“ führen und in der Folge zu realweltlichen Aktivitäten wie Gewalttaten jenseits des digitalen Raums.

„Reichsbürger“ – Szene wächst weiter

Über alle extremistischen Phänomenbereiche hinweg weist das Spektrum der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ das größte Personenpotenzial auf. Im Berichtsjahr stieg es weiter an auf nunmehr 1.100 Personen. Das Spektrum, welches seit November 2016 von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wird, wies in Rheinland-Pfalz auch 2024 ein hohes Maß an Heterogenität auf und bestand hauptsächlich aus Einzelpersonen ohne jeglichen Organisationsbezug. Die meisten von ihnen fallen vor allem durch ein konfrontatives Handeln gegenüber der öffentlichen Verwaltung und deren Mitarbeitern auf. „Es herrschen ein hohes Maß an Aggressivität und eine ausgeprägte Waffenaffinität. Vorrangiges Ziel der Verfassungsschutzbehörde bleibt es daher, zur konsequenten Entwaffnung der Szene beizutragen“, unterstrich der Minister. Dabei sei man erfolgreich. Während Mitte 2022 noch in 86 Fällen „Reichsbürger“ über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügten, waren es Ende 2024 nur noch acht.

Extremismus mit Auslandsbezug – PKK in Auflösung?

Darüber hinaus bleiben extremistische Bestrebungen mit Auslandsbezug unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Dieser verfolge den Fortgang der Verhandlungen zwischen der türkischen Regierung und der „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ sowie die Auswirkungen auf die bundesweit etwa 15.000 Personen zählende PKK-Anhängerschaft, davon 450 in Rheinland-Pfalz, aufmerksam, so Ebling. Die PKK hatte Anfang Mai dieses Jahres ihre Auflösung einschließlich der Einstellung ihrer Aktivitäten – darunter dem bewaffneten Kampf – signalisiert, dies aber an Zugeständnisse der türkischen Regierung gegenüber der kurdischen Bevölkerung geknüpft.

Linksextremismus –Aktionsfelder Antifaschismus und Palästina-Solidarität

Wichtigste Aktionsfelder der konstant rund 490 Linksextremisten in Rheinland-Pfalz, darunter 120 gewaltorientierte, sind 2024 der Antifaschismus und die Palästina-Solidarität geblieben. Ihre Mobilisierungsfähigkeit und Gewaltorientierung blieben im Bundesvergleich auf niedrigem Niveau. Der Verfassungsschutz behalte die Szene gleichwohl im Blick, sagte Ebling.

Politisch motivierte Kriminalität – Entwicklung bereitet Sorge

Die wachsenden Herausforderungen, die von Extremisten für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen, spiegeln sich auch in der Entwicklung der politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2024 wider. Diese gebe Anlass zur Sorge, so Ebling. Deren Gesamtzahl sei um 26 Prozent auf 2.532 Taten gestiegen (2023: 2.009). Rheinland-Pfalz läge somit zwar im Bundestrend, bliebe aber hinter dem bundesweiten Anstieg, der sich auf 40 Prozent belaufe, zurück. Leicht gesunken sei zudem erfreulicherweise die in der Gesamtzahl enthaltenen Gewaltdelikte (2024: 104, 2023: 111). Dem Aufwärtstrend folgten 2024 auch die antisemitischen Straftaten nicht; sie sanken von 171 im Jahr 2023 auf 138, ein Rückgang um rund 19 Prozent. Es bleibe aber dabei, jede Tat ist eine zu viel, betont Ebling.

Die rechtsmotivierten Delikte bildeten wie in den vergangenen Jahren den Hauptanteil an den politisch motivierten Straftaten. Sie stiegen von 1.245 in 2023 stark auf 1.471 Taten, ein Anstieg um 18 Prozent. Die Zahl der rechtsmotivierten Gewaltdelikte sank hingegen auf 53 Taten, 2023 waren es 69.

„Wir nehmen die Entwicklung sehr ernst. Die Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität bleibt eine Schwerpunktaufgabe“, resümiert der Innenminister.

Hybride Angriffe zielen auf Störung des gesellschaftlichen Gefüges

Neben der Bedrohung durch Extremisten ging der Minister auch auf die Aktivitäten fremder staatlicher Mächte ein. Diese setzen vor allem auf hybride Strategien, deren Instrumente Spionage, Sabotage, Proliferation und Cyberangriffe seien. Hinzu kämen Einflussnahmeaktivitäten, so durch die Verbreitung von Desinformation. Neben der Absicht, physischen Schaden anzurichten, zielten solche Angriffe auf die nachhaltige Störung des gesellschaftlichen Gefüges und die Beeinflussung demokratischer Entscheidungsprozesse. Insbesondere von Russland gingen aktuell solche Angriffe aus.

Potenzielle Ziele in Rheinland-Pfalz, so Ebling, seien militärische Liegenschaften, kritische Infrastrukturen und Wirtschaftsunternehmen, darunter weltweit agierende Firmen und mittelständische Unternehmen. Die Sicherheitsbehörden verfolgten das Ziel, solche Aktivitäten bestmöglich aufzuklären. Anfang Juli würden Polizei und Verfassungsschutz das Thema hybride Bedrohungen in einer gemeinsamen Fachtagung nochmal näher beleuchten und sich über Präventionsmaßnahmen sowie Abwehrmöglichkeiten austauschen, kündigte der Innenminister an.

Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz – wachsam und analytisch kompetent

Auf die Bedrohungslage hat sich die Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz eingestellt. Er hat sie intensiv im Blick und steht dabei im engen Austausch im Verfassungsschutzbund sowie mit Polizei und Justiz im Land.

Auch in operativer Hinsicht trägt der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz der Entwicklung Rechnung. Ein Hauptaugenmerk gilt der Nachrichtengewinnung im virtuellen Raum. Wiederholt konnten extremistische Netzwerke aufgedeckt und Radikalisierungsansätze frühzeitig erkannt werden.

Daneben wurde die Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit intensiviert. Angesichts der maßgeblich von Russland ausgehenden gewachsenen hybriden Bedrohung haben die Spionageprävention, der Geheimschutz und der Cyberschutz immer mehr an Bedeutung gewonnen.

Hier geht es zum Verfassungsschutzbericht 2024: https://mdi.rlp.de/themen/verfassungsschutz/publikationen-und-informationsmaterial

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