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Politik

Gleichwertige Lebensverhältnisse: 200 Millionen Förderung vom Land soll Regionen stärken

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Innenminister Michael Ebling, Ministerpräsident Alexander Schweitzer, Klimaschutzministerin Katrin Eder und Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt stellen das neue Regionale Zukunftsprogramm vor. | Foto: Staatskanzlei RLP | Sämmer
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MAINZ/RHEIN-LAHN Die Landesregierung hat ihr neues Regionales Zukunftsprogramm „regional.zukunft.nachhaltig“ vorgestellt, das die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse weiter ausbauen soll. Ministerpräsident Alexander Schweitzer hatte das neue Programm Mitte September im Rahmen seiner ersten Regierungserklärung angekündigt.

Im Rhein-Lahn-Kreis wurden die Verbandsgemeinden Loreley (2,5 Mio.) , Bad Ems-Nassau (4,5 Mio.) , Aar-Einrich (2,9 Mio.)  und Nastätten (2,6 Mio.) berücksichtigt. Diez und Lahnstein gehen leer aus.

200 Millionen Euro sollen Kommunen mit besonderen Herausforderungen zur Verfügung stehen, um mit gezielten Investitionen nachhaltige Wachstumsimpulse zu setzen. „Unsere Regionen im Land haben ihre eigenen Prägungen. Pfalz ist nicht gleich Eifel und Westerwald ist nicht gleich Hunsrück. Diese Vielfalt macht Heimat aus, mit ihren Stärken und Chancen, aber auch unterschiedlichen strukturellen Rahmenbedingungen. Das neue Regionale Zukunftsprogramm soll gezielt dort unterstützen, wo die wirtschaftliche Lage oder die demografische Entwicklung schwieriger sind als in anderen Teilen des Landes“, so Ministerpräsident Alexander Schweitzer.

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Während eine Förderung aller Kommunen lediglich den Ist-Zustand festigen würde, soll die neue Förderung genau da ansetzen, wo es schwieriger ist Potentiale zu nutzen. Im Rahmen der vielfältigen Maßnahmen könnten die Kommunen beispielsweise für Kindertagesstätten und Schulen in neue Spielanlagen oder neue Bewegungs- und Lernräumen investieren oder mit neuer Ausstattung und Technik ihre Dorfgemeinschaftshäuser aufwerten und neue Angebote möglich machen. „Mit dem Programm nähern wir die Lebensverhältnisse einander an und wahren die regionale Identität. Deshalb können auch die geförderten Maßnahmen sehr unterschiedlich sein. Das einzige, was für alle gilt, ist das schlanke Antragsverfahren“, so Schweitzer. Herzstück des Programms sei ein Maßnahmenkatalog, der den Kommunen – vergleichbar zum Vorgehen beim Kommunalen Investitionsprogramm Klimaschutz und Innovation (KIPKI) – eine Orientierung darüber gebe, welche Maßnahmen dem Förderzweck entsprechen. Hierfür stehen regionale Budgets zur Verfügung, deren Höhe von der Einwohnerzahl abhängig ist.

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Antragsberechtigt sind 62 Verbandsgemeinden, eine verbandsfreie Gemeinde und eine kreisfreie Stadt sowie fünf Landkreise, deren Kreisgebiet komplett in der Förderkulisse liegt. Die Entscheidung über die Förderkulisse wurde mittels Strukturindex des Statistischen Landesamtes festgelegt, der die strukturellen Chancen und Herausforderungen im Land vergleicht. Eingeflossen sind beispielsweise Kriterien wie wirtschaftliche Lage oder demografische Entwicklung. Neu ist: Auch die Unterschiede innerhalb der Landkreise wurden mitberücksichtigt. Jede einzelne Verbandsgemeinde wurde einzeln betrachtet.

Unsere Kommunen haben eine Schlüsselrolle inne, wenn es um die Gestaltung der Zukunft geht. Unser Zukunftsprogramm soll sich von Anfang an daran messen lassen, dass die Anträge einfach bleiben. Bewilligung und Auszahlung der Förderbudgets sollen schon 2025 erfolgen. Das entlastet die Kommunen auch von Vor- oder Zwischenfinanzierungen und zur Antragstellung genügen bereits eine grobe Kostenschätzung sowie eine kurze Projektbeschreibung. Ein schlankes Verfahren unterstützt die großen Entscheidungsspielräume, die die Kommunen in diesem Zukunftsprogramm haben“, sagte Innenminister Michael Ebling.

Das Programm ist bewusst ressortübergreifend ausgelegt. Neben der wirtschaftlichen Entwicklung soll es auch eine nachhaltige und klimagerechte Infrastruktur, die Versorgung sowie den sozialen Zusammenhalt in den Blick nehmen. Die zur Verfügung stehenden Mittel bilden zur Hälfe der Haushalt des Innenministeriums sowie jeweils zu einem Viertel die Haushalte des Wirtschafts- und des Klimaschutzministeriums ab.

Klimaschutzministerin Katrin Eder betont: „Die Maßnahmen des Regionalen Zukunftsprogramms stärken die strukturelle Entwicklung der Kommunen: Sie steigern die Lebensqualität, machen Orte attraktiver und schützen sie vor den Auswirkungen der Erderhitzung, wie etwa Starkregen. Im Bereich des Klimaschutzes und der Klimawandelfolgenanpassung zielen die Angebote darauf ab, nicht nur Investitionskosten, sondern auch Kosten für die Kommunen in Zukunft zu sparen. Wer etwa in die Dämmung von Gebäuden investiert, spart sich Heizkosten. Wer den Strom vom eigenen Dach speichert, muss ihn nicht von einem Energieversorger beziehen. Und wer auf den Schutz vor den Folgen von Extremwetter wie Starkregen setzt, hat weniger Ausgaben für die Schadensbehebung. Aber auch mehr Grün, etwa auf Dächern und Fassaden, fördert nicht nur den Klimaschutz, sondern steigert auch die Attraktivität von Orten. In puncto Mobilität bietet wir den Kommunen einige Maßnahmen zum Infrastruktur-Ausbau für öffentliche Verkehrsmittel. Etwa Rad- und Fußwegbrücken bei Bahnhöfen. Da die Ernährung ein wichtiger Baustein unserer Gesundheit und unseres Wohlbefindens ist, können die Kommunen auch Gelder für Gemeinschaftsküchen sowie für die Errichtung von Lerngärten, Kräuter-, Hoch- und Gemüsebeeten einsetzen.“

Mit unserem Regionalen Zukunftsprogramm „regional.zukunft.nachhaltig“ wollen wir mehr Prosperität in jene ländlichen Regionen bringen, die etwas mehr Unterstützung benötigen“, erklärte Daniela Schmitt, Ministerin für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau. „Das erreichen wir über ein vielfältiges Angebot an Projektförderungen wie beispielsweise von regionalen Märkten, Dorfläden oder Pop-Up-Stores in Leerständen, gerade um die Ortskerne zu beleben. Aber auch der Ausbau von Industrie- und Gewerbegebieten sowie die Anlage von Lkw-Parkplätzen stärken die Wirtschaft in den Regionen. Über Mobilitätshubs und die Förderung von Beleuchtung, E-Ladesäulen, Radabstellanlagen beispielsweise an Mitfahrer­parkplätzen sowie in den Ortschaften erweitern wir das Mobilitätsangebot vor Ort. Zudem können touristische Angebote, gerade auch solche im agrartouristischen Bereich wie Picknick- oder Aussichtsplätze, Wingertshäuschen aber auch Wanderwege oder barrierefreie touristische Wegekonzepte gefördert werden. Zudem gehören Waschplätze für landwirtschaftliche Pflanzenschutzgeräte oder mobile Lebensmittelangebote zu den förderfähigen Projekten. Mit all diesen Maßnahmen stärken wir die Wirtschaftskraft und die Lebensqualität der Regionen und investieren in Wachstumsimpulse und die Prosperität unserer Regionen! Damit werden unsere ländlichen Regionen attraktiver für Unternehmensansiedlungen, für Zuziehende und somit Fachkräfte, für Touristen und selbstverständlich für die Bürgerinnen und Bürger selbst“, so Ministerin Schmitt.

Foto: Staatskanzlei RLP

Das Regionale Zukunftsprogramm zeige auch, wie ernst es der Landesregierung mit der Entbürokratisierung ist, so Ministerpräsident Alexander Schweitzer, Innenminister Michael Ebling, Umweltministerin Katrin Eder und Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt. Abweichungen von der Landeshaushaltsordnung sollen es beispielsweise möglich machen, dass die Fördermittel vollständig ausgezahlt werden, sobald es einen Zuwendungsbescheid gibt. Das Antragsverfahren soll ebenfalls vereinfacht werden, so genügen Eigenerklärungen statt Wirtschaftlichkeits- und baufachlicher Prüfung. Die antragsberechtigten Kommunen sollen Ihre Ideen ab dem Frühjahr einreichen können. Der konkrete Start ist vom parlamentarischen Verfahren abhängig. „Wir freuen uns auf viele Anträge und gute und schnelle Impulse für unsere Regionen.“ (pm)

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Politik

Bürgermeister Weiland fordert barrierefreie Bahnhöfe in der Loreley

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Foto: VG Loreley | Mike Weiland
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ST. GOARSHAUSEN Nachdem jetzt im Verbandsgemeinderat Loreley von einen Bahnvertreter das Projekt der Deutschen Bahn InfraGo „Hochleistungskorridor Rechter Rhein 2026“ vorgestellt wurde, hat sich Mike Weiland, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Loreley, an die rheinland-pfälzische Staatsministerin Katrin Eder gewandt, die sich für den Schienenpersonennahverkehr zuständig zeichnet.

„Mit diesem weiteren Versuch an einer verantwortlichen Stelle anzuklopfen, möchte ich um Engagement dafür werben, dass im Zuge des Hochleistungskorridors 2026 die Bahnstationen nicht nur saniert, sondern auch barrierefrei gestaltet werden“, so Mike Weilands Intension. Während der Vorstellung im Rat entwickelte sich nicht nur eine intensive Diskussion über den zu erwartenden flüssigeren und damit höheren Zugdurchfluss durchs Mittelrheintal sowie zu wenig Lärmschutz für die Anwohner, sondern vor allem auch darüber, dass die Bahnverkehrsstationen im Rahmen dieses Bundesprojektes nicht barrierefrei gestaltet werden sollen, weil sich die Bahn darauf beruft, dass sämtliche Stationen keine 1.000 Ein- bzw. Ausstiege an Fahrgästen vorweisen können.

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Weiland: Barrierefreiheit der Bahnverkehrsstationen im Rahmen des Hochleistungskorridors 2026 muss geschaffen werden

Mike Weiland schreibt daher jetzt an die Ministerin, dass bei diesem Bundesprojekt Millionen von Euro investiert würden. An der Barrierefreiheit werde jedoch gespart bzw. diese werde einfach nicht umgesetzt. Gerade bei Bundesprojekten gibt es einen Leitfaden Barrierefreies Bauen zu beachten. Der Bürgermeister fragt daher jetzt die Ministerin, weshalb sich bei dem Bundesprojekt Hochleistungskorridor die Bahn über die Barrierefreiheit einfach so hinwegsetzen kann.

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„Bei jeder noch so kleinen kommunalen Maßnahme, für die die Gemeinden und Städte Förderungen beantragen, ist Barrierefreiheit zu beachten, ansonsten haben solche Anträge keine Aussicht auf Erfolg“, so Mike Weiland. Daher können und wollen die Mitglieder der politischen Gremien dieses Vorgehen beim Hochleistungskorridor nicht nachvollziehen und akzeptieren.

Mike Weiland hat daher Ministerin Eder nicht nur um eine Erläuterung sondern vielmehr noch um entsprechendes Engagement gebeten, sich im Sinne der Barrierefreiheit bei der Umgestaltung der Bahnverkehrsstationen im Zuge des Hochleistungskorridors 2026 einzusetzen. „Dafür wäre ich der Ministerin im Sinne derjenigen Mitmenschen, die darauf angewiesen sind, sehr dankbar“, so Weiland und er schließt damit ab, dass es bei einem solch millionenschweren Bundesprojekt auch im Hinblick auf die BUGA29 nicht sein könne, die Herstellung der Barrierefreiheit auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben oder gar die Hoffnung zu hegen, dass später Kommunen diese kostspielige Aufgabe übernehmen.

Das Schreiben an die Ministerin hat der Bürgermeister auch gleichzeitig an die Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen geschickt, um auch von ihr eine Einschätzung zu erhalten.

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Politik

Verzerrte Wahlergebnisse: Güllering fordert – Briefwahl muss mit in Wahllokalen ausgezählt werden

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Foto: BEN Kurier | Lizenz: Envato
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NASTÄTTEN Nach der Bundestagswahl wendet sich der Nastätter Verbandsbürgermeister Jens Güllering mit einem dringenden Anliegen an den Landeswahlleiter Marcel Hürther. Bereits 2017 hatte Güllering die Problematik der zentralen Briefwahlauszählung angesprochen – geändert hat sich seitdem nichts. Angesichts eines steigenden Anteils an Briefwählern wächst jedoch die Dringlichkeit des Problems. In einem Schreiben an den Landeswahlleiter fordert er eine Anpassung der Vorschriften.

„Da die Wahlergebnisse der Briefwahl nicht den einzelnen Stimmbezirken zugeordnet werden, führt diese zentrale Stimmenauszählung zu einer schlicht und ergreifend falschen Ergebnisdarstellung“, kritisiert Güllering. Gerade in kleineren Gemeinden sei das Interesse der Bürger groß, zu wissen, wie vor Ort abgestimmt wurde. „Die Menschen interessieren sich für ‚ihr‘ Ergebnis und möchten sich damit auseinandersetzen“, so der Bürgermeister.

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Bei der diesjährigen Bundestagswahl lag der Briefwähleranteil in der Verbandsgemeinde Nastätten bei 40,5 %. Güllering sieht hier eine massive Verzerrung der Wahlergebnisse auf lokaler Ebene: „Die Veröffentlichung von falschen Ergebnissen – verstärkt durch entsprechende Grafiken – wirft ein Bild auf bestimmte Gemeinden, das nicht das tatsächliche Stimmverhalten widerspiegelt.“ Dies könne nicht nur zu Nachfragen, sondern sogar zu verbaler Kritik und Anfeindungen führen, betont er. Besonders die Schnelllebigkeit sozialer Netzwerke verstärke dieses Problem noch zusätzlich.

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Die Lösung sieht Güllering in der Auszählung der Briefwahlunterlagen direkt in den Wahllokalen. „Dies wäre aus meiner Sicht unproblematisch möglich und in der Abwägung zwischen gewollter Entlastung der Wahlhelfer und einer korrekten Ergebnisdarstellung unbedingt den Vorzug zu geben.“ Zudem ließen sich dadurch landesweit hunderte Wahlhelfer einsparen oder anderweitig einsetzen, so der Bürgermeister weiter. In der Verbandsgemeinde Nastätten mussten 40 Verwaltungsmitarbeiter für die Briefwahlauszählung abgestellt werden, im gesamten Wahlkreis Montabaur waren es 67 Briefwahlvorstände.

Ein weiteres Problem sieht Güllering in den amtlichen Veröffentlichungen: Auch auf der offiziellen Wahlseite des Landes Rheinland-Pfalz würden falsche Ergebnisse auf Gemeindeebene dargestellt – mit entsprechendem Einfluss auf die Presseberichterstattung. „Nicht selten kommt es dadurch zu unverschuldeten Fehlinterpretationen“, mahnt er. Eine Anpassung der Vorschriften sei daher dringend erforderlich.

Neben dem Schreiben an den Landeswahlleiter hat Güllering auch den Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz sowie die örtlichen Wahlkreisabgeordneten informiert und um Unterstützung gebeten. Das Anliegen wurde zudem an die Bundeswahlleiterin weitergeleitet. Ob die Politik auf diese Forderungen reagiert, bleibt abzuwarten.

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Koblenz

Koblenz: Muslime positionieren sich für Deutschland und gegen Extremismus

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KOBLENZ Mehr als 400.000 Afghanen leben in Deutschland. Nach den schrecklichen islamistisch motivierten Terroranschlägen von Mannheim und München stehen sie zunehmend unter Generalverdacht. Dabei entspricht der Anteil der Täter an der Gesamtzahl der hier lebenden Afghanen lediglich 0,0005 Prozent. Ähnlich ergeht es derzeit syrischen Flüchtlingen.

Generalverdacht statt individueller Verantwortung

Nach dem Attentat auf einen Polizisten in Mannheim sind auch Syrer verstärkt ins Visier geraten. Ende 2023 lebten rund 700.000 syrische Flüchtlinge in Deutschland, von denen mehr als 200.000 bereits die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Doch trotz ihrer Verurteilung der Anschläge sehen sich viele von ihnen Misstrauen und Fremdenhass ausgesetzt.

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Insbesondere nach islamistischen Angriffen ist der öffentliche Aufschrei groß. Rechte Politiker nutzen solche Ereignisse, um pauschale Forderungen nach Abschiebungen zu stellen – oft unabhängig davon, ob die Betroffenen in irgendeiner Weise mit den Taten in Verbindung stehen. Anstatt Einzelfälle differenziert zu betrachten, wird eine ganze Bevölkerungsgruppe stigmatisiert. Der Schutzstatus der Betroffenen wird dabei ausgeblendet, und so sind sie oft der Angst und dem Hass der deutschen Bevölkerung schutzlos ausgeliefert.

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Diese Entwicklung ist besorgniserregend, denn während das Gesetz Kollektivstrafen verbietet, zeigt sich in der gesellschaftlichen Debatte genau das Gegenteil. Es gibt eine Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“ Flüchtlingen: Während Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine weitgehend unbürokratisch eine Aufenthaltserlaubnis und damit Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, müssen Afghanen und Syrer monatelange Asylverfahren durchlaufen. Ihre Arbeitsaufnahme unterliegt strengen behördlichen Genehmigungen, und oft bleibt ihnen nur der Weg in Flüchtlingsunterkünfte, während für Ukrainer der Wohnungsmarkt weit offener ist. Diese Ungleichbehandlung führt zu Perspektivlosigkeit und Frustration.

Mit jeder neuen Tat wächst das Misstrauen gegenüber Schutzsuchenden, obwohl sie selbst oft die ersten sind, die solche Verbrechen verurteilen. Dennoch erfahren sie kaum Solidarität, sondern vielmehr Ausgrenzung. Die Debatte wird zusätzlich durch populistische Forderungen nach präventiver Abschiebung von Straftätern befeuert. Natürlich muss gegen Intensivtäter konsequent vorgegangen werden, doch nicht immer ist das rechtlich oder diplomatisch möglich. Afghanistan etwa verweigert die Rücknahme seiner Staatsbürger, da es keine offiziellen Beziehungen zu Deutschland unterhält.

Rechtsextremismus als unterschätzte Gefahr

Wichtig ist, den Schutz jener Menschen nicht aus den Augen zu verlieren, die sich integrieren wollen und nicht unter Generalverdacht gestellt werden dürfen. Die Gesellschaft muss sich fragen, was sie bereit ist, auszuhalten und wie sie mit Angst umgeht. Eine Zweiklassengesellschaft unter Flüchtlingen ist nicht der richtige Weg – es braucht gleiche Perspektiven für alle.

Ein starkes Zeichen gegen diese Spaltung setzten Muslime in Koblenz, die sich öffentlich für Deutschland und gegen Gewalt aussprachen. Solche Aktionen sind selten und zeigen, dass sich hier etwas im gesellschaftlichen Empfinden verschiebt. Täter müssen als Individuen betrachtet werden – eine kollektive Vorverurteilung macht Opfer zu Tätern und wird von rechten Parteien für eigene Zwecke instrumentalisiert.

Dabei wird oft übersehen, dass rechtsextremistisch motivierte Straftaten in Deutschland stark zugenommen haben. Laut Verfassungsschutz stieg die Zahl solcher Taten von 2022 auf 2023 um 22,4 Prozent, gewalttätige Übergriffe nahmen um 16,4 Prozent zu. Das rechtsextreme Personenpotenzial wuchs von 32.000 im Jahr 2019 auf 40.600 im Jahr 2024, darunter 13.500 gewaltbereite Extremisten. Insgesamt wurden 2023 mehr als 25.660 rechtsextremistische Straftaten registriert – durchschnittlich 70 pro Tag.

Demgegenüber ist das islamistische Personenpotenzial seit 2019 auf 27.200 gesunken. Dennoch bleiben islamistische Anschläge aufgrund ihrer oft hohen Opferzahlen tief im kollektiven Bewusstsein verankert. Während rechtsextreme Gewalt häufig aus Körperverletzungen und Angriffen besteht, führen islamistische Taten oft zu schwerwiegenden Verbrechen mit vielen Opfern. Genau diese Dimension prägt die Wahrnehmung und verstärkt Ängste.

Am Ende wird nicht mehr auf den Einzeltäter geschaut. Die Gesellschaft verharrt in Angst und verurteilt pauschal ganze Bevölkerungsgruppen. Doch ist das gerecht? Während rechtsextreme Straftaten 0,03 Prozent der Gesamtbevölkerung betreffen, liegt die Zahl islamistischer Taten bei Afghanen bei nur 0,0005 Prozent.

Gleichzeitig nutzen Rechtsextreme soziale Medien geschickt zur Mobilisierung und erhalten eine beunruhigend große Lobby. Doch am Ende gilt: Nicht derjenige, der am lautesten schreit, hat automatisch recht – sondern der, der mit Vernunft reagiert und über seine Angst hinauswächst.

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