Politik
Keine Insolvenzwelle erwartet Herr Habeck? Betriebe im Rhein-Lahn-Kreis stehen vor großen Herausforderungen!

RHEIN-LAHN Längst hat die Bundespolitik auch den Rhein-Lahn-Kreis erreicht. Nach den schwierigen Corona-Jahren, nun die Ukraine Krise. Die Betriebe im Rhein-Lahn-Kreis haben sich nicht alle gleich von der Pandemie erholt. Viele ächzen noch immer unter den gravierenden Einnahmeverlusten und hofften auf eine mittelfristige Erholung und jetzt? Wir haben uns bei einigen Unternehmen im Rhein-Lahn-Kreis über die aktuelle Lage erkundigt und die Antworten waren erschreckend.
Ein Hotelier teilte uns mit, dass er im Winter wahrscheinlich den Betrieb schließen wird. „Die Energiekosten sind nicht mehr zu tragen„, spricht er traurig. „Für uns ist es wirtschaftlicher in der kalten Jahreszeit zu schließen. Die Räume zu heizen ist kaum möglich. Die aktuellen Gaspreise lassen keine andere Entscheidung zu. Wir müssten in der Winterzeit massiv die Übernachtungspreise erhöhen. Dieses würden die Kunden nicht mittragen.“ Erst vor wenigen Jahren hatte der Unternehmer, mit hohem finanziellen Aufwand, seine Gas-Heizungsanlage erneuert. Nicht nur der finanzielle Verlust ist gravierend sondern auch für die zahlreichen Mitarbeiter könnte es erneut den Weg in die Kurzarbeit bedeuten. Vom Corona-Regen in die Ukrainekrise-Traufe.
Schon in der Vergangenheit litten besonders die Gastronomie- und Veranstaltungsbranche. Ob alle Hoteliers erneut die Krise überleben werden ist fraglich. Die Veranstaltungsbranche steht ebenfalls vor großen Herausforderungen. In vielen Gemeinden werden die Hallen mit Gas beheizt. Festzelte nutzen ebenfalls diese fossile Energiequelle. Es bleibt abzuwarten, ob alle geplanten Veranstaltungen stattfinden werden oder ob es sogar Preisaufschläge für den Heizaufwand geben wird.
Noch härter trifft es die Bäckereibranche und zahlreiche weitere Handwerksbetriebe. Nach der bekannten Thilmann Brot Insolvenz, könnten auch Betriebe im Rhein-Lahn-Kreis einknicken. Einfach nur schließen Herr Wirtschaftsminister Habeck? Das ist eine Illusion. Die Bäckereien sind oftmals an langfristige Verträge und Verpflichtungen gebunden, die es zu erfüllen gilt. Eine Pleitewelle droht. Uns sind bereits mehrere Bäckereibetriebe im Rhein-Lahn-Kreis bekannt, die vor dem wirtschaftlichen Aus stehen. Sind Sie bereit, für ein Weizenbrötchen über einen Euro zu bezahlen oder für ein Brot 8,00 EUR und mehr? Natürlich nicht doch genau das ist teilweise nötig, damit das Unternehmen weiter wirtschaftlich arbeiten könnte.
Uns ist ein mittelständisches Unternehmen mit deutlich mehr als 150 Mitarbeitern bekannt, was ebenfalls massiv unter der Energiekrise leidet. „450.000 Euro haben wir jetzt an Mehrkosten für die Beheizung mit Gas und wir können es auch nicht drosseln„, teilt uns der Geschäftsführer mit. Zusätzlich stehen Tarifverhandlungen an. Die Gewerkschaften stellen sich 8 Prozent mehr Gehalt für die Beschäftigten vor. Gleichzeitig kann der Betrieb die Kosten nicht an die Kunden weitergeben. Diese wären kaum bereit den Aufschlag zu akzeptieren, teilt das Unternehmen mit.
Ein Riesendilemma. Auf der einen Seite die Unternehmen, die nicht mehr wissen wie Sie ihre Energierechnungen bezahlen sollen und andererseits die Mitarbeiter, welche immer höheren Lebenserhaltungskosten gegenüberstehen. Eine Inflationsratenspirale die kaum noch aufzuhalten ist. In den 70er Jahren gab es eine vergleichbare Situation. Einerseits die autofreien Sonntage durch die Ölkrise und andererseits die massiven Lohnerhöhungen und die dadurch resultierenden Preissteigerungen. Im Portemonnaie hatte am Ende keiner mehr. Im Gegenteil. Die Gehaltserhöhungen brachten kaum jemanden etwas und waren lediglich eine Momentaufnahme. Ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Während die Preise für fossile Energien seit Beginn der Ukraine Krise durch die Decke gingen schrieb der Geschäftsführer Wolfgang Kiene von Makawind in einem Kommentar: „Täglich dreht sich mir der Magen um. Nachrichten über Preise und speziell Strompreise- ich kann das nicht mehr hören. Warum? Weil die Politik nicht an die Wurzeln geht. Strom ist knapp und teuer. Das Letze stimmt so gar. Doch knapp? Unser Windpark in Fürstenau läuft nur noch wenig. Zumindest, wenn Wind weht. Nicht, weil die Maschinen defekt sind. Nicht etwa, weil das Netz knapp ist. Nein. Weil an der Börse gezockt wird. Wir als Windkraftbetreiber sind an diese Börse gezwungen worden. Vom Gesetzgeber. Jetzt heißt es, wir bekommen zu viel für unseren Strom. Für den Monat August 2022 gab es rund 46 Cent für unsere Produktion an der Börse. Dafür muss man sich schämen. Das darf man niemanden erzählen. Aber wir können nichts dafür. Wir müssen an die Börse. Wenn der Strom wenigstens knapp wäre und wir liefern auf Angebot und Nachfrage für diesen Preis. Nein. Aktuell: Heute ist Samstag, 17. September 2022. Unser Park könnte pro Stunde rund 8000 KWh produzieren. Er ist aber abgeregelt. Abgeregelt, weil an der Börse wieder spekuliert wird. Jetzt sollte uns das gar nicht stören. Wir bekommen nämlich den abgeregelten ,,Strom” voll vergütet. Zahlt ja der Kunde. Dem wird erzählt, der Strom sei knapp und er müsse sparen. In Wahrheit zahlt er den abgeschalteten und den dadurch verknappten Strom und weiß nicht, wie er das stemmen soll. Pervers. Sorry. Hunderttausende Kilowattstunden sind so schon bei uns nicht produziert worden. Weil die Politik das gar nicht auf dem Schirm hat. AKWs einschalten, weil der Strom knapp ist. Kohle wieder verbrennen, weil der Strom knapp ist und auch ordentlich noch Gas in die Kraftwerke, weil der Strom knapp ist. Und Windparks ausstellen- damit der Strom knapp bleibt. Lieber Stromkunde: Sie werden verarscht und wir auch. Ich möchte gern den nächsten Bäcker mit bezahlbarem Strom beliefern, die nächste Siedlung oder die nächste Fabrik. Ich darf es nicht. Weil die Großen das Geschäft machen, für sich und nicht für die Allgemeinheit. Und die Politik spielt mal wieder mit.„
Windenergielieferanten dürfen nicht liefern? Auch das wahrscheinlich nur ein Teil der Wahrheit oder auch nicht. Richtig ist aber, dass der Staat rumeiert und nicht alle Unternehmen gleich behandelt. Der bekannte Toilettenpapierlieferant Hakle meldete Insolvenz an. Grund wären fehlenden Zahlungen des Staates durch das Energiekostendämpfungsprogramm gewesen. Zahlreiche Unternehmen hätten ein Anspruch auf das Programm. Je nach Förderstufe, sollen angeblich 30 bis 70 Prozent der Kosten übernommen werden doch die Saldierungen laufen schleppend. So manche Firma wird die Auszahlung nicht mehr erleben und Insolvenz anmelden müssen.
Große Verunsicherung herrscht bei den Endverbrauchern. Erst hieß es Gasumlage, dann doch wieder nicht und jetzt eventuell einen Gaspreisdeckel. Nicht zu vergessen die 300 Euro Energiebonus für viele, aber nicht alle Menschen. Und dann noch Atomenergie zur Reserve, hier ein wenig Braunkohle und einen gekoppelten Gaspreis an den Ölindex an der Börse. Herrlich. Am Ende der Energiesicherheit steht im Mix immer die teuerste und unwirtschaftlichste Kraftwerkslösung. Somit das Gas. Die Zeche zahlen die Endverbraucher und die Unternehmer.
Souveränität strahlt die Bundesregierung in der Krise nicht aus. Natürlich gibt es keine Blaupause für ein solch verheerendes Weltgeschehen und dennoch schaffen es Nachbarländer durchweg besser die Herausforderungen zu meistern.
Die Menschen im Rhein-Lahn-Kreis und im gesamten Land haben Angst. Mit 300 EUR Energiezuschuss werden sie nicht durch den Winter kommen. Auch geplante Steuererleichterungen sind kein probates Mittel um kurzfristig Abhilfe zu schaffen. Bei vielen Bürgern sind die Gas- oder Ölspeicher leer. Trotz sinkender Rohölpreise geben die Mineralöllieferanten die Preise nur schleppend weiter. Noch tragen die Menschen es mit, doch wie lange noch? Alternativen? Mangelware. Obwohl z.B. der Preis für Bauholz auf dem niedrigsten Stand seit 2020 ist, steigen die Preise für Brennholz oder Pellets ins Unermessliche. Lange Zeit verwehrte sich der Verband gegen Vorwürfe, sich unangemessen zu bereichern, doch genau diesen Zurechtweisungen müssen sie sich mittlerweile stellen. Die Rechtfertigung zu den Mehrkosten anhand gestiegener Lieferkosten etc. lassen sich nicht mehr halten, da die Verkaufspreise überproportional und nicht linear gestiegen sind. Die Nachfrage und Panikkäufe regeln den Preis.
Die Winterzeit wird zeigen ob die Bundesregierung ihre Hausaufgaben erledigt hat. Sie hat Mittel in der Hand um den Markt zu regulieren. Ein europäischer Schritt wäre die einheitliche Übergewinnsteuer aber auch diese ist wieder vom Tisch. Deutschland hat mit die teuersten Energiepreise auf der Welt. Im Schnitt kostet die Energie 174% mehr als im Rest der Welt aber die Menschen in der BRD verdienen nicht 174 Prozent mehr.
Mittlerweile bereitet sich die Polizei in NRW, Berlin und anderen Bundesländern auf einen möglichen Strom-Black Out in Deutschland vor. Wie kann das sein? Atom Meiler werden als Reserve Kraftwerke genutzt, Stromausfälle und Insolvenzen drohen durch explodierte Energiepreise und der Staat findet keine Lösung? In Frankreich reduzierte eine Tankstellenkette auf eigene Kosten massiv die Preise. Lange Schlangen bildeten sich vor den Zapfsäulen. Gleichzeitig griff der Nachbarstaat in die Preisstruktur mildernd ein. Aktuell kostet dort der Liter Super E10 1,55 EUR. Für Deutsche im Grenzgebiert ein Schlaraffenland.
Frieren die Menschen oder müssen sie sich überschulden, kann es in Deutschland zu sozialen Unruhen kommen. Dieses befürchtet der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der Universität Dresden in einem Interview mit der Zeitung Welt. „Es gibt in der Bevölkerung Misstrauen darüber, ob die Politik wirklich weiß, was sie tut.“ Patzelt befürchtet, dass es in der deutschen Bevölkerung zu Unruhen kommen wird: „Es gibt eine innere Kündigung gegenüber der politischen Klasse.„
Ukraine ist weit weg? Schon lange nicht mehr. Deutschland befindet sich in der globalen Welt am Rande und Beginn einer drohenden Rezession im kommenden Jahr. Das politische Krisenmanagement im Winter wird entscheidend sein, wieweit die Lämmer dem Hirten noch folgen werden, oder ob sie das Gefühl vermittelt bekommen, sich auf die Schlachtbank begeben zu müssen.
*Wir haben bewusst die Unternehmen im Rhein-Lahn-Kreis in Absprache namentlich nicht genannt!
Politik
Bürgermeister Weiland fordert barrierefreie Bahnhöfe in der Loreley

ST. GOARSHAUSEN Nachdem jetzt im Verbandsgemeinderat Loreley von einen Bahnvertreter das Projekt der Deutschen Bahn InfraGo „Hochleistungskorridor Rechter Rhein 2026“ vorgestellt wurde, hat sich Mike Weiland, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Loreley, an die rheinland-pfälzische Staatsministerin Katrin Eder gewandt, die sich für den Schienenpersonennahverkehr zuständig zeichnet.
„Mit diesem weiteren Versuch an einer verantwortlichen Stelle anzuklopfen, möchte ich um Engagement dafür werben, dass im Zuge des Hochleistungskorridors 2026 die Bahnstationen nicht nur saniert, sondern auch barrierefrei gestaltet werden“, so Mike Weilands Intension. Während der Vorstellung im Rat entwickelte sich nicht nur eine intensive Diskussion über den zu erwartenden flüssigeren und damit höheren Zugdurchfluss durchs Mittelrheintal sowie zu wenig Lärmschutz für die Anwohner, sondern vor allem auch darüber, dass die Bahnverkehrsstationen im Rahmen dieses Bundesprojektes nicht barrierefrei gestaltet werden sollen, weil sich die Bahn darauf beruft, dass sämtliche Stationen keine 1.000 Ein- bzw. Ausstiege an Fahrgästen vorweisen können.
Weiland: Barrierefreiheit der Bahnverkehrsstationen im Rahmen des Hochleistungskorridors 2026 muss geschaffen werden
Mike Weiland schreibt daher jetzt an die Ministerin, dass bei diesem Bundesprojekt Millionen von Euro investiert würden. An der Barrierefreiheit werde jedoch gespart bzw. diese werde einfach nicht umgesetzt. Gerade bei Bundesprojekten gibt es einen Leitfaden Barrierefreies Bauen zu beachten. Der Bürgermeister fragt daher jetzt die Ministerin, weshalb sich bei dem Bundesprojekt Hochleistungskorridor die Bahn über die Barrierefreiheit einfach so hinwegsetzen kann.
„Bei jeder noch so kleinen kommunalen Maßnahme, für die die Gemeinden und Städte Förderungen beantragen, ist Barrierefreiheit zu beachten, ansonsten haben solche Anträge keine Aussicht auf Erfolg“, so Mike Weiland. Daher können und wollen die Mitglieder der politischen Gremien dieses Vorgehen beim Hochleistungskorridor nicht nachvollziehen und akzeptieren.
Mike Weiland hat daher Ministerin Eder nicht nur um eine Erläuterung sondern vielmehr noch um entsprechendes Engagement gebeten, sich im Sinne der Barrierefreiheit bei der Umgestaltung der Bahnverkehrsstationen im Zuge des Hochleistungskorridors 2026 einzusetzen. „Dafür wäre ich der Ministerin im Sinne derjenigen Mitmenschen, die darauf angewiesen sind, sehr dankbar“, so Weiland und er schließt damit ab, dass es bei einem solch millionenschweren Bundesprojekt auch im Hinblick auf die BUGA29 nicht sein könne, die Herstellung der Barrierefreiheit auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben oder gar die Hoffnung zu hegen, dass später Kommunen diese kostspielige Aufgabe übernehmen.
Das Schreiben an die Ministerin hat der Bürgermeister auch gleichzeitig an die Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen geschickt, um auch von ihr eine Einschätzung zu erhalten.
Politik
Verzerrte Wahlergebnisse: Güllering fordert – Briefwahl muss mit in Wahllokalen ausgezählt werden

NASTÄTTEN Nach der Bundestagswahl wendet sich der Nastätter Verbandsbürgermeister Jens Güllering mit einem dringenden Anliegen an den Landeswahlleiter Marcel Hürther. Bereits 2017 hatte Güllering die Problematik der zentralen Briefwahlauszählung angesprochen – geändert hat sich seitdem nichts. Angesichts eines steigenden Anteils an Briefwählern wächst jedoch die Dringlichkeit des Problems. In einem Schreiben an den Landeswahlleiter fordert er eine Anpassung der Vorschriften.
„Da die Wahlergebnisse der Briefwahl nicht den einzelnen Stimmbezirken zugeordnet werden, führt diese zentrale Stimmenauszählung zu einer schlicht und ergreifend falschen Ergebnisdarstellung“, kritisiert Güllering. Gerade in kleineren Gemeinden sei das Interesse der Bürger groß, zu wissen, wie vor Ort abgestimmt wurde. „Die Menschen interessieren sich für ‚ihr‘ Ergebnis und möchten sich damit auseinandersetzen“, so der Bürgermeister.
Bei der diesjährigen Bundestagswahl lag der Briefwähleranteil in der Verbandsgemeinde Nastätten bei 40,5 %. Güllering sieht hier eine massive Verzerrung der Wahlergebnisse auf lokaler Ebene: „Die Veröffentlichung von falschen Ergebnissen – verstärkt durch entsprechende Grafiken – wirft ein Bild auf bestimmte Gemeinden, das nicht das tatsächliche Stimmverhalten widerspiegelt.“ Dies könne nicht nur zu Nachfragen, sondern sogar zu verbaler Kritik und Anfeindungen führen, betont er. Besonders die Schnelllebigkeit sozialer Netzwerke verstärke dieses Problem noch zusätzlich.
Die Lösung sieht Güllering in der Auszählung der Briefwahlunterlagen direkt in den Wahllokalen. „Dies wäre aus meiner Sicht unproblematisch möglich und in der Abwägung zwischen gewollter Entlastung der Wahlhelfer und einer korrekten Ergebnisdarstellung unbedingt den Vorzug zu geben.“ Zudem ließen sich dadurch landesweit hunderte Wahlhelfer einsparen oder anderweitig einsetzen, so der Bürgermeister weiter. In der Verbandsgemeinde Nastätten mussten 40 Verwaltungsmitarbeiter für die Briefwahlauszählung abgestellt werden, im gesamten Wahlkreis Montabaur waren es 67 Briefwahlvorstände.
Ein weiteres Problem sieht Güllering in den amtlichen Veröffentlichungen: Auch auf der offiziellen Wahlseite des Landes Rheinland-Pfalz würden falsche Ergebnisse auf Gemeindeebene dargestellt – mit entsprechendem Einfluss auf die Presseberichterstattung. „Nicht selten kommt es dadurch zu unverschuldeten Fehlinterpretationen“, mahnt er. Eine Anpassung der Vorschriften sei daher dringend erforderlich.
Neben dem Schreiben an den Landeswahlleiter hat Güllering auch den Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz sowie die örtlichen Wahlkreisabgeordneten informiert und um Unterstützung gebeten. Das Anliegen wurde zudem an die Bundeswahlleiterin weitergeleitet. Ob die Politik auf diese Forderungen reagiert, bleibt abzuwarten.
Koblenz
Koblenz: Muslime positionieren sich für Deutschland und gegen Extremismus

KOBLENZ Mehr als 400.000 Afghanen leben in Deutschland. Nach den schrecklichen islamistisch motivierten Terroranschlägen von Mannheim und München stehen sie zunehmend unter Generalverdacht. Dabei entspricht der Anteil der Täter an der Gesamtzahl der hier lebenden Afghanen lediglich 0,0005 Prozent. Ähnlich ergeht es derzeit syrischen Flüchtlingen.
Generalverdacht statt individueller Verantwortung
Nach dem Attentat auf einen Polizisten in Mannheim sind auch Syrer verstärkt ins Visier geraten. Ende 2023 lebten rund 700.000 syrische Flüchtlinge in Deutschland, von denen mehr als 200.000 bereits die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Doch trotz ihrer Verurteilung der Anschläge sehen sich viele von ihnen Misstrauen und Fremdenhass ausgesetzt.
Insbesondere nach islamistischen Angriffen ist der öffentliche Aufschrei groß. Rechte Politiker nutzen solche Ereignisse, um pauschale Forderungen nach Abschiebungen zu stellen – oft unabhängig davon, ob die Betroffenen in irgendeiner Weise mit den Taten in Verbindung stehen. Anstatt Einzelfälle differenziert zu betrachten, wird eine ganze Bevölkerungsgruppe stigmatisiert. Der Schutzstatus der Betroffenen wird dabei ausgeblendet, und so sind sie oft der Angst und dem Hass der deutschen Bevölkerung schutzlos ausgeliefert.
Diese Entwicklung ist besorgniserregend, denn während das Gesetz Kollektivstrafen verbietet, zeigt sich in der gesellschaftlichen Debatte genau das Gegenteil. Es gibt eine Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“ Flüchtlingen: Während Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine weitgehend unbürokratisch eine Aufenthaltserlaubnis und damit Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, müssen Afghanen und Syrer monatelange Asylverfahren durchlaufen. Ihre Arbeitsaufnahme unterliegt strengen behördlichen Genehmigungen, und oft bleibt ihnen nur der Weg in Flüchtlingsunterkünfte, während für Ukrainer der Wohnungsmarkt weit offener ist. Diese Ungleichbehandlung führt zu Perspektivlosigkeit und Frustration.
Mit jeder neuen Tat wächst das Misstrauen gegenüber Schutzsuchenden, obwohl sie selbst oft die ersten sind, die solche Verbrechen verurteilen. Dennoch erfahren sie kaum Solidarität, sondern vielmehr Ausgrenzung. Die Debatte wird zusätzlich durch populistische Forderungen nach präventiver Abschiebung von Straftätern befeuert. Natürlich muss gegen Intensivtäter konsequent vorgegangen werden, doch nicht immer ist das rechtlich oder diplomatisch möglich. Afghanistan etwa verweigert die Rücknahme seiner Staatsbürger, da es keine offiziellen Beziehungen zu Deutschland unterhält.
Rechtsextremismus als unterschätzte Gefahr
Wichtig ist, den Schutz jener Menschen nicht aus den Augen zu verlieren, die sich integrieren wollen und nicht unter Generalverdacht gestellt werden dürfen. Die Gesellschaft muss sich fragen, was sie bereit ist, auszuhalten und wie sie mit Angst umgeht. Eine Zweiklassengesellschaft unter Flüchtlingen ist nicht der richtige Weg – es braucht gleiche Perspektiven für alle.
Ein starkes Zeichen gegen diese Spaltung setzten Muslime in Koblenz, die sich öffentlich für Deutschland und gegen Gewalt aussprachen. Solche Aktionen sind selten und zeigen, dass sich hier etwas im gesellschaftlichen Empfinden verschiebt. Täter müssen als Individuen betrachtet werden – eine kollektive Vorverurteilung macht Opfer zu Tätern und wird von rechten Parteien für eigene Zwecke instrumentalisiert.
Dabei wird oft übersehen, dass rechtsextremistisch motivierte Straftaten in Deutschland stark zugenommen haben. Laut Verfassungsschutz stieg die Zahl solcher Taten von 2022 auf 2023 um 22,4 Prozent, gewalttätige Übergriffe nahmen um 16,4 Prozent zu. Das rechtsextreme Personenpotenzial wuchs von 32.000 im Jahr 2019 auf 40.600 im Jahr 2024, darunter 13.500 gewaltbereite Extremisten. Insgesamt wurden 2023 mehr als 25.660 rechtsextremistische Straftaten registriert – durchschnittlich 70 pro Tag.
Demgegenüber ist das islamistische Personenpotenzial seit 2019 auf 27.200 gesunken. Dennoch bleiben islamistische Anschläge aufgrund ihrer oft hohen Opferzahlen tief im kollektiven Bewusstsein verankert. Während rechtsextreme Gewalt häufig aus Körperverletzungen und Angriffen besteht, führen islamistische Taten oft zu schwerwiegenden Verbrechen mit vielen Opfern. Genau diese Dimension prägt die Wahrnehmung und verstärkt Ängste.
Am Ende wird nicht mehr auf den Einzeltäter geschaut. Die Gesellschaft verharrt in Angst und verurteilt pauschal ganze Bevölkerungsgruppen. Doch ist das gerecht? Während rechtsextreme Straftaten 0,03 Prozent der Gesamtbevölkerung betreffen, liegt die Zahl islamistischer Taten bei Afghanen bei nur 0,0005 Prozent.
Gleichzeitig nutzen Rechtsextreme soziale Medien geschickt zur Mobilisierung und erhalten eine beunruhigend große Lobby. Doch am Ende gilt: Nicht derjenige, der am lautesten schreit, hat automatisch recht – sondern der, der mit Vernunft reagiert und über seine Angst hinauswächst.
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