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Arbeiten hinter Gittern: Lebenslang Vollzugsbeamter in der JVA Diez

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Arbeiten hinter Gittern: Lebenslang Vollzugbeamter in der JVA Diez

DIEZ Die Arbeitszeiten sind nicht unbedingt familienfreundlich und dennoch lieben die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt ihren Beruf und gehen den mit viel Herzblut an. “Es ist mehr eine Berufung”, teilt uns ein Justizbeamter mit. »Am Ende des Tages wissen wir, dass wir das Richtige getan haben und wir bekommen auch viel zurück. Immer wenn wir sehen, dass es ein Gefangener geschafft hat, ohne Rückfall in der Gesellschaft anzukommen, haben wir alles richtig gemacht.«

»Klick, Klack« Immer hört man irgendwo, dass ein Schlüssel im Schloss umgedreht wird. Elektronisch öffnen sich nur vereinzelte Zwischentüren in den Häusern. »Guten morgen« und wieder »Klick, Klack«. Lebend-Kontrolle: “Morgens öffnen wir die Türen und wir schauen, ob es den Gefangenen gut geht. Das ist immer unser erster Gang. Danach wird das Frühstück ausgegeben und die arbeitenden Inhaftierten werden zu ihren Betrieben gebracht« So war es schon immer und so wird es auch immer sein. Routine.

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Nicht alle Gefangenen haben das Privileg, einer Arbeit nachgehen zu dürfen. Es gibt Firmen, die ihre Arbeiten in der Haftanstalt ausführen lassen, andererseits sind es die Küche, eine Schreinerei oder auch eine Druckerei, die den Verurteilten eine sinnvolle Beschäftigung geben. Dabei ist es nicht nur die Abwechslung, sondern in erster Linie auch das erwirtschafte Geld, dass den besonderen Anreiz ausmacht. In Rheinland-Pfalz sind die Gefangenen nicht zur Arbeit verpflichtet, aber es möchten deutlich mehr arbeiten als Beschäftigungsstellen vorhanden sind. Zudem ist auch nicht jeder Gefangene geeignet für eine Arbeitsstelle.

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Für die Arbeit erhalten Inhaftierte je nach Qualifikation zwischen 1,37 Euro und 2,30 Euro je Stunde. Davon können sie sich bei einem Kaufmann Nahrungsmittel kaufen, Tabakprodukte, Kaffee oder auch eine Playstationkonsole sowie Musik CDs.  Radiorecorder können ebenfalls erworben werden. Vieles ist erlaubt und genauso viel verboten. Alkoholische Getränke sind genauso wenig gestattet wie Handys oder Computer mit Internetnutzung.

Den Kontakt zur Außenwelt halten die Verurteilten über ein Telefon auf dem Stationsgang aufrecht oder per herkömmlicher Post. Wer in der Justizvollzugsanstalt Diez keiner Arbeit nachgeht, muss darauf hoffen, dass die eigene Familie einen finanziell unterstützt oder kann ein geringes Taschengeld beantragen. Wenn der Inhaftierte dann noch das gebührenpflichtige Fernsehen bezahlt hat, bleibt nicht mehr viel übrig.

Eine Ausbildung können die Inhaftierten nicht in Diez absolvieren. Dafür müssen sie in die Haftanstalt in Zweibrücken verlegt werden. Arbeit spielt im Wege der Resozialisierung und einer festen Struktur eine wichtige Rolle. Wer die nicht hat, dem bleibt vielfach nur Tristesse auf dem Haftraum.

In Diez sind keine kleinen Fische, sondern meist die großen kriminellen Brocken. Normalerweise beginnt die Aufnahme eines Gefangenen nach einer ausgesprochenen Freiheitsstrafe von acht Jahren. Zwischenzeitlich gibt es aber auch Ausnahmen von der Regel.

Die Justizvollzugsanstalt um den empathischen Anstaltsleiter Dr. Volker Fleck ist um die Gefangenen bemüht. »Wir sind nicht dafür da, um zu strafen”, führt der Anstaltsleiter aus. »Unser Auftrag ist es, die Täter zu resozialisieren und da müssen wir uns jeden Gefangenen einzeln genau ansehen und mit ihm arbeiten.« Keine leichte Aufgabe, denn auch in der Anstalt in Diez ist das Personal knapp. Händeringen wird nach neuen Kollegen geworben, wobei es einige Hürden zu überwinden gibt und dazu gehört auch ein Sporttest, der den Anforderungen der Polizei ähnelt.

In der Justizvollzugsanstalt (JVA) sind auch die ganz schweren Jungs vertreten. Einige müssen nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe in Sicherungsverwahrung, da von einer erheblichen weiteren Gefahr ausgegangen wird. Die Sicherungsverwahrten haben einige Freiheiten mehr, denn sie haben ihre Strafe abgesessen. Sie haben einen deutlich größeren Wohnraum mit warmer Dusche zur Verfügung und dürfen diesen auch nach eigenen Wünschen ausstatten, sofern keine Sicherheitsbedenken dem gegenüberstehen. Alle neun Monate muss per Sachverständigengutachten beurteilt werden, ob weiterhin eine Gefahr von dem Sicherheitsverwahrten ausgeht. Dann entscheidet ein Richter über den weiteren Verlauf.

Einige dort werden in der Justizvollzugsanstalt sterben und nie mehr in Freiheit kommen. Andere nutzen den Weg als Chance und unterziehen sich intensiven Therapien und setzen sich mit ihrer Vergangenheit auseinander. Gezwungen werden zu einer Therapie können die Inhaftierten nicht, aber im Einzelfall verbessert das deutlich ihre Chancen auf eine Haftentlassung oder Verlegung in den offenen Vollzug außerhalb der geschlossenen Anstalt.

Die Gefangenen leben in einem separierten Mikrokosmos mit strukturierten Tagesablauf und vielen Kontrollen.  Wer sich dort an die Regeln hält, kann sich an verschiedenen Gruppenaktivitäten und umfangreichen Sportprogrammen beteiligen. So entgehen die Verurteilten zeitweise der Langeweile und der Gefangenschaft in den eigenen Gedanken. Gerade zum Beginn der Haft ist die Selbstmordgefahr nicht zu unterschätzen. »Die Suizidrate während der Haftzeit ist siebenmal höher als in Freiheit« teilt die Psychologin Claudia Weber mit. Mit Einzelgesprächen und viel Zuhören begegnet sie den ersten Schwierigkeiten der Gefangenen.

Der nebulöse Mythos der starken Jungs ist nicht immer haltbar. So mancher harter Kerl wird in Haft sehr weich und wenn auch nur einmal für kurzer Zeit. Gewalt spielt in der beengten Atmosphäre und er ausweglosen Situation manchmal eine Rolle. Übergriffe auf Beamte kommen selten vor, aber sie gibt es. Damit die Situationen nicht eskalieren, bereitet der Einsatztrainer Konstantinos Togrouzidis seine Kollegen auf den Erstfall vor. »Wir sind für solche Ausnahmefälle natürlich gerüstet und vorbereitet. Im Notfall haben wir unsere Notfallgeräte. Sobald die losgehen, kommen direkt alle verfügbaren Kollegen zur Unterstützung. Und bei Verlegungen von gewaltbereiten Häftlingen, haben wir noch unsere Sondertruppe, die binnen weniger Minuten vor Ort ist« führt der Einsatzleiter aus. Dabei betont Togrouzidis, dass das nicht die stärkste Waffe ist. »Reden und Zuhören ist viel wertvoller. Meist reicht nur eine klare ruhige Ansprache und der Gefangene beruhigt sich.«

Der Einsatzleiter genießt den Respekt der Inhaftierten. Sie nennen ihn nur den Griechen und wissen, dass er auch bei Sorgen zuhört. Viele der Justizvollzugsbeamten sehen die Inhaftierten über Jahre hinweg fast genauso viel wie ihre eigenen Familien. Trotz eines professionellen emotionalen Abstandes ist der Umgang durchaus freundlich.

Trotz modernster Technik, gab es schon immer Drogen in einer Justizvollzugsanstalt und sind auch heute nicht gänzlich auszuschließen. Die Gefangenen sind da erfinderisch. Bis vor kurzem kam es häufig vor, dass auf Briefen Drogen getropft wurden. Für die Beamten gab es zeitweilig kaum eine Möglichkeit, das zu erkennen. Heute gibt es in der Justizvollzugsanstalt Diez einen modernen Drogenscanner, der die geträufelten Substanzen erkennt.

Am Ende des Tages verlassen die Bediensteten die Anstalt und lassen die Gitter hinter sich und kehren zu ihren Familien heim. Dazu gehört es auch, all die Gedanken an den Tag dort lassen zu können. Ein Balanceakt der über Jahre antrainiert wurde. Und so endet und beginnt ein neuer Tag in der Justizvollzugsanstalt Diez.

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Großübung des Waldbrandzuges im Rhein-Lahn-Kreis

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Foto: Team Medien

WEISELIn Weisel brennt der Wald. In kürzester Zeit sind viele Einsatzkräfte vor Ort. Schnell steht fest: ein Zeltlager der Pfadfinder mit 23 Kindern und Jugendlichen ist unmittelbar betroffen. Einige der Kinder werden anfangs vermisst, manche sind verletzt. Schnell breitet sich der Brand aus, so dass bald eine große Waldfläche brennt.“

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Zum Glück nur eine Übung, die durch realistische Unfalldarstellung und Pyrotechnik sowie die Jugendlichen der Feuerwehr der Verbandsgemeinde Loreley in Szene gesetzt wurde. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Erfahrungen der letzten Jahre ist dies jedoch ein durchaus realistisches Szenario, bei dem unter anderem der im letzten Jahr in Dienst gestellte Waldbrandzug des Rhein-Lahn-Kreises zum Einsatz kam.

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Nachdem die ersteintreffenden Feuerwehrkräfte mit der Brandbekämpfung begonnen hatten, war schnell klar, dass Verstärkung benötigt wird. Die Einsatzleitung erhöhte die Alarmstufe und der Waldbrandzug des Kreises wurde alarmiert. Die Spezialeinheit setzt sich aus mehreren Feuerwehr-Einheiten im Landkreis zusammen.

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Großübung des Waldbrandzuges im Rhein-Lahn-Kreis | Foto: Thomas Koehler

Zusätzlich zu ihrer grundlegenden Aufgabe sind die ehrenamtlichen Einsatzkräfte auf das Bekämpfen von Waldbränden geschult und dafür ausgerüstet. Im Laufe der Übung kamen viele Einheiten zum Einsatz, die bewiesen, dass ein solch großer Einsatz erst durch gute, ineinandergreifende Zusammenarbeit möglich ist. Neben der Feuerwehr waren mit der Führungsgruppe Technische Einsatzleitung und dem Einsatzleitwagen Einheiten des Kreises vor Ort. Zusätzliche Unterstützung kam von der Landesfacheinheit Drohne sowie der Einheit zum Führen des Bereitstellungsraumes West.

Der Leitende Notarzt und der Organisatorische Leiter waren ebenfalls vor Ort. Zur Versorgung der Kinder und der Einsatzkräfte wurde die Schnelleinsatzgruppen Führung, Sanität, Betreuung und Verpflegung alarmiert.

Großübung des Waldbrandzuges im Rhein-Lahn-Kreis | Foto: Thomas Koehler

Übungsleiter Lars Ritscher und Brand- und Katastrophenschutzinspekteur Guido Erler waren zufrieden mit dem Verlauf der Übung. „Die Übung hat die große Leistungsfähigkeit der Blaulichtfamilie im Rhein-Lahn-Kreis gezeigt“, so Erler. Ritscher ergänzt: „Die aus der Übung gewonnenen Erkenntnisse werden wir nun nutzen, um die Alarm- und Einsatzpläne anzupassen.

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“ Ihr großer Dank galt den 220 vorwiegend ehrenamtlichen Einsatzkräften der Feuerwehren aus dem Rhein-Lahn-Kreis und dem benachbarten Landkreis, des Technischem Hilfswerkes, des Bundesverbandes der Rettungshunde, der Abschnittsleitung Gesundheit, der Malteser, des Deutschen Roten Kreuzes, des Team Medien und der Polizei, die sich nicht nur heute für die Sicherheit anderer einbringen.

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Lebenshilfe Rhein-Lahn Prozess hat begonnen: Angeklagten droht nach Verständigung mehrjährige Haftstrafe

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NASTÄTTEN/KOBLENZ Heute früh um 9 Uhr wurde das Verfahren gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Lebenshilfe Rhein-Lahn vor dem Schöffengericht im Landgericht Koblenz eröffnet. Die Strafkammer ist mit drei hauptamtlichen und zwei Schöffenrichtern besetzt. Geleitet wird das Verfahren von Dr. Prinz.

Der angeklagte Martin M. nahm zwischen seinen drei Verteidigern auf der Anklagebank Platz. Im Anschluss verlas die Staatsanwältin die Anklage. Mehr als eine Stunde dauerte es, bis die über 250 Anklagepunkte verlesen werden konnten. Die vorgeworfenen Delikte reichten von E-Bike-Käufen im Wert von 101.251 Euro über Tauschgeschäfte bis hin zu Bargeldabhebungen im Zeitraum von 2020 bis 5. Dezember 2021 in Höhe von 115.760 Euro und nicht zu vergessen Überweisungen vom Lebenshilfe-Konto an den ehemaligen Geschäftsführer in Höhe von 262.312 Euro.

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Statsanwaltschaft und Verteidigung verständigen sich auf Strafrahmen zwischen 2 Jahre, 9 Monate bis 3 Jahre und 3 Monate

Zusätzlich gab es noch Bonuszahlungen in Form zusätzlicher Monatsgehälter. Dafür sollen Gesellschafterbeschlüsse schriftlich erstellt worden sein, wo es gar keine Gesellschafterversammlungen gab. Diese hätten den Angeklagten berechtigt, die Bonuszahlungen zu erhalten. Dieser Anklagepunkt wurde schließlich fallengelassen, obwohl es nachweisliche Auszahlungen in Höhe von 44.700 Euro gab. Grund war, dass die Vorsitzende des Lebenshilfe-Vereins laut Angaben des Angeklagten die Protokolle abgezeichnet hätte. Da sie sich selber nicht belasten muss und angeblich nicht wusste, was dort in den vermeintlich gefälschten Gesellschafterbeschlüssen stand, ist unklar, wer die Protokolle tatsächlich unterschrieben hat. Der Angeklagte will es nicht gewesen sein. Um das Verfahren zu verkürzen und weil die Strafe kaum ins Gewicht fallen würde, wurden diese Anklagepunkte nicht mehr berücksichtigt. Dabei wirkten die Begründungen für die Bonuszahlungen skurril. Alleine 15.712 Euro für besondere Leistungen in der Coronazeit. Dafür reichten die offenbar fingierten Gesellschafterbeschlüsse dem Lohnbuchhalter aus, um die Zahlungen anzuweisen. Ein anderes Mal wurde Geld, ein E-Bike als Bonus gewährt.

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Wie in einem Selbstbedienungsladen: 598.232,46 Euro soll der Angeklagte für sich vereinnahmt haben

Schlussendlich warf die Staatsanwaltschaft dem ehemaligen Geschäftsführer vor, dass er für eigene Zwecke Gelder in Höhe von rund 598.232,46 Euro für sich vereinnahmte. Ab August 2021 war die Lebenshilfe Rhein-Lahn bereits zahlungsunfähig. Ratenzahlungsvereinbarungen mit Krankenkassen wurden nicht eingehalten. Beim Verlesen der umfangreichen Anklage hörte es sich teilweise an wie in einem Selbstbedienungsladen. Nahezu jede Woche wurden vom Angeklagten entweder per Überweisungen oder Bargeldabhebungen vierstellige Beträge abgehoben. Teilweise geschah das sogar mehrfach an einem Tag. E-Bikes wurden in Nastätten gekauft, manche kosteten fünfstellige Summen, und an anderen Tagen wieder getauscht oder verkauft. Dazu kam noch ein Quad oder Mobiltelefone, die er für die Mitarbeiter erwarb und anschließend auf einer Auktionsplattform versteigerte, zum eigenen Vorteil.

Der Schaden ist immens und es bedurfte eines erfahrenen Richters, der das gesamte Spektrum des Wirtschaftsrechts abdecken konnte. Der Vorsitzende, Dr. Prinz, leitete die Verhandlung mit Bedacht und Struktur und ließ gar keine emotionalen Ausfälle zu. Für die wenigen Zuschauer war das sicherlich nicht einfach zu verdauen. Vielleicht waren die Erwartungen am ersten Verhandlungstag auch die Falschen. Hier geht es um die juristische Aufarbeitung. Fragen werden offen bleiben und für die ehemaligen Mitarbeiter der Lebenshilfe Rhein-Lahn wird es keine Genugtuung geben. Das wurde schon zu Prozessbeginn sehr deutlich und macht es wahrscheinlich für einige Betroffene unerträglich.

Beim Zuhören der vereinnahmten Zahlen und der dazugehörigen Geschwindigkeit konnte einem schwindelig werden. Während manche Mitarbeiter bei ihren Gehaltszahlungen vertröstet wurden oder um erbrachte geldwerte Leistungen kämpfen mussten, bediente sich der Angeklagte am finanziellen Topf der Lebenshilfe nach Belieben und lebte ein vermeintlich ausschweifendes Leben. So könnte man es durchaus wahrnehmen. Ob das allerdings so zutraf, ist noch unklar. Ein erstelltes Sachverständigengutachten dürfte da mehr Klarheit bringen. Dennoch fiel bereits das Schlagwort Kaufsucht, aber lässt sich damit alles erklären? Auch das wird man abwarten müssen.

Schon vor dem ersten Verhandlungstermin soll es Verständigungsgespräche zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung gegeben haben. Die Anwälte des ehemaligen Geschäftsführers hofften auf eine bewährungsfähige Strafe für ihren Mandanten. Schon zu Beginn der Verhandlung machte der vorsitzende Richter, Dr. Prinz, deutlich, dass es die nicht geben wird. Auch seitens der Staatsanwaltschaft war ein solcher Strafrahmen ausgeschlossen. Sie teilte mit, dass sie deutlich mehr als 3 Jahre Haft für den Angeklagten für angemessen halten würde.

Auf Anraten der Kammer wurden erneute Verständigungsgespräche geführt. Dr. Prinz schlug einen Strafrahmen von 2 Jahren, 9 Monaten bis 3 Jahre, 3 Monate vor. Darauf konnten sich nach kurzer Unterbrechung der Angeklagte, die Verteidiger und die Staatsanwaltschaft einigen. Das bedeutet, dass das Landgericht in diesem Rahmen auf eine Haftstrafe festlegen wird, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Der Richter konnte sich aber vorstellen, dass es im späteren Urteil eine Begründung geben wird, die eine Strafaussetzung nach der Hälfte möglich machen könnte.

Somit könnte der Angeklagte nach 1 Jahr, 3 Monaten bis 1 Jahr, 9 Monaten wieder auf freien Fuß sein, wenn das zutreffen sollte. Damit dieser Strafrahmen überhaupt möglich wird, musste der Angeklagte ein qualifiziertes und vollumfängliches Geständnis ablegen. Das ließ er von seinen Anwälten verlesen. Prinzipiell räumte er nahezu alle Vorwürfe ein, bis auf die gefälschten Gesellschafterbeschlüsse. Ration erklärten könnte er sein Verhalten nicht, und er habe akzeptiert, dass er für seine Verfehlungen geradestehen müsse. Zum Geständnis gehörten die Bargeldabhebungen, die Überweisungen, Tauschgeschäfte, der Kauf der Fahrräder und die Veräußerung der Mobiltelefone. Auch den fälligen Insolvenzantrag habe er nicht gestellt. Die Verteidiger schlossen im Namen ihres Mandanten mit den Worten: “Auch wenn das von den Zuhörern als Floskel abgetan wird, mir tun meine Handlungen sehr leid.”

Wiedergutmachungen gab es bisher nicht

Wiedergutmachungen gab es bisher nicht. Bei einem Haftprüfungstermin teilte der damalige Gefangene mit, dass er mit 1000 Euro monatlich den Schaden beheben möchte. Dazu wäre es wegen Pfändungen und Schwierigkeiten nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft nicht gekommen. Die Verteidiger teilten mit, dass es von einer Versicherung 250.000 Euro an den Insolvenzverwalter Lieser gegeben hätte. Schuldmindernd oder wiedergutmachend sah das die Staatsanwaltschaft nicht, da das Geld nicht von einer Versicherung des Angeklagten kam, sondern von einer Police der Lebenshilfe Rhein-Lahn.

Nun gibt es eine Verständigung mit einem Strafrahmen von 2 Jahren, 9 Monaten bis 3 Jahre und 3 Monate. Ob die hält, hängt davon ab, ob möglicherweise weitere schwere Vergehen im Laufe der Zeugenbefragungen zutage kommen. Dann würde eine solche Verständigung aufgehoben werden. Bereits am morgigen zweiten Verhandlungstag sollen die ersten Zeugen befragt werden.

Am Ende war es nicht allein die erhebliche Schadenssumme, die eine Strafe mit Aussetzung zur Bewährung unmöglich machte. Auch die erheblichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten flossen in die Überlegungen der Kammer mit ein. Bereits in den Vorjahren vor der Beschäftigung bei der Lebenshilfe Rhein-Lahn soll der ehemalige Geschäftsführer wegen Betruges und des Missbrauchs von Titeln verurteilt worden sein, zuletzt 2013 vor dem Amtsgericht in Lahnstein zu einer Strafe von einem Jahr und 10 Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Angeblich soll der Angeklagte unter Minderwertigkeitskomplexen gelitten haben. Mit gefälschten Uni-Abschlüssen und Promotionen der Universität Landau und einer weiteren mit Abschluss Magna cum laude abgeschlossenen Doktortitel in Theologie und als Diplompädagoge bewarb er sich bei einem beruflichen Trainingszentrum in Neuwied und wurde dort eingestellt. Ohne gefälschte Unterlagen hätte er die Stelle nicht erhalten. Das Gleiche später bei einem kirchlichen Krankenhausträger, wo er später fristlos gekündigt wurde, als die Fälschung nachgewiesen wurde.

Dennoch soll er Schriftverkehr mit Banken und Versicherungen mit dem gefälschten Doktortitel unterschrieben haben. 2016 endete seine Bewährungszeit vorzeitig. Nach seiner Tätigkeit bei einem Versandhausriesen ging es 2016 erstmalig als Prokurist zur Lebenshilfe Rhein-Lahn, und da muss tatsächlich hinterfragt werden: Bei einem Träger, der sich für beeinträchtigte Kinder und Erwachsene einsetzt, wurde kein Führungszeugnis eines Prokuristen verlangt? Erstaunlich.

Viele Fragen bleiben offen

Nach dem ersten Verhandlungstag bleiben viele Fragen offen, aber das war nicht anders zu erwarten gewesen. Rückfragen auf das Geständnis waren nicht zugelassen, außer es wäre nicht vollumfänglich und qualifiziert von der Kammer oder der Staatsanwältin anerkannt worden. Dem war zunächst nicht so, was für die Betroffenen unbefriedigend war. Sie hofften auf Antworten. Bei der Lebenshilfe Rhein-Lahn soll nach Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern durch den ehemaligen Geschäftsführer ein hoher psychologischer Druck auf vereinzelte Beschäftigte ausgeübt worden sein. Die Arbeitsverhältnisse beschrieben viele als schwierig, doch wie weit kann daraufhin ein Gericht reagieren? Gar nicht. Hier geht es um die juristische Aufarbeitung, und die erhofften Antworten kann es nicht geben. Hochprofessionell und mit einem ruhigen roten Faden versehen, leitet der Vorsitzende durch die Verhandlung. Genauso unaufgeregt und nicht minder professionell arbeiten die Verteidiger und natürlich die Staatsanwaltschaft.

Angeklagter würdigte dem wenigen Publikum kaum einen Blick. Ruhig und aufmerksam verfolgte er die Verhandlung während er machmal lächelnd mit den Verteidigern kommunizierte

Ein Angeklagter hat das Recht auf eine gute Verteidigung, und genau das machen die Anwälte. Sie verteidigen, so wie es ihr Auftrag ist, überlegt und taktisch klug. Demgegenüber sitzt die Staatsanwältin, die eine Strafforderung formulieren muss, die aus ihrer Sicht den Vergehen des Angeklagten angemessen ist. Und genau darum geht es: Dort sitzen Vollprofis, die nur eins machen können – juristisch aufarbeiten.

Emotionslos ist dort keiner, aber genau darum darf es nicht gehen, denn Emotionen trüben die Sicht auf die juristische Perspektive, und am Ende hat all das durchaus eine Moral, denn mit dem Urteil wird etwas befriedet: Das Verhalten des Angeklagten wird sanktioniert. Mit der Strafe wird das eigene Schicksal nicht unbedingt verbessert. Die Auseinandersetzung mit der Schuld wird dem Angeklagten noch eine Zeitlang begegnen, und die Betroffenen der Lebenshilfe haben möglicherweise etwas Genugtuung erfahren, aber dennoch werden ihre Fragen Fragen bleiben.

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Waldbrandübung am Wochenende

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Foto Saskia Daubach-Metz | Kreisverwaltung

WEISEL Mit dem Waldbrandlöschzug wurde neben dem kreisweit agierenden Gefahrstoffzug und der Kreisbereitschaft ein weiteres kreisweit und überregional einsetzbares schlagkräftiges Gefahrenabwehrmodul im vergangenen Jahr generiert (wir berichteten). In Abstimmung mit den Wehrleitern konnten die Stabsstelle Brand- und Katastrophenschutz des Kreises den Waldbrandlöschzug aufstellen.

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Um die Einsatzfähigkeit weiter zu verbessern, wird es am kommenden Samstag, 11. Mai, eine Waldbrandübung in Weisel (Verbandsgemeinde Loreley) von ca. 10 bis 15 Uhr geben. Beteiligt sind um die 200 Einsatzkräfte von Feuerwehr, der Schnellen Einsatzgruppe (Mitglieder Deutsches Rotes Kreuz und Malteser Hilfsdienst) und THW, unter Mitwirken des Forstamtes Nastätten und der Polizei.

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