Politik
„Ich bin stolz ein Dorfkind zu sein“: Eltern plädieren für den Erhalt der Kita Panama in Geisig

GEISIG In den Gemeinden Geisig, Dornholzhausen, Oberwies, Schweighausen und Dessighofen geht die Angst vor einer dauerhaften Schließung der Kita Panama in Geisig um. Die wurde bei dem Starkregenereignis im vergangenen September stark beschädigt. Laut ersten Gutachten soll das erst kürzlich um einen 700.000 Euro schweren Anbau ergänzte Haus von Schimmel befallen sein. Betreten dürfen die Mitglieder des Elternausschusses das Gebäude nicht mehr. Sie wollten die Spielsachen und Garderobe aus der Kita entfernen und reinigen. Das wurde ihnen untersagt.
Die Verbandsgemeinde hatte am 20. Dezember die betroffenen Ortsgemeinden in einem Schreiben über den aktuellen Sachstand informiert. Daraus ging hervor, dass die Einrichtung in Geisig zu schließen war und der Betrieb am Kita-Standort Lahnpiraten in Nassau fortgeführt wurde. Dazu war unten den erschwerten Rahmenbedingungen eine vorläufige Genehmigung des Landesjugendamtes bis zum 31. März 2024 erteilt worden.
Zwischenzeitlich seien erste Erkenntnisse eingetreten, durch die davon ausgegangen werden musste, dass die Kita Panama, aufgrund der Holzbaukonstruktion, die ebenfalls von Schäden betroffen wäre, nur mit einem sehr hohen finanziellen Aufwand saniert werden könnte. Zu befürchten wäre, dass eine Wiederinbetriebnahme wirtschaftlich nicht mehr dargestellt werden kann. Zusätzlich müsse für die Zukunft Vorsorge getragen werden, um künftige Schäden durch Starkregenereignisse zu vermeiden. Ein abschließendes Gutachten, dass die Expertise bestätigt, lag zum Zeitpunkt des Schreibens noch nicht vor. Das wurde erst im Laufe des Januars 2024 erwartet. Schon in dem Schreiben wurde mitgeteilt, dass es weiterer temporärer Lösungen bedarf, denn mittlerweile ginge man davon aus, dass es ein bis zwei Jahre dauern kann, bis eine Standortlösung umgesetzt werden kann.
Bürgermeister Uwe Bruchhäuser: Es wird erforderlich, eine längerfristige Übergangslösung mit Containerbauten zu schaffen
Als temporäre Lösung werden Container in Modulbauweise in Betracht gezogen. Ein ähnliches Projekt wurde erfolgreich in Nastätten umgesetzt. Während es im Schreiben der Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau vom 20. Dezember 2023 noch hieß, dass in Absprache mit den beiden Kita-Leitungen Panama und Lahnpiraten eine Lösung am Standort Nassau mit Containern ausgearbeitet wird, da dieser dort anhand vorhandener Infrastruktur schnell errichtet werden kann, ist davon jetzt keine konkrete Rede mehr.
Auf dem Neujahrsempfang in Dornholzhausen ging der Verbandsbürgermeister Bruchhäuser erneut auf die Situation der Geisiger Kita ein und teilte mit, dass für die Containerlösung drei verschiedene Standorte infrage kommen würden. Welche das sind, sagte er nicht. Demgegenüber betonte er, dass er die bekannte Favorisierung der Eltern zu den Südwestgemeinden im Blick habe und auch die Bedenken verstehen würde.
Erst kürzlich gab es eine große Unterschriftenaktion für den Erhalt der Kita am Standort Geisig. Das Votum ist eindeutig. Für Viviane Theil vom Elternausschuss der Kita muss die Containerlösung in eine der betroffenen Gemeinden errichtet werden. Sie und viele andere favorisieren Geisig und sie sieht durchaus Möglichkeiten für die temporäre Errichtung eines solchen Komplexes. Ein weiteres gewichtiges Argument ist die Identifikation der Kinder mit den Orten. Wer in der Südwestgemeinde eine Kita dauerhaft besucht, der ist auch mit der Region verwurzelt. Wie gut das funktionieren kann, zeigt die Gemeinde Dausenau an der Lahn. Dort besuchen die Kleinen den im Gemeindeeigentum stehenden Kindergarten und gehen im Anschluss im gleichen Ort auf die Grundschule. Von Beginn an festigen sich Freundschaften und das Vereinsleben spielt sich fast ausschließlich im Ort ab. Nicht ohne Grund wurde das Motto: »Ich bin stolz ein Dorfkind zu sein«, für die viel beachtete Elterninitiative gewählt.
Viviane Theil, Elternausschuss: »Wir wollen nicht nach Nassau und zusehen, wie unser Schiff in Geisig untergeht.«
Und genau darum geht es: Eine Gemeinde wie Dausenau mit über 1200 Einwohnern zählt bereits zu den großen Orten in der Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau nach Bad Ems und Nassau und auch dort ist die Bindung der Kinder zum Ort ein wichtiges Anliegen. Dennoch gibt es einen großen Unterschied. Bei den betroffenen Orten im Südwesten handelt es sich allesamt um Dörfer mit Einwohnerzahlen um die 200 Bürger. Mal etwas mehr oder weniger. In den charakteristischen Städten an der Lahn mit vorhandenen Einkaufsmöglichkeiten, zahlreichen Sportvereinen und oftmals guter Internetanbindung ist das Vorhandensein einer guten Infrastruktur mit kurzen Wegen eine Voraussetzung. Die Menschen im Südwesten haben sich im Gegensatz bewusst für das Leben auf den Dörfern entschieden. Alles ein wenig entschleunigt. Die Kinder können unbehelligt im Dorf spielen, fahren Schlitten und wissen noch aus der Praxis, was Umwelt bedeutet.
Uli Pebler, FWG: Wichtig ist die Transparenz und dass die Betroffenen frühzeitig in die Gespräche mit einbezogen werden
Gerade dort müssen sich die Gemeinden häufig eine gute Infrastruktur erkämpfen. Ein Breitbandausbau war dort lange keine Selbstverständlichkeit und eine Kita wird verständlicherweise vehement verteidigt. Man möchte die Kleinsten in den Vereinen der Dörfer sehen und hofft auf eine Identifikation mit der Region. Das funktioniert nicht, wenn die Kinder in Nassau die Kita dauerhaft besuchen müssten. »Wir wollen nicht nach Nassau«, teilt Viviane Theil vom Elternausschuss mit. »Wir wollen nicht zusehen, wie unser Schiff in Geisig untergeht«. Ähnlich sieht es auch Ulrich Pebler von der FWG Forum Nassauer Land, der die Initiative unterstützt: »Wichtig ist die Transparenz und dass die Betroffenen frühzeitig in die Gespräche mit einbezogen werden«, führt Pebler aus.
Der Elternausschuss bemängelt ebenfalls die fehlende Transparenz und hätte sich gewünscht, bei den Gesprächen zu Gutachten und Standortfragen mit einbezogen zu werden. Der Verbandsbürgermeister Uwe Bruchhäuser teilte in einer uns gestern zugestellten Pressemitteilung mit, dass bislang keine Vorentscheidung zum Erhalt der Kita Geisig getroffen wurde. Auch wären keine Pläne entwickelt worden, um die Kinder langfristig anderweitig außerhalb von Geisig oder einer zentralen Einrichtung unterzubringen. In Kürze soll ein Gutachten den Zustand des Kita-Gebäudes in Geisig klären und erst dann soll entschieden werden, ob der Standort erhalten bleibt oder es einen Neubau an möglicherweise neuen Stelle geben wird. Für die temporäre Containerlösung soll es kurzfristig mit dem Ältestenrat der Verbandsgemeinde und den betroffenen Südwestgemeinden Gespräche geben. Mangelnde Transparenz weist der Bürgermeister von sich. Die Vertreter des Elternausschusses und die Kita-Leitung sollen in den weiteren Prozess eingebunden werden.
Politik
Bürgermeister Weiland fordert barrierefreie Bahnhöfe in der Loreley

ST. GOARSHAUSEN Nachdem jetzt im Verbandsgemeinderat Loreley von einen Bahnvertreter das Projekt der Deutschen Bahn InfraGo „Hochleistungskorridor Rechter Rhein 2026“ vorgestellt wurde, hat sich Mike Weiland, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Loreley, an die rheinland-pfälzische Staatsministerin Katrin Eder gewandt, die sich für den Schienenpersonennahverkehr zuständig zeichnet.
„Mit diesem weiteren Versuch an einer verantwortlichen Stelle anzuklopfen, möchte ich um Engagement dafür werben, dass im Zuge des Hochleistungskorridors 2026 die Bahnstationen nicht nur saniert, sondern auch barrierefrei gestaltet werden“, so Mike Weilands Intension. Während der Vorstellung im Rat entwickelte sich nicht nur eine intensive Diskussion über den zu erwartenden flüssigeren und damit höheren Zugdurchfluss durchs Mittelrheintal sowie zu wenig Lärmschutz für die Anwohner, sondern vor allem auch darüber, dass die Bahnverkehrsstationen im Rahmen dieses Bundesprojektes nicht barrierefrei gestaltet werden sollen, weil sich die Bahn darauf beruft, dass sämtliche Stationen keine 1.000 Ein- bzw. Ausstiege an Fahrgästen vorweisen können.
Weiland: Barrierefreiheit der Bahnverkehrsstationen im Rahmen des Hochleistungskorridors 2026 muss geschaffen werden
Mike Weiland schreibt daher jetzt an die Ministerin, dass bei diesem Bundesprojekt Millionen von Euro investiert würden. An der Barrierefreiheit werde jedoch gespart bzw. diese werde einfach nicht umgesetzt. Gerade bei Bundesprojekten gibt es einen Leitfaden Barrierefreies Bauen zu beachten. Der Bürgermeister fragt daher jetzt die Ministerin, weshalb sich bei dem Bundesprojekt Hochleistungskorridor die Bahn über die Barrierefreiheit einfach so hinwegsetzen kann.
„Bei jeder noch so kleinen kommunalen Maßnahme, für die die Gemeinden und Städte Förderungen beantragen, ist Barrierefreiheit zu beachten, ansonsten haben solche Anträge keine Aussicht auf Erfolg“, so Mike Weiland. Daher können und wollen die Mitglieder der politischen Gremien dieses Vorgehen beim Hochleistungskorridor nicht nachvollziehen und akzeptieren.
Mike Weiland hat daher Ministerin Eder nicht nur um eine Erläuterung sondern vielmehr noch um entsprechendes Engagement gebeten, sich im Sinne der Barrierefreiheit bei der Umgestaltung der Bahnverkehrsstationen im Zuge des Hochleistungskorridors 2026 einzusetzen. „Dafür wäre ich der Ministerin im Sinne derjenigen Mitmenschen, die darauf angewiesen sind, sehr dankbar“, so Weiland und er schließt damit ab, dass es bei einem solch millionenschweren Bundesprojekt auch im Hinblick auf die BUGA29 nicht sein könne, die Herstellung der Barrierefreiheit auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben oder gar die Hoffnung zu hegen, dass später Kommunen diese kostspielige Aufgabe übernehmen.
Das Schreiben an die Ministerin hat der Bürgermeister auch gleichzeitig an die Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen geschickt, um auch von ihr eine Einschätzung zu erhalten.
Politik
Verzerrte Wahlergebnisse: Güllering fordert – Briefwahl muss mit in Wahllokalen ausgezählt werden

NASTÄTTEN Nach der Bundestagswahl wendet sich der Nastätter Verbandsbürgermeister Jens Güllering mit einem dringenden Anliegen an den Landeswahlleiter Marcel Hürther. Bereits 2017 hatte Güllering die Problematik der zentralen Briefwahlauszählung angesprochen – geändert hat sich seitdem nichts. Angesichts eines steigenden Anteils an Briefwählern wächst jedoch die Dringlichkeit des Problems. In einem Schreiben an den Landeswahlleiter fordert er eine Anpassung der Vorschriften.
„Da die Wahlergebnisse der Briefwahl nicht den einzelnen Stimmbezirken zugeordnet werden, führt diese zentrale Stimmenauszählung zu einer schlicht und ergreifend falschen Ergebnisdarstellung“, kritisiert Güllering. Gerade in kleineren Gemeinden sei das Interesse der Bürger groß, zu wissen, wie vor Ort abgestimmt wurde. „Die Menschen interessieren sich für ‚ihr‘ Ergebnis und möchten sich damit auseinandersetzen“, so der Bürgermeister.
Bei der diesjährigen Bundestagswahl lag der Briefwähleranteil in der Verbandsgemeinde Nastätten bei 40,5 %. Güllering sieht hier eine massive Verzerrung der Wahlergebnisse auf lokaler Ebene: „Die Veröffentlichung von falschen Ergebnissen – verstärkt durch entsprechende Grafiken – wirft ein Bild auf bestimmte Gemeinden, das nicht das tatsächliche Stimmverhalten widerspiegelt.“ Dies könne nicht nur zu Nachfragen, sondern sogar zu verbaler Kritik und Anfeindungen führen, betont er. Besonders die Schnelllebigkeit sozialer Netzwerke verstärke dieses Problem noch zusätzlich.
Die Lösung sieht Güllering in der Auszählung der Briefwahlunterlagen direkt in den Wahllokalen. „Dies wäre aus meiner Sicht unproblematisch möglich und in der Abwägung zwischen gewollter Entlastung der Wahlhelfer und einer korrekten Ergebnisdarstellung unbedingt den Vorzug zu geben.“ Zudem ließen sich dadurch landesweit hunderte Wahlhelfer einsparen oder anderweitig einsetzen, so der Bürgermeister weiter. In der Verbandsgemeinde Nastätten mussten 40 Verwaltungsmitarbeiter für die Briefwahlauszählung abgestellt werden, im gesamten Wahlkreis Montabaur waren es 67 Briefwahlvorstände.
Ein weiteres Problem sieht Güllering in den amtlichen Veröffentlichungen: Auch auf der offiziellen Wahlseite des Landes Rheinland-Pfalz würden falsche Ergebnisse auf Gemeindeebene dargestellt – mit entsprechendem Einfluss auf die Presseberichterstattung. „Nicht selten kommt es dadurch zu unverschuldeten Fehlinterpretationen“, mahnt er. Eine Anpassung der Vorschriften sei daher dringend erforderlich.
Neben dem Schreiben an den Landeswahlleiter hat Güllering auch den Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz sowie die örtlichen Wahlkreisabgeordneten informiert und um Unterstützung gebeten. Das Anliegen wurde zudem an die Bundeswahlleiterin weitergeleitet. Ob die Politik auf diese Forderungen reagiert, bleibt abzuwarten.
Koblenz
Koblenz: Muslime positionieren sich für Deutschland und gegen Extremismus

KOBLENZ Mehr als 400.000 Afghanen leben in Deutschland. Nach den schrecklichen islamistisch motivierten Terroranschlägen von Mannheim und München stehen sie zunehmend unter Generalverdacht. Dabei entspricht der Anteil der Täter an der Gesamtzahl der hier lebenden Afghanen lediglich 0,0005 Prozent. Ähnlich ergeht es derzeit syrischen Flüchtlingen.
Generalverdacht statt individueller Verantwortung
Nach dem Attentat auf einen Polizisten in Mannheim sind auch Syrer verstärkt ins Visier geraten. Ende 2023 lebten rund 700.000 syrische Flüchtlinge in Deutschland, von denen mehr als 200.000 bereits die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Doch trotz ihrer Verurteilung der Anschläge sehen sich viele von ihnen Misstrauen und Fremdenhass ausgesetzt.
Insbesondere nach islamistischen Angriffen ist der öffentliche Aufschrei groß. Rechte Politiker nutzen solche Ereignisse, um pauschale Forderungen nach Abschiebungen zu stellen – oft unabhängig davon, ob die Betroffenen in irgendeiner Weise mit den Taten in Verbindung stehen. Anstatt Einzelfälle differenziert zu betrachten, wird eine ganze Bevölkerungsgruppe stigmatisiert. Der Schutzstatus der Betroffenen wird dabei ausgeblendet, und so sind sie oft der Angst und dem Hass der deutschen Bevölkerung schutzlos ausgeliefert.
Diese Entwicklung ist besorgniserregend, denn während das Gesetz Kollektivstrafen verbietet, zeigt sich in der gesellschaftlichen Debatte genau das Gegenteil. Es gibt eine Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“ Flüchtlingen: Während Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine weitgehend unbürokratisch eine Aufenthaltserlaubnis und damit Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, müssen Afghanen und Syrer monatelange Asylverfahren durchlaufen. Ihre Arbeitsaufnahme unterliegt strengen behördlichen Genehmigungen, und oft bleibt ihnen nur der Weg in Flüchtlingsunterkünfte, während für Ukrainer der Wohnungsmarkt weit offener ist. Diese Ungleichbehandlung führt zu Perspektivlosigkeit und Frustration.
Mit jeder neuen Tat wächst das Misstrauen gegenüber Schutzsuchenden, obwohl sie selbst oft die ersten sind, die solche Verbrechen verurteilen. Dennoch erfahren sie kaum Solidarität, sondern vielmehr Ausgrenzung. Die Debatte wird zusätzlich durch populistische Forderungen nach präventiver Abschiebung von Straftätern befeuert. Natürlich muss gegen Intensivtäter konsequent vorgegangen werden, doch nicht immer ist das rechtlich oder diplomatisch möglich. Afghanistan etwa verweigert die Rücknahme seiner Staatsbürger, da es keine offiziellen Beziehungen zu Deutschland unterhält.
Rechtsextremismus als unterschätzte Gefahr
Wichtig ist, den Schutz jener Menschen nicht aus den Augen zu verlieren, die sich integrieren wollen und nicht unter Generalverdacht gestellt werden dürfen. Die Gesellschaft muss sich fragen, was sie bereit ist, auszuhalten und wie sie mit Angst umgeht. Eine Zweiklassengesellschaft unter Flüchtlingen ist nicht der richtige Weg – es braucht gleiche Perspektiven für alle.
Ein starkes Zeichen gegen diese Spaltung setzten Muslime in Koblenz, die sich öffentlich für Deutschland und gegen Gewalt aussprachen. Solche Aktionen sind selten und zeigen, dass sich hier etwas im gesellschaftlichen Empfinden verschiebt. Täter müssen als Individuen betrachtet werden – eine kollektive Vorverurteilung macht Opfer zu Tätern und wird von rechten Parteien für eigene Zwecke instrumentalisiert.
Dabei wird oft übersehen, dass rechtsextremistisch motivierte Straftaten in Deutschland stark zugenommen haben. Laut Verfassungsschutz stieg die Zahl solcher Taten von 2022 auf 2023 um 22,4 Prozent, gewalttätige Übergriffe nahmen um 16,4 Prozent zu. Das rechtsextreme Personenpotenzial wuchs von 32.000 im Jahr 2019 auf 40.600 im Jahr 2024, darunter 13.500 gewaltbereite Extremisten. Insgesamt wurden 2023 mehr als 25.660 rechtsextremistische Straftaten registriert – durchschnittlich 70 pro Tag.
Demgegenüber ist das islamistische Personenpotenzial seit 2019 auf 27.200 gesunken. Dennoch bleiben islamistische Anschläge aufgrund ihrer oft hohen Opferzahlen tief im kollektiven Bewusstsein verankert. Während rechtsextreme Gewalt häufig aus Körperverletzungen und Angriffen besteht, führen islamistische Taten oft zu schwerwiegenden Verbrechen mit vielen Opfern. Genau diese Dimension prägt die Wahrnehmung und verstärkt Ängste.
Am Ende wird nicht mehr auf den Einzeltäter geschaut. Die Gesellschaft verharrt in Angst und verurteilt pauschal ganze Bevölkerungsgruppen. Doch ist das gerecht? Während rechtsextreme Straftaten 0,03 Prozent der Gesamtbevölkerung betreffen, liegt die Zahl islamistischer Taten bei Afghanen bei nur 0,0005 Prozent.
Gleichzeitig nutzen Rechtsextreme soziale Medien geschickt zur Mobilisierung und erhalten eine beunruhigend große Lobby. Doch am Ende gilt: Nicht derjenige, der am lautesten schreit, hat automatisch recht – sondern der, der mit Vernunft reagiert und über seine Angst hinauswächst.
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