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Koblenz

Klöckners Koblenz-Auftritt: Meinungsfreiheit als Bühnenbild – und ein Netz aus Geld, Nähe und rechter Medienmacht

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KOBLENZ Blaskapelle, Oldtimer, 250 Gäste – und eine Bundestagspräsidentin, die ihr Amt inmitten eines politisch aufgeladenen Umfelds verteidigt: Beim „Politischen Sommerempfang“ der Koblenzer CDU am 17. August 2025 trat Julia Klöckner im Innovationszentrum der CompuGroup Medical (CGM) auf. Hausherr ist Frank Gotthardt, Milliardär, CGM-Gründer – und wesentlicher Geldgeber des rechts­populistischen Medienprojekts „Nius“. Der Ort, der Zeitpunkt und die Konstellation sorgten bereits im Vorfeld für deutliche Kritik aus SPD und Grünen – und vor den CGM-Toren für Protest. Klöckner selbst setzte dem den Rahmen „Meinungsfreiheit“ entgegen.

„Vielfalt, nicht Einfalt“ – Klöckners Verteidigung

In ihrer Rede erklärte Klöckner die Kontroverse zur Grundsatzfrage pluraler Debattenkultur: „Was Demokratie ausmacht, ist nicht die Einfalt von Meinungen, sondern die Vielfalt.“ Zugleich relativierte sie die Kritik an „Nius“ – und verglich die Plattform mit der linken taz, was umgehend Widerspruch auslöste.

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Die Bundestagspräsidentin präsentierte ihr Auftreten als Beitrag zur wehrhaften Demokratie, Kritiker sahen darin das Gegenteil: Wer im zweithöchsten Staatsamt bei einem Großspender eines rechts­populistischen Portals auftritt – und dieses in einer Reihe mit einem presse­ratgebundenen Medium nennt – verwische Grenzen politischer Hygiene. Spiegel, Berliner Zeitung, RND und BILDBlog dokumentierten den Konflikt.

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Geld, Medien, Einfluss: Das System Gotthardt

Frank Gotthardt gilt seit Jahren als potenter Förderer konservativer Netzwerke – und als Finanzier von „Nius“ (Mutter: Vius). Recherchen zeigen ein massives Kapitalpolster und hohe Werbeausgaben; intern generierte das Projekt vergleichsweise geringe Abo-Erlöse, was die Abhängigkeit von Mäzenengeldern unterstreicht. Parallel expandierte Vius nach Österreich und übernahm bis zu 75 % am rechtskonservativen Portal exxpress. Beobachter sprachen bereits 2024 vom Versuch, ein „deutsches Fox News“ aufzubauen.

Gotthardt tritt zudem sichtbar politisch in Erscheinung: Laut Bundestags-Mitteilungen spendeten Mitglieder der Familie Gotthardt in 2025 hohe sechsstellige Beträge an CDU und FDP – offizielle Großspenden, die im Register dokumentiert sind.

Koblenz und die CDU: Die Rolle von Josef Oster

Organisiert wurde der Empfang vom CDU-Kreisverband; Kreisvorsitzender und MdB Josef Oster warb im Vorfeld mit dem Austausch „mit Akteuren, die zum wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand unserer Stadt beitragen“. Die CompuGroup-Räume dienen der lokalen Union nicht zum ersten Mal als Bühne – die Nähe ist gewachsen und institutionell. Dass der Gastgeber zugleich der zentrale Mäzen von „Nius“ ist, verleiht Osters Format eine politische Schieflage, die über Koblenz hinausweist.

Oster selbst setzte bei der Begrüßung auf wirtschaftspolitische Akzente und betonte (nach unserer Aufzeichnung) den Wert unternehmerischer Stärke für den Wohlstand der Stadt. Genau diese Verzahnung von Politikformaten und einem mächtigen Medien-/IT-Ökosystem macht die Koblenzer Konstellation erklärungsbedürftig – zumal die Bundestagspräsidentin dort die Deutungshoheit über Meinungsfreiheit reklamiert.

Protest vor den Toren – klare Worte der Linken und großes Zeichen von Oberbürgermeister Langner

Vor dem Gelände formierte sich eine Mahnwache. Oliver Antpöhler-Zwirnick (Die Linke Koblenz, Stadtrat) kritisierte: „Klöckner hausiert hier bei der CompuGroup mit Gotthardt, dem milliardenschweren Mann hinter dem rechtspopulistischen Netzwerk ‚Nius‘. Das ist ihres Amtes unwürdig. Wir fordern: Treten Sie zurück – jetzt.“

Loriana Metzger (Die Linke, Stadträtin) erklärte: „Zynisch, wenn Frau Klöckner hier über Demokratie spricht – auf dem Gelände eines rechten Netzwerkers.“

Ann-Kathrin Brings (Die Linke Rhein-Lahn) ergänzte: „Als Bundestagspräsidentin sollte man neutral sein. Mit dem Besuch bei ‚Nius‘-Finanzier Gotthardt bietet sie Rechten noch mehr Bühne.“

Zugleich erhob Antpöhler-Zwirnick den Vorwurf, die Kulturfabrik Koblenz habe eine Großspende Gotthardts „an die Bedingung, nicht mehr zu gendern“ geknüpft, angenommen. Diesen Punkt konnten wir bislang nicht unabhängig verifizieren; eine Stellungnahme der Kulturfabrik wäre zwingend.

*Ralph Fischer, Geschäftsführer der Kulturfabrik, weist Vorwürfe der Linken Koblenz zurück: Die KUFA wurde mit keiner Geldzuwendung von Herrn Gotthardt bedacht.

*Anm.: Der Geschäftsführer der KUFA GmbH, Ralph Fischer teilte am 19.08 schriftlich wie folgt mit: „Ich stelle hiermit klar, dass weder die KUFA GmbH (als GMBH dürfen wir überhaupt keine Spenden annehmen), noch der „Förderverein der KUFA“ mit einer Geldzuwendung des Herrn Frank Gotthardt bedacht wurden. Ganz abgesehen davon, würden wir eine Zuwendung mit einer politischen oder gesellschaftlich relevanten Auflage ablehnen.

Während vor den Toren protestiert wurde, gab es in den „heiligen“ CompuGroup-Hallen ein leises, aber unübersehbares Zeichen: Direkt neben Bundestagspräsidentin Klöckner trug Koblenz’ Oberbürgermeister David Langner regenbogenfarbene Socken – ein stilles Bekenntnis zu Meinungsfreiheit und Vielfalt.

Vor den Toren der CompuGroup forderten Demosntranten den Rücktritt der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner

„Nius“: Lizenzen, Kampagnen – und der Rechtsruck-Diskurs

„Nius“ verfügt seit September 2024 über eine bundesweite TV-Zulassung; auch „Nius – das Radio“ erhielt Genehmigungen. Die formalen Hürden hierfür sind in Deutschland gering – die Debatte entzündet sich daher nicht an der Zulassung, sondern an Inhalten: Medienbeobachter attestieren „Nius“ Kampagnenjournalismus, Fehlinformationen und gezielte Zuspitzung. Mehrfach gab es Beanstandungen und öffentliche Rügen.

Gerade weil die Union bundesweit über die „Brandmauer nach rechts“ ringt, bekommt Klöckners taz–Nius-Gleichsetzung besonderes Gewicht. Der Koalitionspartner SPD sprach von einem Ausfall im Amt, Kommentatoren sehen Klöckners Auftritt als Schaden für die Autorität der Bundestagspräsidentin.

Der Spahn-Strang: Politik und Profiteure

Recherchen von CORRECTIV zeichnen darüber hinaus einen Schnittmengen-Korridor zwischen Gesundheitspolitik, CGM-Geschäft und dem von Gotthardt finanzierten Medienkosmos: Von der Telematikinfrastruktur bis zu Konnektor-Themen profitierte CGM politisch regulativ; parallel baute „Nius“ seine Reichweite und Werbemittel aus. Der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn weist Vorwürfe der Einflussnahme zurück; die Datenlage zeigt jedoch signifikante Finanz- und Wachstumsbewegungen im Umfeld der beteiligten Akteure.

Einordnung

Der Koblenzer Nachmittag war keine harmlose Parteisause. Er legte offen, wie staatliche Repräsentation, Parteiorganisation und kapitalstarke Medienmacht in Rheinland-Pfalz zusammenwirken – und wie eine rechts­konservative Plattform davon politisch geadelt wird.

  • Klöckner wählte das hohe Dach „Meinungsfreiheit“, relativierte dabei aber die Unterschiede zwischen einem kontrollierten Presseorgan und einem kampagnengetriebenen Portal. Das schadet dem Amt, sagen Kritiker – nicht, weil Debatte verboten wäre, sondern weil Haltungs­neutralität in diesem Amt gelebte Distanz bedeutet.

  • Josef Oster trägt als Veranstalter politische Verantwortung für die Bühnenwahl. Wer bei einem „Nius“-Mäzen feiert, ohne die politische Sprengkraft des Ortes klar zu adressieren, normalisiert diese Allianz – und sendet ein Signal über die politische Tektonik in der Union.

  • Frank Gotthardt demonstriert, wie Großspenden und Medieninvestments ineinandergreifen können: Parteifinanzierung hier, Millionen-Projekt „Nius“ dort – ergänzt um Österreich-Beteiligungen. Das ist legal, aber hochpolitisch.

Fazit: In Koblenz wurde nicht bloß über Meinungsfreiheit gesprochen – Meinungs-Macht wurde inszeniert. Wer sie wo und mit welchem Geld organisiert, ist Teil der Geschichte. Und diese Geschichte ist – weit über Koblenz hinaus – erklärungsbedürftig (dk).

Oberbürgermeister David Langner trug neben Klöckner Regenbogen-Socken – ein unübersehbares Signal für Meinungsfreiheit und Vielfalt.
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Koblenz

40 Jahre Schachtel und Mampf in Koblenz: Ein Zuhause für die, die keines haben

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KOBLENZ Wenn Wolfgang Braun in Koblenz durch die Straßen geht, kommt es immer wieder vor, dass ihm Menschen entgegenkommen, die einmal bei der Schachtel Hilfe gesucht haben. Dann huscht ein Strahlen über ihre Gesichter, oft ein kurzes Dankeschön, ein Blick, der alles sagt. Für Braun, der seit drei Jahren ehrenamtlich Geschäftsführer und Vorsitzender des Vereins ist, sind diese Begegnungen der größte Lohn. „Das zeigt mir, dass sich das Engagement lohnt“, sagt er.

Die Schachtel e.V. gibt es seit vier Jahrzehnten. Gegründet in den achtziger Jahren als Initiative für Menschen ohne Wohnung, ist sie längst eine feste Institution in Koblenz geworden. Mit dem Mampf, dem Wohnungslosenrestaurant in Lützel, der Kleiderkammer, der Sozialberatung, Streetwork und dem Kältebus im Winter bietet sie ein Netz von Hilfen, das für viele überlebenswichtig ist. Doch so selbstverständlich diese Angebote wirken, so fragil sind sie – getragen von Spenden, Ehrenamt und dem Engagement weniger hauptamtlicher Kräfte. Rund 120.000 Euro an Spenden sind jedes Jahr notwendig, um den Betrieb am Laufen zu halten. Zuschüsse von Stadt und Land gibt es zwar, aber sie reichen bei weitem nicht aus.

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Wolfgang Braun, der aus Nievern im Rhein-Lahn-Kreis stammt, kannte die Schachtel zunächst nur von außen. Schon früher hatte er an den Förderverein Mampf gespendet. Als er vor knapp vier Jahren nach Koblenz zog, wollte er sich einmal selbst ein Bild machen. „Ich habe gesehen, dass hier Hilfe dringend gebraucht wird“, erinnert er sich. Eigentlich hatte er nur ein wenig mithelfen wollen – beim Frühstück, beim Mittagessen. Doch schnell wurde klar, dass er gebraucht wird. Er übernahm die Geschäftsführung, engagierte sich noch stärker und ist heute das Gesicht des Vereins. Seine Motivation? Vor allem die Schicksale der Menschen, die hierherkommen. „Manchmal sind es Krankheiten, manchmal familiäre Brüche, manchmal Zufälle, die ins Aus führen. Es kann jeden treffen, schneller als man denkt.“

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Im Mampf beginnt jeder Tag mit einem kostenlosen Frühstück

Im Mampf beginnt jeder Tag mit einem kostenlosen Frühstück. Rund 20 bis 25 Menschen nehmen dieses Angebot regelmäßig an. Mittags gibt es eine warme Mahlzeit, für die nur ein Euro gezahlt werden muss – auch wenn das Essen den Verein fast fünf Euro kostet. Der Rest wird durch Spenden gedeckt. An Samstagen ist das Mittagessen komplett kostenlos, weil dann besonders viele Essensspenden eingehen. Für viele ist das Mampf nicht nur eine Kantine, sondern ein Ort der Wärme, ein Platz zum Aufatmen, ein Stück Normalität. Wer nichts konsumieren möchte, darf trotzdem bleiben. Der Gastraum ist ein konsumfreier Treffpunkt, in dem Menschen einfach sie selbst sein dürfen.

Neben Essen und Trinken gibt es im Haus eine Dusche, eine Waschmaschine und einen Trockner. Für Obdachlose ist das keine Nebensächlichkeit, sondern ein Stück Würde. Die Sozialberatung ist montags bis freitags jeweils drei Stunden geöffnet. Dort helfen Sozialarbeiter bei Anträgen, beraten, geben Ratschläge, begleiten zu Ämtern oder unterstützen beim Ausfüllen von Formularen. Auch wenn es nur kleine Schritte sind, für viele sind sie entscheidend. „Wir haben in den letzten Jahren nur ganz wenige dauerhaft in Wohnungen vermitteln können“, räumt Braun offen ein. „Aber wenn es gelingt, helfen wir mit Möbeln, Geschirr und allem, was man zum Leben braucht. Wer nur mit einem Rucksack bei null anfängt, braucht Unterstützung.“

Mit dem Fahrrad zu den Menschen auf der Straße: Streetworker Jürgen Michel im Einsatz

Jürgen Michel kennt diese Arbeit in- und auswendig. Seit 1999 ist er Sozialarbeiter bei der Schachtel, Teilzeit, daneben arbeitet er weiter als Vermessungstechniker beim Landesvermessungsamt. „Die Mischung ist für mich wichtig, sonst wäre es psychisch zu belastend“, sagt er. Sein Alltag bei der Schachtel umfasst Beratungsgespräche, die Organisation des Mampf, die Betreuung der Gäste, die Logistik der Lebensmittel. Vor allem aber gehört auch das Streetwork dazu. Mit dem Fahrrad ist er in Koblenz unterwegs, sucht Menschen auf, die nicht von selbst in die Einrichtung kommen, hält Kontakt, baut Vertrauen auf. Im Winter ist er zusätzlich mit dem Kältebus unterwegs, montags und donnerstags abends, von Dezember bis März. Dann geht es darum, Obdachlose direkt dort zu erreichen, wo sie schlafen – draußen, bei Minusgraden, in Parks, unter Brücken.

Ein weiteres wichtiges Projekt ist die Kleiderkammer. Im Lager des Vereins werden Spenden gesammelt, sortiert und wöchentlich ausgegeben. „Manchmal bringen uns die Leute ganze Säcke mit“, erzählt Michel. „Da ist alles drin – von nützlichen Sachen bis zu einem Hochzeitskleid oder einem Kommunionsanzug aus den fünfziger Jahren.“ Viele Kleiderspenden sind wertvoll, doch es braucht Sorgfalt, um herauszufiltern, was wirklich gebraucht wird. Besonders Schlafsäcke, Isomatten und Rucksäcke sind gefragt – überlebenswichtige Dinge für Menschen auf der Straße. Die Ausgabe ist kostenlos und richtet sich an Bedürftige.

Wie viel diese Hilfe wert ist, weiß Svenja Güttich aus eigener Erfahrung. Sie war selbst obdachlos, lebte eine Zeitlang auf der Straße. Heute arbeitet sie regelmäßig in der Kleiderkammer mit. „Angefangen habe ich nur als Aushilfe. Aber ich habe gemerkt, wie wichtig diese Arbeit ist. Man weiß ja, wie es den Menschen geht, wenn man das selbst erlebt hat.“ Zweimal pro Woche sortiert und verteilt sie Kleidung. Sie kennt die Unterschiede zwischen den Bedürfnissen von Obdachlosen und denen von Menschen, die zwar in Armut leben, aber nicht auf der Straße. „Ein Obdachloser braucht Schlafsäcke und Isomatten, ein Hartz-IV-Empfänger eher warme Kleidung. Wir versuchen, gerecht zu sein.“ Für sie ist die Arbeit nicht nur ein Job, sondern auch eine Art Wiedergutmachung: „Es macht Spaß, und man hat das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.“

Die Schachtel ist eine Einrichtung ohne große Lobby. Sie lebt von Menschen wie Braun, Michel, Güttich – und von vielen Ehrenamtlichen, die Woche für Woche da sind. Sie lebt von Spenderinnen und Spendern, die finanzielle Mittel bereitstellen. Sie lebt von Koblenzern, die nicht wegsehen, sondern helfen. Zum 40-jährigen Bestehen zeigt sich, wie wichtig diese Einrichtung ist – und wie sehr sie auch weiterhin gebraucht wird.

Wolfgang Braun ist überzeugt, dass die Schachtel auch in Zukunft eine unverzichtbare Rolle spielt. Doch er weiß auch, dass dies kein Selbstläufer ist. „Wir müssen ständig um Unterstützung werben. Ohne Spenden, ohne Menschen, die mitmachen, geht es nicht.“ Gerade im Winter, wenn die Kälte die Not am sichtbarsten macht, wird die Arbeit der Schachtel für viele zur Lebensversicherung.

Vierzig Jahre Schachtel – das ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte, sondern auch ein Auftrag. Denn Armut und Obdachlosigkeit sind keine Randphänomene, sie gehören mitten in die Gesellschaft. Und die Frage, wie wir mit den Schwächsten umgehen, ist am Ende eine Frage, wie menschlich unsere Gesellschaft ist.

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Koblenz

Eiche an der Schlachthofstraße wird verschraubt

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Foto: Stadt Koblenz | Verena Groß
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KOBLENZ Zwei Gewindestangen halten künftig den Stamm einer markanten Eiche an der Schlachthofstraße zusammen. Vor zwei Wochen ist der rund 70 Jahre alte Baum an der Verzweigung seines Stamms in etwa zwei Metern Höhe aufgerissen – vermutlich durch Wind, Starkregen und den viele Eicheln tragenden Ästen.

Die Hänge-Stieleiche (botanisch: Quercus robur ‚Pendula‘) steht direkt an der Ecke Rauentalshöhe/Schlachthofstraße, unmittelbar neben der Fahrbahn. Um die Verkehrssicherheit weiterhin zu gewährleisten, sorgt nun eine sogenannte Verbolzung dafür, dass der Baum standsicher bleibt.

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Da die Gefahr bestand, dass der Baum weiter aufreißt oder sogar bricht, wurde er zunächst im unteren Bereich mit Seilen gesichert. Jetzt bohrten zwei Baumsanierer im Auftrag des Eigenbetriebs Grünflächen- und Bestattungswesen mit einem Spezialbohrer zwei lange Löcher durch den Stamm. Durch diese Löcher wurden verzinkte Gewindestangen mit einem Durchmesser von 24 Millimetern geschoben. So konnte der Stamm in Höhe des Risses mithilfe von großen Unterlegscheiben und Schrauben vorsichtig zusammengezogen werden.

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Wir rechnen damit, dass die Eiche dank dieser Sicherung noch über zehn Jahre weiter hier stehen kann“, sagte der Stadtbaummanager. Einen Baum in dieser Größe zu ersetzen, sei schwierig. Deshalb wird diesen Herbst in unmittelbarer Nähe eine Ungarische Eiche (Quercus frainetto) gepflanzt. Der neue Baum hat bereits einen Stammumfang von rund 80 Zentimetern und ist fast 40 Jahre alt. Diese Eichenart ist als besonders Trockenheits- und Hitzeresistent bekannt und relativ unempfindlich gegenüber vielen Eichenkrankheiten. Die ungarische Eiche gilt deshalb als Klimabaum.

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Blaulicht

Glasfaser-Ausbau im Chaos: Phoenix Engineering hinterlässt Millionen-Schäden und offene Fragen

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Foto: BEN Kurier
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RHEIN-LAHN Die Lage rund um die Phoenix Engineering GmbH bleibt auch nach der Anmeldung der Insolvenz angespannt. Während sich der vorläufige Insolvenzverwalter Dr. Jörg Gollnick bemüht, den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren, wächst die Verunsicherung bei Beschäftigten, Subunternehmern und Vermietern.

Auf Anfrage des BEN Kurier teilte der Insolvenzverwalter mit, erste Gespräche mit Geschäftspartnern seien vielversprechend verlaufen. Zudem seien Maßnahmen eingeleitet worden, um die Löhne und Gehälter der Beschäftigten bis einschließlich Oktober 2025 zu sichern. „Gesellschafter und Geschäftsführer wollen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Gesamtsanierung der Unternehmensgruppe ermöglichen“, erklärte Geschäftsführer Ilias Lekas.

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Antworten auf konkrete Fragen blieben jedoch aus. So ist unklar, ob bekannt war, dass das Büro in Köln nicht mehr besetzt ist und bereits seit November 2024 hohe Summen an Subunternehmer nicht ausgezahlt wurden.

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Dramatische Szenen in Koblenz

Noch vor wenigen Tagen eskalierte die Situation in der Servatiusstraße in Koblenz. Dort sollten rumänische Mitarbeiter auf Anweisung des Hausmeisters ihre Unterkunft räumen. Nur durch das Einschreiten der Partei Die Linke konnte die Räumung kurzfristig verhindert werden. Viele der betroffenen Gastarbeiter warten seit Wochen auf ihren Lohn. Ansprechpartner in Köln gibt es nicht mehr.

Laut Insolvenzverwalter sind rund 320 Beschäftigte von der Pleite betroffen. Die Geschäftsführung verweist auf gestiegene Zinsen, restriktive Kreditvergaben sowie langwierige Genehmigungsverfahren und verspätete Zertifizierungen als Ursachen für die Schieflage.

Banken sollen Gehälter vorstrecken

Den Mitarbeitern liegt inzwischen ein Schreiben vor, das sie bei ihrer Bank einreichen sollen. Darin wird vorgeschlagen, dass Banken die Gehälter vorfinanzieren, welche später von der Agentur für Arbeit erstattet werden. Ein gängiges Verfahren – doch für viele ausländische Beschäftigte mit Konten im Ausland oder geringen Deutschkenntnissen kaum praktikabel.

Auch die Wohnsituation bleibt angespannt. Ein Vermieter aus Koblenz berichtete dem BEN Kurier von Mietschulden der Phoenix Engineering in Höhe von mehr als 20.000 Euro. Er wolle die betroffenen Gastarbeiter nicht einfach auf die Straße setzen: „Das könnte ich aus moralischen Gründen nicht, die Menschen tun mir leid.“ Andere Vermieter reagieren weniger nachsichtig – zumal die Mietverträge ausschließlich mit der Phoenix Engineering bestehen und nicht direkt mit den Arbeitern.

Krise auch in Griechenland

Die Probleme beschränken sich nicht auf Deutschland. Auch die griechische Tochtergesellschaft Engineering bleibt Löhne schuldig. Wie die Zeitung Ekfrasi berichtete, erhielten Beschäftigte seit August kein Gehalt mehr. Am 11. September traten sie in den Streik. Schon seit Jahresbeginn häuften sich dort verspätete Zahlungen und Vertragsverstöße. Gewerkschaften fordern von der Unternehmensleitung einen klaren Plan zur Rückzahlung und zur Sicherung künftiger Gehaltszahlungen.

Systematische Hinhalte-Taktik

Bereits seit Herbst 2024 zeichneten sich massive Zahlungsschwierigkeiten ab. Mit Subunternehmern wurden zwar Zahlungspläne vereinbart, diese aber vielfach nicht eingehalten. Stattdessen drängte Phoenix Engineering die Firmen, weiterzuarbeiten – oftmals unter dem Versprechen, dass offene Rechnungen bald beglichen würden. Teilzahlungen dienten dabei lediglich dazu, die Unternehmen bei der Stange zu halten.

Das Ergebnis war ein Teufelskreis: Rückstände aus alten Vereinbarungen wuchsen weiter an, während neue Leistungen ebenfalls nicht oder nur teilweise bezahlt wurden. Subunternehmer sprechen von einem klaren System – Hinhalten mit Versprechungen, obwohl die Geschäftsführung längst gewusst haben müsse, dass sie die Verpflichtungen nicht erfüllen konnte.

Die Schäden belaufen sich nach Unterlagen, die dem BEN Kurier vorliegen, inzwischen auf rund drei Millionen Euro. Betroffen sind nicht nur Unternehmen aus dem Rhein-Lahn-Kreis, sondern auch zahlreiche Betriebe im Raum Kassel. Hauptauftraggeber der Phoenix Engineering soll bundesweit die „Unsere Grüne Glasfaser“ (UGG) gewesen sein.

Subunternehmer fühlen sich betrogen

Während die Staatsanwaltschaft Koblenz bislang keine Strafanzeigen registriert hat, liegen dem BEN Kurier bereits mehrere Anträge vor. Bei der Staatsanwaltschaft Köln ist ein Verfahren anhängig, weitere sollen folgen. Zahlreiche Firmen sehen sich getäuscht und sprechen offen von Betrug.

Für viele Subunternehmer bedeutet die Insolvenz das eigene wirtschaftliche Aus. Sie mussten ihre Mitarbeiter weiter bezahlen, ohne dass die vereinbarten Leistungen vergütet wurden. Ein Muster, das in der Branche nicht neu ist: Bereits 2024 endete die Insolvenz der KVI in Castrop-Rauxel in einem Millionenschaden für Subunternehmer.

Ein strukturelles Problem?

Der Fall Phoenix Engineering wirft erneut die Frage auf, ob es sich um ein strukturelles Problem im Glasfaserausbau handelt. Leidtragende sind nicht nur die Subunternehmer, sondern vor allem die Gastarbeiter, die auf deutschen Baustellen ihr Einkommen sichern wollten und nun ohne Lohn und oft ohne Unterkunft dastehen.

Für sie steht weit mehr auf dem Spiel als ein Auftrag oder ein Projekt. Sie haben an Deutschland geglaubt – und wurden bitter enttäuscht.

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