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Politik

Staatsbad Bad Ems: Ein langer Weg ohne klares Ziel

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Wunderschön: Im gegenüberliegenden Gebäude befindet sich der Marmorsaal
Foto: BEN Kurier
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BAD EMS Seit Jahren zieht sich die Diskussion um die Zukunft der Staatsbad Bad Ems GmbH hin. Trotz zahlreicher Prüfberichte, Beschlüsse und Gesprächsangebote bleibt eine tragfähige Lösung aus – mit finanziellen wie strukturellen Folgen. Bereits 2016 stellte der Landesrechnungshof fest: Die Staatsbad Bad Ems GmbH betreibt kein klassisches Staatsbad mehr. Der ursprüngliche Zweck – die Organisation und Pflege von Kureinrichtungen – ist entfallen. Die fortgesetzte Beteiligung des Landes sei daher weder notwendig noch sachlich gerechtfertigt. Dennoch flossen zwischen 2009 und 2014 rund 30 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt in die Gesellschaft: 11,9 Millionen zum Ausgleich von Verlusten, weitere 18,1 Millionen für den Neubau der Emser Therme.

Zentrale Kritikpunkte waren – und sind – die mangelnde wirtschaftliche Ausrichtung, eine nicht mehr zeitgemäße Kurtaxordnung und ein Gesellschaftszweck, der laut Rechnungshof dringend überarbeitet werden müsste.

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Klare Forderungen, schleppende Umsetzung

Der Landesrechnungshof formulierte in seinem Jahresbericht 2016 eine Reihe konkreter Forderungen:

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  1. Stärkere finanzielle Beteiligung der Stadt Bad Ems an den Verlusten der Staatsbadgesellschaft – bislang beteiligte sich die Stadt trotz ihrer Gesellschafterrolle nicht in entsprechendem Maß.
  2. Erhöhung der Erträge und Senkung der Aufwendungen – z. B. durch bessere Auslastung, Reduzierung defizitärer Veranstaltungen und Prüfung wirtschaftlicherer Vergabemodelle, etwa bei Pflegearbeiten oder Werkstattleistungen.
  3. Verhandlungen mit der Stadt Bad Ems zur Übernahme der Landesanteile an der Gesellschaft.
  4. Überarbeitung der Kurtaxordnung – insbesondere mit dem Ziel, das durchschnittliche Kurtaxaufkommen pro Übernachtung deutlich zu erhöhen.
  5. Novellierung des Landesgesetzes zur Kurtaxerhebung – dabei sollten der gesplittete Sommer-/Wintertarif abgeschafft und die Zahl der Ausnahmen und Vergünstigungen reduziert werden.
  6. Berichtspflicht gegenüber dem Landtag über die Ergebnisse der eingeleiteten Maßnahmen.

Gesprächsbereitschaft ja – Fortschritte nein

Was folgte, ist eine Chronik der Verzögerungen. Trotz wiederholter Aufforderungen durch den Landtag, die Übernahme der Gesellschaftsanteile durch die Stadt Bad Ems voranzutreiben, blieben die Fortschritte marginal. Die Stadt verwies auf strukturelle Veränderungen, wie die Fusion mit der Verbandsgemeinde Nassau, und bat um Zeit. Später folgte die COVID-19-Pandemie. In den Jahren danach wechselte die Gesprächsführung mehrfach zwischen Ankündigung, Rückzug und erneutem Kontakt.

Rückübertragung der Kurparkanlagen: Vertragsentwurf liegt vor

Bereits im Oktober 2023 hatte das Land der Stadt Bad Ems einen Vertragsentwurf übermittelt, der die Rückübertragung der beiden zentralen Kurparkanlagen (Kurpark I – Lahnufer, und Kurpark II – Bismarckhöhe) regeln sollte. Die Präambel dieses Entwurfs beschreibt die historische Verantwortung der Stadt und formuliert das Ziel einer einheitlichen touristischen Entwicklung:

„Die Stadt Bad Ems betreut von je her das allgemeine Fremdenverkehrswesen. Sie hat der Staatsbad Bad Ems GmbH bei deren Gründung im Jahre 1972 den Kurpark I (Lahnufer) und Kurpark II (Bismarckhöhe) übertragen. Gegenstand der Tätigkeit der GmbH ist es seitdem gleichermaßen, das Kurwesen zu fördern. Die Tätigkeit der GmbH im Kurwesen hat sich in den letzten Jahrzehnten jedoch deutlich reduziert, zuletzt durch die Übertragung der Emser Therme auf einen Privatinvestor im Jahr 2009. Demgegenüber wurde die Stadt Bad Ems am 24.07.2021 als eine der bedeutenden Kurstädte Europas in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen. Mit der mit diesem Vertrag vorgesehenen Rückübertragung der beiden Kurparkanlagen an die Stadt soll eine touristische Entwicklung von Bad Ems aus einer Hand ermöglicht werden.“

2024 dann ein deutliches Signal: In einem Schreiben vom März teilte die Stadt mit, dass sie derzeit keine Möglichkeit einer Übernahme der Kurparkliegenschaften oder einer vollständigen Kommunalisierung sieht. Das Land ließ im Mai wissen, dass es weiterhin gesprächsbereit sei – konkrete Fortschritte gibt es jedoch nicht.

Gesellschaftszweck auf dem Prüfstand

Auch inhaltlich steht die Gesellschaft vor einer ungewissen Zukunft. Der Landesrechnungshof empfahl, den veralteten Gesellschaftszweck grundlegend zu überarbeiten – insbesondere den Passus zur Förderung des Fremdenverkehrs. Das Land prüft derzeit eine entsprechende Änderung. Bis dahin wird die Tätigkeit der GmbH aufrechterhalten, vor allem mit zwei Schwerpunkten: der Sanierung des denkmalgeschützten Quellenturms und dem Aufbau eines nachhaltigen Heizkonzepts für das Lahnufergebäude unter Nutzung von Thermalwasser.

Kurtaxe: Überfällige Reform in Vorbereitung

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt betrifft die Kurtaxe. Diese wurde seit 1989 nicht mehr substantiell angepasst – obwohl der Landesrechnungshof seit Jahren auf das Potenzial zur Einnahmensteigerung verweist. Zahlreiche Befreiungen und Sonderregelungen haben das Ertragsniveau kontinuierlich gedrückt. Nun soll ein externer Gutachter die Höhe der Kurtaxe prüfen. Entscheidungen über eine mögliche Anpassung stehen aus – frühestens nach Vorlage des Gutachtens.

Fazit: Ein strukturelles Dilemma

Die Staatsbad Bad Ems GmbH ist heute ein Beispiel dafür, wie schwer sich Verwaltungen mit strukturellem Wandel tun. Eine landeseigene Gesellschaft ohne Landesaufgabe, eine kommunale Seite, die sich aus finanziellen Gründen zurückhält, und Reformvorschläge, die trotz klarer Empfehlungen nicht umgesetzt werden – das Gesamtbild ist ernüchternd.

Auch 2025 bleibt die Zukunft des Staatsbads unklar. Die politische Gesprächsbereitschaft ist unbestritten – doch ob sie auch zu einer tragfähigen Lösung führen wird, bleibt abzuwarten.

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Politik

Drei Stunden Radfahrt im Regen: Ausfälle im Mittelrheintal treiben Menschen zur Verzweiflung

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Foto: DXR | Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International
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LORELEY Acht Stunden Arbeit in Wiesbaden, dann die Rückfahrt nach Hause ins Mittelrheintal. Ein Alltag, den viele Menschen in der Region kennen. Doch für die Pendlerin Kirsten H. endete dieser Tag in einer regelrechten Odyssee.

„Nach acht Stunden Arbeit in Wiesbaden fuhr kein Zug mehr – und auch kein Schienenersatzverkehr“, schildert sie in einer Mail an Bürgermeister Mike Weiland. Was für Berufspendler zur Selbstverständlichkeit zählen sollte, blieb an diesem Tag aus. Ein angekündigter Ersatzbus kam nicht, die Züge fielen ersatzlos aus.

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Die Folge: Kirsten hatte keine andere Wahl, als sich auf ihr Fahrrad zu setzen. „Soeben bin ich nach drei Stunden Fahrradfahrt am Rhein entlang zu Hause angekommen“, schreibt sie. Schon am Morgen war sie mit dem Rad gestartet, hatte es in den Zug mitgenommen und ihre Wege in Wiesbaden damit erledigt. Am Abend jedoch stand sie ohne jede Transportmöglichkeit da.

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Mit dem Fahrrad von Wiesbaden zurück in die Loreley

Drei Stunden dauerte die Fahrt entlang des Rheins – bei Regen, erschöpft nach einem langen Arbeitstag und mit dem dringenden Bedürfnis, zu ihrem Sohn nach Hause zu kommen. „Ich musste zu meinem Sohn nach Hause“, erklärt sie in ihrer Mail.

Unterwegs kam sie durch Rüdesheim und sah Menschen, die seit Stunden vergeblich auf den Schienenersatzverkehr warteten. „Die Menschen in Rüdesheim hatten nicht einmal ein Fahrrad, um nach Hause zu kommen“, schildert sie. Besonders bitter: Während Fahrgäste stranden mussten, rollten die Güterzüge unbeirrt durch das Tal.

„Wieder fortziehen. So schnell wie möglich.“

Ihr Fazit ist ernüchternd: „Es ist nicht nur eine Zumutung, was hier passiert. Es ist die absolute Verunmöglichung, irgendwie noch organisiert und selbstbestimmt durch den Tag zu kommen.“ Für sie steht fest: „Wieder fortziehen. So schnell wie möglich.“

Die Pendlerin bringt damit zum Ausdruck, was viele im Tal empfinden: Die ständigen Zugausfälle, verspätete Informationen und unzuverlässiger Ersatzverkehr machen das Leben unplanbar. „Bahn und auch die Belastungen durch Baustellen zerstören das Leben im Mittelrheintal“, fasst sie ihre Eindrücke zusammen.

Strandungen, Notübernachtung und improvisierte Hilfe

In einer weiteren Nachricht schildert die Pendlerin, dass sie in den vergangenen Wochen immer wieder gestrandeten Reisenden geholfen habe. Mehrfach fuhr sie Menschen, die in Kaub nicht weiterkamen, mit dem Auto nach St. Goarshausen oder sogar bis nach Kamp-Bornhofen. Häufig waren es ältere Menschen, die ohne diese Hilfe völlig hilflos dagestanden hätten.

Auch Feriengäste habe sie abgeholt, weil diese zwar mit dem Zug und Shuttle zu Veranstaltungen gelangten, später jedoch nicht mehr zurückkamen. Besonders drastisch war eine Situation mitten in der Nacht: Ein Fahrgast, gestrandet in Kaub und ohne Unterkunft, bekam um 1.30 Uhr auf einer Matratze in einem Atelier eine Notübernachtung, weil weder Ersatzverkehr noch Hotels verfügbar waren.

„Es ist für alle betroffenen Menschen eine enorme Belastung, sowohl für Reisende als auch für diejenigen, die dann den von der Bahn in Aussicht gestellten SEV in Eigenleistung übernehmen müssen“, heißt es in der Mail. Ein ausländischer Besucher berichtete sogar, dass er einmal in seiner Verzweiflung zu Fuß von Kaub bis nach Nastätten gelaufen sei – rund vier Stunden.

Die Auswirkungen betreffen nicht nur Pendlerinnen und Pendler. Auch der Tourismus leidet: Feriengäste bleiben aus, Ausflüge scheitern, selbst das Übersetzen mit dem Boot zur Pfalz fiel zeitweise aus und sorgte für Enttäuschung bei Besuchern.

Bürgermeister reagiert mit scharfen Worten

Bürgermeister Mike Weiland zeigte sich tief betroffen und wandte sich umgehend an die Geschäftsführung von VIAS. „Solche Schilderungen schlagen dem Fass den Boden aus“, schrieb er an die Verantwortlichen. Er erwarte nicht nur eine baldige Entschuldigung gegenüber der Betroffenen, sondern auch einen „Paradigmenwechsel“ im Unternehmen.

Weiland machte deutlich, dass es sich nicht um Einzelfälle handele. Viele Beschwerden würden an die Verbandsgemeinde herangetragen, andere Betroffene hätten längst resigniert. „Das schadet unserer Region“, so der Bürgermeister.

Bereits am Vortag hatte Weiland Vertreter von VIAS persönlich getroffen und frühere Beschwerden weitergeleitet. Mit dem aktuellen Fall will er nun auch den Landrat, den Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Nord sowie den zuständigen Verbandsdirektor einschalten. „Aufgrund unserer Nähe zu den Menschen erreichen uns immer wieder Eingaben von zu Recht genervten und verzweifelten Bürgern“, erklärte er.

Auch die Presse will er einbeziehen. „Ich glaube, eine solche Schilderung hätte gestern Abend im Verbandsgemeinderat die Stimmung gänzlich zum Kippen gebracht“, betonte er.

Weiland erinnert daran, dass er das Thema auch bei anderen Gelegenheiten bereits auf die Tagesordnung gesetzt hat. So sprach er beim 30. Zukunftsgespräch in Kaub im August gegenüber Ministerpräsident Alexander Schweitzer die massiven Probleme im Schienenpersonennahverkehr offen an. Auch in der jüngsten Verbandsgemeinderatssitzung in St. Goarshausen, bei der VIAS zu Gast war, sei deutliche Kritik geäußert worden.

Gleichzeitig richtet er einen Appell an die Bürgerinnen und Bürger: „Es nützt nichts, nur verzweifelt zu sein. Es bedarf auch, dass man sich bei den zuständigen Stellen Luft verschafft und vor allem auch die politischen Akteure, die vor Ort zum Wohle der Menschen kämpfen, noch mehr unterstützt.“

Der Fall zeigt, wie sehr die unzuverlässige Infrastruktur das tägliche Leben im Mittelrheintal belastet. Für die Betroffene bedeutete das: acht Stunden Arbeit, kein Zug, kein Ersatzbus – und am Ende drei Stunden Radfahrt im Regen, um zu ihrem Sohn nach Hause zu kommen.

Was für die Menschen bleibt, beschreibt sie in wenigen, klaren Worten: „Sehr schade. Wirklich ein Hammer, wie eine so wunderschöne Region mit so viel Geschichte und Kultur so komplett gegen die Wand gefahren wird.“

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Politik

Lierschied erhält 86.000 Euro Förderung für Rathaus und Dorfplatz

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Foto und Video: Antonia Schmitz
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LIERSCHIED Große Freude in der kleinen Gemeinde Lierschied in der Verbandsgemeinde Loreley. Das Dorf erhält vom Land Rheinland-Pfalz einen Förderbescheid über 86.000 Euro aus dem Dorferneuerungsprogramm. Die Mittel sind für den zweiten Bauabschnitt der barrierefreien Erschließung und Erweiterung des Rathauses sowie die Neugestaltung des Außenbereichs vorgesehen. Die Gesamtkosten der Maßnahme betragen inklusive Planung rund 120.000 Euro, der Zuschuss des Landes liegt bei 85.000 Euro.

Wir vom BEN Kurier waren vor Ort, als Staatssekretärin Simone Schneider den Förderbescheid an den Bürgermeister der Ortsgemeinde, Andreas Dillenberger, und den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Loreley, Mike Weiland, übergab. Schneider betonte: „Ich freue mich sehr, heute einen Förderbescheid übergeben zu können, mit dem der Außenbereich gestaltet wird, einfach schöner gemacht werden soll und der Dorfplatz eine echte Dorfmitte wird, wo viele Festivitäten stattfinden können. Aber auch Parkmöglichkeiten sollen zur Verfügung stehen, damit die Anlagen einer guten Nutzung zugeführt werden können. Ich freue mich wahnsinnig, dass ich ganz häufig im Land unterwegs sein kann und solche tollen Projekte auch von Landesseite unterstützen kann.“

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Bereits im ersten Bauabschnitt wurde das Rathaus erneuert und barrierefrei gestaltet. Im zweiten Bauabschnitt stehen die Umgestaltung des Vorplatzes, die Erweiterung des Dorfplatzes und die Einrichtung zusätzlicher Parkmöglichkeiten im Fokus. Unmittelbar vor der Liftanlage soll zudem ein behindertengerechter Parkplatz entstehen.

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Auch die Verbandsgemeinde ist in die Arbeiten eingebunden. Verbandsbürgermeister Mike Weiland berichtete, dass der Umbau der Feuerwehrunterkunft im Untergeschoss des Rathauses sich bereits mehrere Monate hinzieht. „Wir hatten Probleme, Maler- und Putzerarbeiten zu vergeben, konnten nun aber weitere Gewerke vergeben. Die Ausschreibungsergebnisse liegen leicht unter der Kalkulation, sodass die Vergabe problemlos erfolgen kann. Die Feuerwehr hat zudem Eigenleistungen eingebracht, wodurch Kosten gespart werden. Dafür bin ich den ehrenamtlichen Aktiven maßlos dankbar.“

Der Landtagsabgeordnete Roger Lewentz hob hervor, dass Lierschied mit seinen rund 474 Einwohnern ein Beispiel für aktives Bürgerengagement sei: „Hier ist Bürgerkraft sichtbar, vom Rathaus bis zur Feuerwehr. Dieses Geld ist gut investiert in eine Gemeinde, in der Leben herrscht und ein zentraler Mittelpunkt notwendig ist.“

Ortsbürgermeister Andreas Dillenberger ergänzte, dass die Arbeiten schnellstmöglich beginnen sollen. „Wir hoffen, dass die Dorfbevölkerung die neuen Anlagen gut annimmt und dass wir hier noch viele Feste feiern können. Die Maßnahme soll bis Mitte Dezember, zur Dorfweihnacht, abgeschlossen sein.“

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass im Rahmen der Dorferneuerung das Land Rheinland-Pfalz im Jahr 2025 einen besonderen Schwerpunkt auf Orte des sozialen Lebens und kultureller Identität gesetzt hat. Als soziale, kulturelle und politische Treffpunkte übernehmen Dorfplätze eine zentrale Funktion für das Miteinander im Dorf und die Heimatverbundenheit. Ihre Neugestaltung, Sanierung, Modernisierung oder Erweiterung trägt maßgeblich dazu bei, das gesellschaftliche Leben im ländlichen Raum zu stärken, Teilhabe zu fördern und die Zukunftsfähigkeit der Ortskerne nachhaltig zu sichern, so Simone Schneider (as).

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Gesundheit

Pflicht ohne Mehrwert? Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz steht erneut im Zentrum scharfer Kritik

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Foto: BEN Kurier/Symbolbild
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MAINZ Seit ihrer Gründung gilt für examinierte Pflegekräfte in Rheinland-Pfalz die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft in der Landespflegekammer, verbunden mit Pflichtbeiträgen. Schon 2015 regte sich massiver Widerstand, zahlreiche Petitionen an den Landtag verhallten ungehört. Besonders umstritten bleibt die demokratische Legitimation: Damals registrierte sich nur rund die Hälfte der Wahlberechtigten, von ihnen wiederum beteiligten sich 43 Prozent an der Abstimmung – am Ende also lediglich etwa ein Viertel der Pflegekräfte. Dennoch wurde die Pflichtkammer durchgesetzt. Seitdem fordern viele eine Vollbefragung aller Pflegekräfte, um eine wirkliche demokratische Legitimation herzustellen.

Für zusätzlichen Unmut sorgt die jüngste Beitragserhöhung. Ende 2024 beschloss die Vertreterversammlung eine Anhebung um durchschnittlich 18 Prozent

Die jüngsten Tariferhöhungen, gepaart mit der allgemeinen Teuerung von Dienstleistungen, Energie und Material sowie der Inflation haben uns jetzt keine andere Wahl gelassen. Die Pflegekammer muss alle ihre Aufgaben, die im Heilberufsgesetz (HeilBG) definiert sind, erfüllen. Um unseren Mitgliedern auch weiterhin das vollumfängliche Leistungsspektrum, zu dem beispielsweise auch Beratungsleistungen oder dieses Magazin gehört, anbieten zu können, war dieser Schritt unumgänglich“, erklärte Herr Baumann, Vorsitzender und Sprecher des Finanzausschusses der Landespflegekammer. (Diese Aussage stammt aus einem Interview, welches Alexandra Heeser führte. Es ist in Ausgabe 38 des Kammermagazins (S. 30-32) zu finden.)

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Viele Mitglieder jedoch empfinden die Erhöhung in Zeiten knapper Löhne und hoher Belastung als schwer nachvollziehbar. Klagen über intransparente Finanzen sowie laufende Verfahren zu früheren Beitragsforderungen verstärken das Misstrauen. Je nach Einkommensklasse lagen die Beiträge bislang zwischen 2,50 und 25 Euro im Monat, die Mehrheit zahlte knapp zehn Euro.

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Im März 2025 gingen in Mainz rund 200 Pflegekräfte auf die Straße, um gegen Pflichtmitgliedschaft und steigende Beiträge zu demonstrieren. Weitere Aktionen folgten in Trier und Koblenz. Kritiker fragen, wo der konkrete Mehrwert für die Mitglieder liegt: Zwar verweist die Kammer auf Aufgaben wie Berufsordnung, Fort- und Weiterbildung oder Mitsprache bei Qualitätsfragen, doch im Alltag vieler Pflegekräfte spiegelt sich davon wenig wider. Arbeitsdruck, Personalmangel und unzureichende Bezahlung bleiben ungelöst.

Besonders brisant ist der Vergleich mit Nordrhein-Westfalen. Dort finanziert das Land den Aufbau der Pflegekammer bis 2027 mit Steuermitteln – für die Mitglieder bedeutet das vorerst keine Beiträge. Insgesamt stellt das Land 31,9 Millionen Euro bereit, damit die Kammer schuldenfrei starten kann. In Rheinland-Pfalz dagegen wurde von Beginn an auf Pflichtfinanzierung gesetzt. Für viele ist das ein Beleg, dass es auch ohne Zwang geht.

Zusätzlich sorgt das System verpflichtender Fortbildungspunkte für Diskussionen

Zusätzlich sorgt das System verpflichtender Fortbildungspunkte für Diskussionen. Pflegekräfte müssen innerhalb von zwei Jahren 40 Punkte sammeln, wobei 45 Minuten Fortbildung einem Punkt entspricht. Diese 40 Punkte müssen unabhängig vom jeweiligen Beschäftigungsumfang erworben werden. Anerkannt werden Formate wie Seminare, Workshops oder Kongresse, aber auch E-Learning, Supervision oder die Mitarbeit in Arbeitsgruppen. Maximalwerte sind streng geregelt: So gibt es etwa höchstens acht Punkte pro Seminartag, sechs für einen Kongresstag oder einen Punkt für eine kurze Fortbildung im eigenen Praxisfeld. Kritiker bemängeln den hohen organisatorischen Aufwand, während die Kammer darin einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung sieht. Diese Fortbildungsordnung trat zum 01. Juli 2025 in Kraft. Die Pflegekammer sieht vor, dass ab diesem Zeitpunkt Fortbildungspunkte gesammelt werden müssen.  Nachweise müssen aufbewahrt werden.  Ab Juli 2027 werde die Landespflegekammer stichprobenartig Pflegefachpersonen anschreiben und die Nachweise des vergangenen Fortbildungszyklus einfordern. Das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit, das geleitet wird von Minister Clemens Hoch, hat diese Fortbildungsordnung der Landespflegekammer genehmigt.

Ein neues Kapitel in der Debatte eröffnete ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Koblenz. Der Montabaurer Rechtsanwalt Robert Schneider von der Kanzlei Walterfang, Gauls & Ickenroth hatte im Namen von fünf Pflegekräften gegen Beitragsbescheide der Jahre 2016 bis 2019 geklagt – mit Erfolg. Im Verfahren wurde deutlich, dass die Kammer erhebliche Rücklagen gebildet hatte (2018: 1,6 Mio. €, 2019: 2,8 Mio. €), ohne diese zur Kostendeckung einzusetzen. Damit, so das Gericht, sei das Kostendeckungsprinzip verletzt worden: Pflichtbeiträge dürfen nur erhoben werden, wenn tatsächlich ein Bedarf besteht. Um einem Urteil gegen sich zuvorzukommen, zog die Kammer die Bescheide zurück. Zwar sind ältere Bescheide in der Regel nicht mehr angreifbar, doch gilt der Fall als Signal für weitere Widersprüche bei künftigen Forderungen. Die Kläger sehen darin einen wichtigen Zwischenschritt und fordern eine grundlegende Debatte über Legitimation und Nutzen der Kammer.

Wir berichteten HIER

Die Pflegekammer Rheinland-Pfalz steckt damit in einer tiefen Vertrauenskrise. Zwischen den Forderungen nach Abschaffung, Beitragsfreiheit oder freiwilliger Mitgliedschaft und dem Anspruch, eine starke Stimme für die Berufsgruppe zu sein, klafft ein tiefer Graben. Ohne sichtbaren Nutzen, transparente Finanzen, fair gestaltete Fortbildungspflichten und ein stärkeres demokratisches Fundament dürfte es schwer werden, die Pflegekräfte im Land hinter sich zu vereinen.

Mein Fazit

Pflegekräfte sind das Rückgrat unseres Gesundheitssystems. Sie arbeiten am Limit, stemmen Personalmangel, Überstunden und hohe Verantwortung. Dafür bekommen Sie oft weder genug Anerkennung noch faire Bedingungen. Gerade deshalb ist es eine bittere Zumutung, wenn über sie hinweg entschieden wird, wenn Pflichtbeiträge steigen und zusätzliche Fortbildungslasten auferlegt werden, ohne dass sich ihr Arbeitsalltag wirklich verbessert. Es braucht endlich mehr Mitsprache für die Menschen, die Tag und Nacht für andere da sind. Pflege darf nicht von oben verwaltet, sondern muss von unten gestaltet werden. Wir brauchen Pflege: und wir brauchen sie fair, entlastet und respektiert (as).

 

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