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Rhein-Lahn-Kreis

Staatlich anerkannter Erzieher: Traumberuf oder Albtraum?

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Erzieher: Traumberuf oder Alptraum?

RHEIN-LAHN Personalmangel in den Kitas ist längst zur Normalität geworden. Händeringend suchen die Verbandsgemeinden nach qualifizierten Mitarbeitern und lassen sich so einiges einfallen. Mal wird mit einem professionellen Werbevideo geworben oder die Attraktivität des Standortes wird hervorgehoben. Und irgendwie wirkt alles sehr verzweifelt. Die Anforderungen an das Berufsbild sind hoch und haben sich im Laufe der Jahrzehnte stark verändert. Bis 1967 gab es noch den Beruf der Kindergärtnerin. Die Ausbildung erfolgte praxisorientiert in den Einrichtungen. Von 1967 an war eine dreijährige Ausbildungsdauer vorgeschrieben. Die beinhaltete zwei theoretische Jahre und ein Jahr Berufspraktikum. 1982 änderte sich das Berufsbild grundlegend.

Ab jetzt gab es keine Kindergärtner*in mehr, sondern den staatlich anerkannten Erzieher oder Erzieherin. Die Zugangsvoraussetzungen änderten sich drastisch. Statt des einjährigen Vorpraktikums wurde eine abgeschlossene Berufsausbildung oder mehrjährige vergleichbare Berufstätigkeit vorgeschrieben. Mindestens die Mittlere Reife war eine weitere Voraussetzung. Lediglich bei Schülern mit Hochschulreife wurde auf die einschlägige Berufsausbildung verzichtet. Da reichte wiederum das Vorpraktikum aus.

Bis zu 5 Jahre Ausbildungszeit bis zum Erzieher: Davon möglicherweise vier Jahre unbezahlt!

Auch heute ist der Weg zur staatlich anerkannten Erzieher*in mühsam. Für Absolventen mit der Fachoberschulreife geht es ausschließlich über den zweijährigen Weiterbildungsweg der Sozialassistentin.  Die Ausbildung ist umfangreich. Die zukünftigen Sozialassistenten müssen alleine in 1040 Unterrichtsstunden lernen, sich in beruflichen Handlungssituationen zurechtzufinden und zu engagieren, sie müssen kindliche Bildungs- und Entwicklungsprozesse beobachten, verstehen und anregen, Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Menschen mit Beeinträchtigungen wahrnehmen, verstehen und anregen, Spiel-, Bewegung- und Naturerfahrungen für Erziehungs- und Bildungsprozesse nutzen, musische und gestalterische Bildungsprozesse ermöglichen, gesundheitsfördernde Ernährung unterstützen und hauswirtschaftliche Tätigkeiten durchführen, anleiten und begleiten sowie gesundheitsfördernde und pflegerische Tätigkeiten durchführen, anleiten und ebenso begleiten.

Viel Wissen in zwei Jahren Weiterbildung. Abiturienten brauchen das Wissen offenbar nicht, nach Auffassung der Kultusministerkonferenz. Sie müssen nicht den Umweg über den Sozialassistenten gehen und starten direkt mit der Weiterbildung zum staatlich anerkannten Erzieher.  Und hier liegt auch der erste Knackpunkt: Die Weiterbildung zur Sozialassistentin ist kostenfrei, aber es gibt auch kein Ausbildungsentgelt.  Während der Weiterbildung gibt es die Möglichkeit, Schüler-Bafög zu erhalten, wenn die Eltern nicht zu viel verdienen. Je nach Entfernung vom Wohnsitz kann das bis zu 455 EUR monatlich betragen und muss nicht zurückgezahlt werden.

Beruf oder Berufung? Oft ist der Job eine Herzensangelegenheit!

Hat man dann erst einmal die Weiterbildung zum Sozialassistenten geschafft, darf man sich im Anschluss zwei weitere Jahre ohne Ausbildungsentgelt zum staatlich anerkannten Erzieher vollschulisch weiterbilden lassen, bevor man im dritten Jahr endlich einmal Geld im anerkennenden Praktikumsjahr bekommt. Alternativ wird die Ausbildung in Teilzeit angeboten. In der Regel sind die werdenden Erzieher drei Tage die Woche in einer Einrichtung entgeltlich beschäftigt und besuchen an zwei weiteren Tagen eine Fachschule. Attraktiv gegenüber der vollschulischen Weiterbildung, denn die Zeit der Ausbildung zum Erzieher ist identisch. Das Anerkennungsjahr durch das Praktikum fällt weg.

Und hier muss ich bereits eine Frage stellen? Wie wertig sind die Lerninhalte bei der Weiterbildung zum Sozialassistenten, wenn die von Abiturienten nicht vorausgesetzt wird, denn die bekommen diese nicht vermittelt? Eine Sozialassistentin darf in einer Kindertageseinrichtung arbeiten und erwirbt unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Abschluss auch die Fachhochschulreife. Sozialassistenten sollen die Arbeit der Erzieher*innen unterstützen. Leitungsfunktionen dürfen sie nicht übernehmen.

Das Einstiegsgehalt liegt zwischen 1300 und 2300 EUR im Monat. Erzieher verdienen im Schnitt als Anfänger etwa 2650 EUR im Monat. Somit durchaus ein Anreiz für die Sozialassistenten noch einmal die Schulbank zu drücken, um sich zum staatlich geprüften Erzieher ausbilden zu lassen.

Für einen Schulabgänger mit Realschulabschluss bedeutet das fünf Jahre Ausbildungszeit (einschließlich eines Jahres vergüteter Praktikumszeit) bevor es das erste Mal wirklich ans Geld verdienen geht. Eine lange Zeit. Das entspricht vielfach der Zeit eines Regelmasterstudiums.

Natürlich möchte man gut ausgebildete Kräfte in Kindereinrichtungen haben. Niemand möchte unqualifizierte Kräfte auf die Kleinsten loslassen. Dabei gehen einige europäische Länder andere Wege. Von Beginn an wird die Praxis in den Mittelpunkt gerückt, die Ausbildungszeit wird vergütet und die Schule erfolgt im Block oder Tagesunterricht.

Während durch den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz immer mehr Kindertageseinrichtungen entstehen, wird es immer schwieriger, die neu zu besetzenden Stellen mit adäquatem Fachpersonal zu besetzen. Bis 2025 sollen laut dem Wirtschaftsinstitut Prognos rund 200.000 Erzieher bundesweit fehlen. Traumjob Erzieher? Schon lange nicht mehr. Ernüchterung ist bei vielen Beschäftigten eingekehrt. Im Durchschnitt aller Berufe empfehlen 75% ihre Arbeitswahl. Bei den Erziehern sind es lediglich 71%. Einerseits wird der Beruf als sinnstiftend und erfüllend geschildert, für viele ist es Herzenssache und eher eine Berufung, die viel Freude und Abwechslungsreichtum bringt, andererseits berichteten viele Befragte von starker nervlicher Belastung, hohen Stressfaktor und schwierigen Arbeitsbedingungen. Zudem wird beklagt, dass der Beruf gesellschaftlich nur wenig wertgeschätzt wird und die Bezahlung zu gering ist. Eine intrinsische Motivation der Angestellten.

Unterbezahlte Fachkräfte: Erzieher müssten im Durchschnitt bei einer Vollzeitbeschäftigung etwa 300,00 EUR mehr verdienen!

76 Prozent der Erzieher sind unzufrieden mit ihrem Gehalt (Quelle: Lohnspiegel.de). Auch das zeigt eine überdurchschnittliche Ablehnung in dem Berufsbild. In anderen Gruppen gaben lediglich 67% an, dass sie mit ihrem Lohn nicht einverstanden wären. Die Zahlen kommen nicht von ungefähr. Von den hoch qualifizierten Fachkräften wird meist verlangt, dass sie von Beginn ihrer Ausbildung an ohne große finanzielle Unterstützung das Berufsbild ergreifen. Zusätzlich mussten die angehenden Fachkräfte in vielen Bundesländern Gebühren an die Schulen bezahlen. Damit ist nunmehr Schluss. Das reicht aber keineswegs.

Während es einen Personalnotstand in zahlreichen Kindereinrichtungen gibt und der Bedarf an Kräften weiter steigen wird, ist der Beruf stetig unattraktiver geworden. Nicht selten kommt es vor, dass die frühkindliche Erziehung in den Hintergrund gerät, da wenige Kräfte sich mit zahlreichen zu betreuenden Kindern auseinandersetzen müssen. Die Erzieher möchten fördern und neues Wissen vermitteln, doch dafür bleibt oft keine Zeit. Am Ende bleibt Frust und Enttäuschung bei den Mitarbeitern.

Auch im Rhein-Lahn-Kreis kommt es in verschiedenen Kitas zu Notbetreuungen. Das Personal fehlt an allen Ecken. Manch eine Verbandsgemeinde hat es besser verstanden, Personal anzuwerben, als andere. Attraktive Standorte sprechen sich herum. Erzieher können sich heute ihren Arbeitsplatz aussuchen und die gehen natürlich gerne dorthin hin, wo die Arbeitsbedingungen gut sind.

Personalknappheit: Notbetreuungen im Rhein-Lahn-Kreis

Verstanden haben das bisher nicht alle Gemeinden. In einer Verbandsgemeinde wurde einer Bewerberin ein Vertrag vorgelegt, wo drin stand, dass sie auch zur Wochenendarbeit verpflichtet werden kann. Laut dem Behördenmitarbeiter kam das noch nie vor, aber man möchte gewappnet sein. Streichen wollte er den Passus nicht. Die Bewerberin lehnte dankend ab. Das hätte es früher vielleicht nicht gegeben.

Alle sind gleich im Berufsbild des Erziehers? Auch das nicht. Tatsächlich verdient in Deutschland ein männlicher Bewerber mit 10 Jahren Berufserfahrung im Schnitt 120 Euro mehr als eine weibliche Fachkraft (Quelle WSI Lohnspiegel). Dabei haben gerade einmal 19% der Männer den Beruf ergriffen.

Unterbezahlt? Tatsächlich. Rund 300 EUR im Schnitt müsste eine Vollzeitmitarbeiterin in einer Kindertageseinrichtung mehr verdienen, damit sie dem Durchschnittsgehalt in Deutschland entsprechen würde. Und hier steht man vor einer großen Diskrepanz. Die Eltern vertrauen ihre Kinder hoch qualifizierten Fachkräften an, die immer funktionieren müssen. Die Kinder erwarten die gut gelaunte Kraft. Ausfälle werden nicht geduldet. Fehler werden sind inakzeptabel und werden hart bestraft.

Erzieher sind häufig die ersten, die bei Kindern Schwierigkeiten erkennen. Sie sind darauf geschult und können präventiv den Eltern Vorschläge machen. Die Erwartungshaltung in der Gesellschaft an das Berufsbild und deren Ausübung ist hoch. Jahrelang begleiten die Fachkräfte die zu betreuenden Kinder und nehmen Fortschritte wahr, genauso wie Defizite. Und immer sind sie an vorderster Front. Das wichtigste Gut einer Gesellschaft sind die Kinder und die vertrauen wir den Erziehern an. Dann muss eine Gesellschaft auch fördern, dass die Fachkräfte auch entsprechend honoriert werden und der Ausbildungsberuf attraktiv gestaltet wird. Dazu gehört auch eine entsprechende finanzielle Unterstützung, die keineswegs in der Ausbildung nur in einem Bafög mündet, was eine gleichzeitige Benachteiligung zu üblichen Ausbildungsberufen darstellt.

Ähnlich erging es bisher auch Physiotherapeuten (usw.). Auch dort ist sicherlich Handlungsbedarf. Bis es in Deutschland bessere, der Ausbildung entsprechende, finanzielle Wertschätzung gibt, kann dauern. Bis dahin kann man den Erziehern nur raten, sich den künftigen Arbeitgeber genau anzusehen und sich des eigenen Wertes sehr bewusst zu sein. Verträge mit überhaupt möglicher Wochenendarbeit sollte keine Kraft mehr unterschreiben müssen. Auch die Frage nach Benefits ist keineswegs unangemessen. Noch immer scheint es von oben herab von der Bundesregierung angefangen, über die Landesregierungen bis herunter zu den Verbandsgemeiden und freien Arbeitgebern nicht überall angekommen zu sein, dass sie nicht mehr die Bedingungen stellen, sondern die zukünftigen Arbeitnehmer die Regeln diktieren und sich ihren neuen Arbeitgeber genau aussuchen können. Genau das sollten Erzieher heutzutage auch machen und mehfach hinsehen, bevor sie einen Vertrag unterzeichnen.

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VG Diez

Ehrung im Diezer Schloss Oranienstein: Feuerwehrleute für jahrzehntelangen Einsatz ausgezeichnet!

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Bildrechte: VG Diez / H. Klein

DIEZ Im festlichen Rahmen des Schlosses Oranienstein kamen am Donnerstagabend rund 150 Gäste zusammen, um die langjährige Arbeit der Feuerwehrleute der Verbandsgemeinde Diez zu würdigen. Die alljährliche Ehrungsveranstaltung, die bereits einen festen Platz im Kalender der Verbandsgemeinde einnimmt, stand im Zeichen von Dank und Anerkennung. Geehrtwurden insgesamt 44 Feuerwehrangehörige – darunter 41 Männer und 3 Frauen –, die teils seit mehreren Jahrzehnten im Dienst der Gemeinschaft stehen.

Bürgermeisterin Maren Busch begrüßte die Anwesenden mit bewegenden Worten und einem Rückblick auf „ein vergleichsweise ruhiges Jahr“ – dennoch sei die Feuerwehr stets einsatzbereit gewesen. „IMMERDA, 24/7 für die Allgemeinheit“. Wahre Wertschätzung zeigt sich in Taten – und wir haben in diesem Jahr viel unternommen, um eure Arbeit zu stärken: Mit der Einstellung von zwei hauptamtlichen Gerätewarten und dem Beitritt zum Feuerwehrdienstzentrum (FDZ) stellen wir sicher, dass Fahrzeuge und Ausrüstung optimal betreut werden und ihr euch auf eure Einsätze konzentrieren könnt.

Neue Fahrzeuge, moderne Feuerwehrgerätehäuser und angepasste Entschädigungen sind weitere Bausteine, um unsere Feuerwehr zukunftssicher aufzustellen. Doch das Wichtigste bleibt: Ihr, die 550 Feuerwehrleute der Verbandsgemeinde Diez, seid das Herz unserer Feuerwehr. Danke für euren unermüdlichen Einsatz!“, so Bürgermeisterin Busch.

Mit ihrer Rede eröffnete Bürgermeistern Busch einen Abend, der ganz im Zeichen von Anerkennung stand. Außerdem anwesend war Landrat Jörg Denninghoff, der einen Teil der anstehenden formellen Würdigungen übernahm.

Zu den Höhepunkten zählten die Ehrungen für 15, 25, 35 und sogar 45 Jahre aktiven Feuerwehrdienst. Besonders bewegt zeigte sich das Publikum bei der Verabschiedung zweier langjähriger Mitglieder in den Ruhestand: Eberhard Range aus Holzappel und Harald Hermes aus Langenscheid blicken auf über 40 Jahre Engagement zurück.

Eine weitere Auszeichnung wurde Dieter Becker aus Laurenburg zuteil. Er erhielt das Silberne Feuerwehr-Ehrenzeichen am Bande“ für seine besonderen Verdienste um das Feuerwehrwesen. Seit 1975 engagiert sich Becker für die Feuerwehr, war unter anderem als Wehrführer und Ausbilder tätig und leistete wertvolle Beiträge insbesondere im Bereich Atemschutz. Bürgermeisterin Busch würdigte in ihrer Rede Beckers außergewöhnliches Engagement, das ihn zu einer festen Größe in der regionalen Feuerwehr gemacht habe. Auch Landrat Denninghoff sprach Dank und Anerkennung aus und überreichte gemeinsam mit Bürgermeisterin Busch die Auszeichnung.

Wehrleiter Marcus Grün nutzte die Veranstaltung, um über aktuelle Entwicklungen und zukünftige Pläne der Feuerwehr zu informieren. „Wir setzen uns dafür ein, die Rahmenbedingungen stetig zu verbessern und die Feuerwehr für kommende Herausforderungen gut aufzustellen“, betonte Grün.

Im Anschluss an das offizielle Programm kamen die Gäste bei einem gemeinsamen Imbiss in lockerer Atmosphäre zu persönlichen Gesprächen und Rückblicken auf die vielfältigen Einsätze der vergangenen Jahre zusammen.

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Lahnstein

Glückwunsch: Gertrud Dillenberger feierte 97. Geburtstag in Lahnstein

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Foto: Stadtverwaltung Lahnstein

LAHNSTEIN Am 19. November 2024 feierte Gertrud Dillenberger ihren 97. Geburtstag. Zu diesem besonderen Jubiläum überbrachte der Beigeordnete der Stadt Lahnstein Manfred Radermacher die herzlichsten Glückwünsche der Stadt und einen Präsentkorb mit fair gehandelten Produkten aus dem Eine-Welt-Laden. Gefeiert wurde auch mit ihrer Familie, darunter drei Enkel und vier Urenkel.

Besonders den älteren Lahnsteinern ist Getrud Dillenberger noch als Gastwirtin des „Alten Brauhauses“, des heutigen „Fiduzit“, bekannt. Sie ist weiterhin tief in Lahnstein verankert und vernetzt und lebt gerne an Rhein und Lahn.

Der Beigeordnete rundete seinen Besuch mit den besten Wünschen für die Zukunft ab: „Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Gesundheit, Lebensfreude und viele schöne Momente im Kreise Ihrer Familie und Freunde.“

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VG Bad Ems-Nassau

Christen, Juden und Muslime mahnen in Bad Ems zum respektvollen Miteinander

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Foto: Dekanat Nassauer Land | Matern 

BAD EMS Religionen wird oft der Vorwurf gemacht, sie seien der Grund für gewaltsame Auseinandersetzungen in der Welt. Das Friedensgebet, zu dem die christlichen Gemeinden in Bad Ems zum elften Mal in die katholische Pfarrkirche St. Martin eingeladen hatten, bewies zumindest, dass es anders sein sollte. Die dort zitierten Verse aus dem Alten und dem Neuen Testament, Suren aus dem Koran und Fürbitten mahnten, den Frieden nicht nur im Jenseits, sondern heute schon auf der Welt, in der Gesellschaft und Familie zu suchen und im respektvollen Umgang mit dem Nächsten Streit, Hass, Missgunst und Gewalt zu überwinden.

Christen, Juden, Muslime und Migrationsbeirat mahnen in Bad Ems zum respektvollen, fürsorglichen Miteinander

Von vier Standorten aus hatten sich die Teilnehmenden auf den Weg zur illuminierten Pfarrkirche gemacht. „Steh auf und geh mit! Wir beten für den Frieden!“ stand auf dem Banner, das sie vor sich hertrugen. Die katholische, die  evangelische, die russisch-orthodoxe Kirchengemeinde der Kreisstadt, Vertreter jüdischen Glaubens, die Ahmadiyya- Gemeinde Koblenz, die türkische Gemeinde Bad Ems, das evangelische Dekanat und der Beirat für Migration und Integration des Kreises und aus Lahnstein hatten das interkulturelle und interreligiöse Friedensgebet gemeinsam vorbereitet. „Nie wieder ist jetzt!“, stellte Dr. Hildegard Simons, Leiterin des Organisationsteams, das Motto vor, das evangelische und katholische Kirche für den diesjährigen Friedensmarsch ausgewählt hatten. „Angesichts unserer Geschichte ist es unsere Pflicht, extremistisches Gedankengut nicht zuzulassen und uns entschieden dagegen zu stellen“, sagte Simons und nannte in dem vollen Gotteshaus eine Reihe alarmierender Zahlen an religiösen Übergriffen in Deutschland.

So habe die Zahl antisemitischer Handlungen 2023 um mehr als 80 Prozent zugenommen, insgesamt gab es 42 Anschläge auf Synagogen. „Aber auch auf andere religiöse Gemeinschaften gab es Gewaltakte“, erinnerte die Initiatorin des Friedensgebets und nannte etwa 70 Angriffe auf Moscheen und 92 Angriffe auf Kirchen, die verzeichnet worden seien. Simons: „Ein Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften und eine deutliche Abgrenzung vom Terror sind umso wichtiger. Wir müssen gemeinsam für den Frieden einstehen und klar machen, dass Gewalt in unserem Namen keine Rechtfertigung findet.“

Religionen bitten gemeinsam für den Frieden in nah und fern

Deutsch, hebräisch, türkisch und ukrainisch wurde um Frieden gebetet und daran erinnert, wie der Glaube an den gemeinsamen Gott (Allah) dazu die Menschen befähigt. Keine Nation solle das Schwert gegen eine andere erheben, riefen etwa Pfarrerin Lieve Van den Ameele und Pfarrer Michael Scheungraber in ihren Predigtgedanken dazu auf, sich in Güte und Treue zu begegnen. Neben Friedensstiftern, ganz gleich welcher Religion sie angehören, bedürfe es auch des inneren Friedens, um an einer gewalttägigen Welt nicht zu verzweifeln. Sie zitierten Dietrich Bonhoeffer: „Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn der Friede muss gewagt werden.“. Wer Sicherheit fordere, habe Misstrauen; „dieses Misstrauen gebiert wiederum Krieg“, hatte der in der Nazi-Diktatur ermordete Theologe geschrieben.

Eindrucksvoll wurden Gebete und Gedanken zum Frieden musikalisch verstärkt. Ein Gesangs-Trio der russisch-orthodoxen Gemeinde mit Wassily Kotykov stimmte unter anderem einen cherubinischen Lobgesang an; die Chöre Viva Musica aus Welschneudorf und der Folklore-Chor Montabaur traten unter Leitung von Regine Reisinger gemeinsam auf und beschworen mit Udo Jürgens Hit „Ich glaube“ oder der jüdischen Hymne „Hine mah tov“ ein gelingendes Zusammenleben der Menschen. Begleitet wurden sie von Dr. Thomas Reisinger mit der Violine und Kantor Jan Martin Chrost am Klavier. Letzterer schenkte an der Sandtner-Orgel dem Friedensgebet gefühlvolle Klangfarben zum Eingang und eine hoffnungsvoll stimmende Improvisation zum Auszug.

Vor der Kirche gingen die Verbundenheit und die Bereitschaft zum friedlichen Miteinander im wahrsten Sinne auch durch den Magen, denn es gab Kleinigkeiten aus der interkulturellen Küche auf die Hand nebst einem mitmenschlichen Austausch. Getränke konnten in einer eigens für den Friedensmarsch gestalteten Tasse getrunken werden. Sie soll dazu beitragen, die in den vergangenen Jahren immens gestiegenen Kosten der Veranstaltung zu mindern, wie Simons erklärte.

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