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Politik

Drei Stunden Radfahrt im Regen: Ausfälle im Mittelrheintal treiben Menschen zur Verzweiflung

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Die Bahnsituation im Mittelrheintal spitzt sich weiter zu.
Foto: DXR | Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International
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LORELEY Acht Stunden Arbeit in Wiesbaden, dann die Rückfahrt nach Hause ins Mittelrheintal. Ein Alltag, den viele Menschen in der Region kennen. Doch für die Pendlerin Kirsten H. endete dieser Tag in einer regelrechten Odyssee.

„Nach acht Stunden Arbeit in Wiesbaden fuhr kein Zug mehr – und auch kein Schienenersatzverkehr“, schildert sie in einer Mail an Bürgermeister Mike Weiland. Was für Berufspendler zur Selbstverständlichkeit zählen sollte, blieb an diesem Tag aus. Ein angekündigter Ersatzbus kam nicht, die Züge fielen ersatzlos aus.

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Die Folge: Kirsten hatte keine andere Wahl, als sich auf ihr Fahrrad zu setzen. „Soeben bin ich nach drei Stunden Fahrradfahrt am Rhein entlang zu Hause angekommen“, schreibt sie. Schon am Morgen war sie mit dem Rad gestartet, hatte es in den Zug mitgenommen und ihre Wege in Wiesbaden damit erledigt. Am Abend jedoch stand sie ohne jede Transportmöglichkeit da.

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Mit dem Fahrrad von Wiesbaden zurück in die Loreley

Drei Stunden dauerte die Fahrt entlang des Rheins – bei Regen, erschöpft nach einem langen Arbeitstag und mit dem dringenden Bedürfnis, zu ihrem Sohn nach Hause zu kommen. „Ich musste zu meinem Sohn nach Hause“, erklärt sie in ihrer Mail.

Unterwegs kam sie durch Rüdesheim und sah Menschen, die seit Stunden vergeblich auf den Schienenersatzverkehr warteten. „Die Menschen in Rüdesheim hatten nicht einmal ein Fahrrad, um nach Hause zu kommen“, schildert sie. Besonders bitter: Während Fahrgäste stranden mussten, rollten die Güterzüge unbeirrt durch das Tal.

„Wieder fortziehen. So schnell wie möglich.“

Ihr Fazit ist ernüchternd: „Es ist nicht nur eine Zumutung, was hier passiert. Es ist die absolute Verunmöglichung, irgendwie noch organisiert und selbstbestimmt durch den Tag zu kommen.“ Für sie steht fest: „Wieder fortziehen. So schnell wie möglich.“

Die Pendlerin bringt damit zum Ausdruck, was viele im Tal empfinden: Die ständigen Zugausfälle, verspätete Informationen und unzuverlässiger Ersatzverkehr machen das Leben unplanbar. „Bahn und auch die Belastungen durch Baustellen zerstören das Leben im Mittelrheintal“, fasst sie ihre Eindrücke zusammen.

Strandungen, Notübernachtung und improvisierte Hilfe

In einer weiteren Nachricht schildert die Pendlerin, dass sie in den vergangenen Wochen immer wieder gestrandeten Reisenden geholfen habe. Mehrfach fuhr sie Menschen, die in Kaub nicht weiterkamen, mit dem Auto nach St. Goarshausen oder sogar bis nach Kamp-Bornhofen. Häufig waren es ältere Menschen, die ohne diese Hilfe völlig hilflos dagestanden hätten.

Auch Feriengäste habe sie abgeholt, weil diese zwar mit dem Zug und Shuttle zu Veranstaltungen gelangten, später jedoch nicht mehr zurückkamen. Besonders drastisch war eine Situation mitten in der Nacht: Ein Fahrgast, gestrandet in Kaub und ohne Unterkunft, bekam um 1.30 Uhr auf einer Matratze in einem Atelier eine Notübernachtung, weil weder Ersatzverkehr noch Hotels verfügbar waren.

„Es ist für alle betroffenen Menschen eine enorme Belastung, sowohl für Reisende als auch für diejenigen, die dann den von der Bahn in Aussicht gestellten SEV in Eigenleistung übernehmen müssen“, heißt es in der Mail. Ein ausländischer Besucher berichtete sogar, dass er einmal in seiner Verzweiflung zu Fuß von Kaub bis nach Nastätten gelaufen sei – rund vier Stunden.

Die Auswirkungen betreffen nicht nur Pendlerinnen und Pendler. Auch der Tourismus leidet: Feriengäste bleiben aus, Ausflüge scheitern, selbst das Übersetzen mit dem Boot zur Pfalz fiel zeitweise aus und sorgte für Enttäuschung bei Besuchern.

Bürgermeister reagiert mit scharfen Worten

Bürgermeister Mike Weiland zeigte sich tief betroffen und wandte sich umgehend an die Geschäftsführung von VIAS. „Solche Schilderungen schlagen dem Fass den Boden aus“, schrieb er an die Verantwortlichen. Er erwarte nicht nur eine baldige Entschuldigung gegenüber der Betroffenen, sondern auch einen „Paradigmenwechsel“ im Unternehmen.

Weiland machte deutlich, dass es sich nicht um Einzelfälle handele. Viele Beschwerden würden an die Verbandsgemeinde herangetragen, andere Betroffene hätten längst resigniert. „Das schadet unserer Region“, so der Bürgermeister.

Bereits am Vortag hatte Weiland Vertreter von VIAS persönlich getroffen und frühere Beschwerden weitergeleitet. Mit dem aktuellen Fall will er nun auch den Landrat, den Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Nord sowie den zuständigen Verbandsdirektor einschalten. „Aufgrund unserer Nähe zu den Menschen erreichen uns immer wieder Eingaben von zu Recht genervten und verzweifelten Bürgern“, erklärte er.

Auch die Presse will er einbeziehen. „Ich glaube, eine solche Schilderung hätte gestern Abend im Verbandsgemeinderat die Stimmung gänzlich zum Kippen gebracht“, betonte er.

Weiland erinnert daran, dass er das Thema auch bei anderen Gelegenheiten bereits auf die Tagesordnung gesetzt hat. So sprach er beim 30. Zukunftsgespräch in Kaub im August gegenüber Ministerpräsident Alexander Schweitzer die massiven Probleme im Schienenpersonennahverkehr offen an. Auch in der jüngsten Verbandsgemeinderatssitzung in St. Goarshausen, bei der VIAS zu Gast war, sei deutliche Kritik geäußert worden.

Gleichzeitig richtet er einen Appell an die Bürgerinnen und Bürger: „Es nützt nichts, nur verzweifelt zu sein. Es bedarf auch, dass man sich bei den zuständigen Stellen Luft verschafft und vor allem auch die politischen Akteure, die vor Ort zum Wohle der Menschen kämpfen, noch mehr unterstützt.“

Der Fall zeigt, wie sehr die unzuverlässige Infrastruktur das tägliche Leben im Mittelrheintal belastet. Für die Betroffene bedeutete das: acht Stunden Arbeit, kein Zug, kein Ersatzbus – und am Ende drei Stunden Radfahrt im Regen, um zu ihrem Sohn nach Hause zu kommen.

Was für die Menschen bleibt, beschreibt sie in wenigen, klaren Worten: „Sehr schade. Wirklich ein Hammer, wie eine so wunderschöne Region mit so viel Geschichte und Kultur so komplett gegen die Wand gefahren wird.“

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Politik

Freie Bahn für das Wilhelm-Hofmann-Gymnasium: Land genehmigt vorzeitigen Baubeginn

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Foto: Felix Gras
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ST. GOARSHAUSEN Im Rahmen eines durch den heimischen Landtagsabgeordneten Roger Lewentz eingeladenen Ortstermins hat der rheinland-pfälzische Bildungsminister Sven Teuber die Genehmigung des „vorzeitigen Maßnahmen- und Baubeginns“ zur Wiedererrichtung des vor rund drei Jahren abgerissenen Gebäudetrakts des Wilhelm-Hofmann-Gymnasiums (WHG) bekanntgegeben. Die Kosten werden derzeit auf 24,68 Millionen Euro geschätzt, der Baubeginn ist für das erste Halbjahr 2026 geplant.

Dass damit der „gordische Knoten“ der verwaltungsinternen Diskussionen endlich durchschlagen werden konnte, freut neben Roger Lewentz insbesondere auch die Schulgemeinschaft um Direktorin Janina Wolf, den Schulträger um Landrat Jörg Denninghoff sowie den Bürgermeister der VG Loreley, Mike Weiland.

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Auch die weiteren anwesenden Mitglieder der SPD-Kreistagsfraktion – Marco Ludwig, Theres Heilscher, Carsten Göller und Günther Kern, der sich als VG-Bürgermeister und Landrat schon sehr intensiv um die Schule gekümmert hat – freuen sich über die nun erfolgte Ministerentscheidung sehr.

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Für die SPD in der VG Loreley dankte deren Vorsitzender Felix Gras gemeinsam mit Landtagskandidatin Adriana Kauth dem Landtagsabgeordneten Roger Lewentz ausdrücklich für die Herbeiführung dieses Ortstermins.

Jetzt herrscht für alle Klarheit – jetzt kann’s endlich vorangehen!“, so die SPD.

Das WHG ist die schulische Heimat von fast 673 SchülerInnen und 55 LehrerInnen in 19 Klassen und 11 Stammkursen. Im Jahr 2021 wurde bei Brandschutzsanierungen im Altbau des WHG festgestellt, dass die Statik der Decken nicht den aktuellen baurechtlichen Vorgaben entspricht. Daraufhin wurde der Gebäudeteil zunächst gesperrt und später abgerissen. Jetzt kann endlich wieder aufgebaut werden!

Für die Heimatregion und die hiesige SPD dankten Roger Lewentz, Adriana Kauth und Felix Gras dem neuen Bildungsminister Sven Teuber für diese klare Entscheidung.

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Lahnstein

SPD Fraktion beantragt Katzenschutzverordnung für Lahnstein

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Foto Jochen Sachsenhauser
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LAHNSTEIN Die SPD-Fraktion im Lahnsteiner Stadtrat hat beantragt, dass die Stadtverwaltung eine Katzenschutzverordnung gemäß § 13b Tierschutzgesetz für das gesamte Stadtgebiet vorbereitet und dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorlegt. In den vergangenen Jahren ist in Lahnstein, wie auch in anderen Städten der Region eine Zunahme freilebender Katzenpopulationen zu beobachten, die sich bei nicht erfolgter Sterilisation mit freilaufenden Hauskatzen paaren. Der jüngste Fund von drei Katzenbabys in einem Lahnsteiner Altkleidercontainer, von denen zwei bereits tot waren, verdeutlicht wie dringend Handlungsbedarf besteht.

Der Paragraph 13b des Tierschutzgesetzes eröffnet Kommunen die Möglichkeit, durch Satzung Maßnahmen zum Schutz freilebender Katzen zu regeln. Die SPD-Fraktion sieht dies als sinnvoll für Lahnstein an, da freiwillige Kastrationsaktionen und private Initiativen bisher nicht ausgereicht haben. In Rheinland-Pfalz haben bereits über 30 Kommunen wie Andernach, Koblenz, Ludwigshafen, Neuwied, Speyer, Worms oder die Verbandsgemeinden Weißenthurm, Montabaur und Simmern-Rheinböllen eine Katzenschutzverordnung erlassen, um die Situation zu verbessern.

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Die beantragte Verordnung soll sicherstellen, dass Freigängerkatzen kastriert, gekennzeichnet und registriert werden. Darüber hinaus sollen klare Regelungen zum Umgang mit halterlosen Katzen getroffen werden. Die Ordnungsbehörde soll die Befugnis erhalten, bei Verstößen einzuschreiten; Bußgelder sollen die Einhaltung der Vorgaben sichern.

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SPD-Stadtrat Herbert Fuß erklärt: „In Lahnstein gibt es immer wieder Katzen, die ohne häusliche Versorgung leben müssen und daher oft auch krank oder verletzt sind. Eine verbindliche Regelung ist notwendig, um den Tierschutz zu stärken und ehrenamtliche Helfer zu entlasten.“

SPD-Ortvorsitzende Judith Ulrich verweist auf positive Erfahrungen aus Koblenz: Dort hat sich gezeigt, dass die Pflicht zur Kastration und Registrierung, verbunden mit einer konsequenten Umsetzung durch den kommunalen Vollzugsdienst, die Problemlage verbessert hat.

Ziele der Verordnung sollten aus Sicht der SPD die Verringerung verwilderter Katzenbestände, der Schutz anderer Tierarten, insbesondere von Singvögeln, vor jagenden Katzen, die Förderung verantwortungsvoller Tierhaltung sowie die Entlastung von Tierheimen und Ehrenamtlichen sein. Die zu verabschiedende Katzenschutzverordnung sollte deshalb unter anderem eine Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Freigängerkatzen sowie Regelungen zum Umgang mit halterlosen Katzen enthalten.

SPD-Stadträtin Ute Wagner ergänzt: „Diese Maßnahmen wie die Sterilisationspflicht für Freigängerkatzen dürfen nicht freiwillig bleiben. Nur durch verbindliche Vorgaben kann die Situation wirksam verbessert werden. Was in anderen Kommunen funktioniert, sollte auch in Lahnstein umgesetzt werden.“ 

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Politik

Vielfalt statt Spaltung: KREML-Kulturhaus in Zollhaus reagiert besonnen auf AfD-Angriff nach Antifa-Film-Ausstrahlung Während die AfD von „Extremismusförderung“ spricht, verteidigt das Kulturhaus in Zollhaus seine offene Programmkultur

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Foto: Film - Leftvision
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ZOLLHAUS Am 2. Oktober zeigte das KREML Kulturhaus in Zollhaus (Hahnstätten) den Dokumentarfilm „Antifa – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte“ und löste damit eine öffentliche Debatte aus. Das KREML, ein soziokulturelles Zentrum mit Kino, Kulturcafé, Mehrgenerationenangeboten, Weiterbildung und sogar einem Waldkindergarten, versteht sich als offener Treffpunkt für unterschiedliche Formate. Das Haus wirbt auf seiner Webseite ausdrücklich für ein vielfältiges Programm: Programmkino, Kinder- und Jugendangebote, Theater, Ausstellungen und einen eigenen Chor. Das KREML bezeichnet sich selbst als gemeinnütziges Kulturhaus, das von Mitgliedsbeiträgen, Spenden und kommunaler Unterstützung getragen wird.

Der Saal des KREML-Kinos bietet rund 75 Plätze; bei der Vorstellung zum Antifa-Film war der Raum zur Hälfte besetzt. Im Anschluss an die Vorstellung fand eine Moderation mit Publikumsgespräch statt: ein Format, das das Haus regelmäßig zur Einordnung und zum öffentlichen Austausch nutzt. In der Filmankündigung des KREML wurde der Dokumentarfilm als historisch relevantes Stück beschrieben, das unterschiedliche Praktiken antifaschistischen Engagements der 1990er- und 2000er-Jahre beleuchtet.

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Scharfe Kritik von AfD Rhein-Lahn — Vorwürfe und Wortwahl

Der AfD-Kreisverband Rhein-Lahn reagierte mit einer deutlichen Erklärung: Die Kreispartei verurteile die Aufführung „auf das Schärfste“ und bezeichnete den Film als »linksextremistische Propaganda«. Der AfD-Kreisvorsitzende Alexander Heppe kündigte an, nun prüfen zu wollen, »inwieweit Gelder des Landkreises und des Landes Rheinland-Pfalz zur Extremismusförderung verwendet werden«. Auf der Webseite des Kreisverbands wurde der Film als „von Linksextremisten für Linksextremisten geschaffenes Machwerk“ bezeichnet; außerdem wurde kritisiert, das Kulturhaus „werde gezielt an Kinder und Jugendliche“ richten ,mit Hinweis auf die dort vorhandene Kindertages-/Waldkindergarten-Struktur (*Quelle AFD Rhein-Lahn).

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Der KREML-Geschäftsführer Björn Völker erklärte gegenüber unserer Redaktion, dass das Haus bewusst Vielfalt in der Programmgestaltung pflege. Man stelle »Formate in jede Richtung« zur Verfügung, die Auswahl erfolge in vielen Fällen Monate im Voraus, und in den Vorführungen gebe es Moderation, damit die Inhalte einzuordnen seien. Beschwerden vorab habe es nicht gegeben, und ein AfD-Vertreter sei beim Screening nicht anwesend gewesen.

Was Kritiker über den Film sagen — Kontext statt Propaganda

Wer den Film anschaut, trifft auf eine Mischung aus ausführlichen Zeitzeugenaussagen, Archivbildern und einer bewusst parteiischen Perspektive: fünf Aktivistinnen und Aktivisten kommen zu Wort, die von ihrer Arbeit gegen Neonazis und rechter Gewalt in den 1990er/2000er Jahren berichten. Kritiken aus Feuilleton und Filmfachpressen sehen den Film überwiegend als wichtiges Zeitdokument, nicht als platte Propaganda. So hebt die taz den neuen Einblick in die Bewegung hervor; der Filmdienst lobt die dokumentarische Aufarbeitung, bemängelt aber, dass der Film eher zeigt als umfangreich analysiert. Publikumskommentare auf Plattformen wie IMDB und Letterboxd beschreiben den Film als spannenden, kontroversen Impuls, der Diskussionen anstößt.**

Mit anderen Worten: Fachkritik und Publikumsreaktionen differenzieren, sie attestieren dem Film Relevanz für das historische Verständnis und nennen zugleich Grenzen (etwa weniger Analyse, mehr Schilderung). Das ist ein anderes Urteil als der pauschale Vorwurf »linksextremistische Propaganda« (Quelle IMDB).

Faktencheck: Hat das KREML Fördergelder eingesetzt und welche Rolle spielen Kinderangebote?

Die AfD moniert, Gelder öffentlicher Hand könnten in »extremismusfördernde« Angebote fließen und verweist zugleich darauf, dass das Kulturhaus ein Kindergartenangebot habe. Die KREML-Webseite führt tatsächlich eine Reihe von Bildungs- und Kinderangeboten, darunter die „Waldameisen“ (Waldkindergarten), sowie ein strukturiertes, altersübergreifendes Programm auf. Das allein beweist jedoch nicht die von der AfD behauptete Intention oder Zweckbindung öffentlicher Mittel für Extremismus-Propaganda. Fördergelder für Kulturhäuser sind in der Regel zweckgebunden und an haushalt- und förderrechtliche Vorschriften gebunden; inhaltliche Auswahl von Programmfilmen in Programmkinos gehört zur redaktionellen Freiheit kultureller Einrichtungen.

Politischer Kontext: Warum die Debatte nicht isoliert betrachtet werden kann

Die Vorwürfe der AfD stehen in einem größeren gesellschaftlichen Kontext: In Deutschland stiegen politisch motivierte Straftaten in den vergangenen Jahren deutlich an – insbesondere Delikte mit rechtsextremer Motivation. Laut aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) und des Bundesinnenministeriums (BMI) wurden im Jahr 2024 insgesamt 84.172 politisch motivierte Straftaten registriert – ein Zuwachs von rund 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr.***

Mit rund 42.788 rechtsmotivierten Taten entfiel der größte Anteil auf das rechtsextreme Spektrum, ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 2023 (rund 28.945). Doch auch linksmotivierte Straftaten nahmen zu: Sie stiegen von 7.777 auf 9.971 Fälle. Bei der Zahl der linksmotivierten Gewaltdelikte wurden 377 Verletzte gezählt – im Vorjahr waren es 327.

Die Sicherheitsbehörden sehen die Gefahr politisch motivierter Gewalt insgesamt im Wachsen, wobei primär rechte und rassistische Taten weiterhin dominieren. Opferberatungsstellen melden anhaltend hohe Fallzahlen bei Angriffen mit rassistischem oder antisemitischem Hintergrund. In diesem Klima gewinnt die Auseinandersetzung über Extremismus, Prävention und Erinnerungspolitik an Schärfe – und Programme wie die Filmreihe des KREML Kulturhauses werden Teil dieser gesellschaftlichen Debatte (Quellen: Bundeskriminalamt, Bundesinnenministerium, Verfassungsschutzbericht 2024).

Widersprüche in der AfD-Argumentation: Blick auf die Rhetorik

Die Wortwahl der AfD ist parteipolitisch zugespitzt: Ein Kulturhaus, das Filme zeigt und moderierte Gespräche anbietet, pauschal als „Extremismusförderer“ zu brandmarken, ist eine strategische Zuschreibung, die kaum eine Differenzierung zwischen Darstellung, historischer Aufarbeitung und Propaganda zulässt. Medienbeobachtungen der letzten Jahre zeigen außerdem, dass die AfD selbst immer wieder in der Kritik steht, wegen Nähe zu extremistischen Akteuren und wegen radikaler Rhetorik, was Diskussionen über Doppelstandards anheizt. Es ist in der journalistischen Einordnung relevant, Inhalte zu prüfen und nicht allein wegen der politischen Brisanz von Darstellung auf programmatische Qualifikation zu schließen (Quelle Wikipedia).

Bewertung und Einordnung

Das KREML hat mit seinem Programm keine eindeutige „Agitation“ geliefert, sondern eine filmische Spurensuche zur Geschichte antifaschistischer Praxis. Das Festival-/Programmkino-Prinzip besteht gerade darin, kontroverse Stoffe zu zeigen und zu diskutieren — begleitet von Moderation, um einordnen zu können. Dass die AfD daraus politisches Kapital schlägt, gehört zur demokratischen Auseinandersetzung; die Basisforderung des öffentlichen Diskurses aber lautet: Debatten führen, nicht pauschal diffamieren. Der Film selbst wird von Filmkritikern und Teilen des Publikums als relevantes, wenn auch nicht vollumfänglich erklärendes Zeitdokument bewertet.

Quellen (Auswahl)

  • KREML Kulturhaus – Offizielle Webseite und Programm (Infos zum Haus, Kino, Waldkindergarten, Auszeichnungen).

  • Programmblatt KREML (Oktober 2025) – Filmankündigung Antifa – Schulter an Schulter.

  • AfD Rhein-Lahn – Presse|Site: Erklärung zur „Verurteilung“ der Aufführung. *

  • Filmkritik / Hintergrund: taz, Filmdienst, IMDb/Letterboxd (Rezensionen, Einordnungen). **

  • Offizielle Kriminalstatistiken / PMK-Zahlen: BKA / BMI (Anstieg politisch motivierter Straftaten, PMK-rechts 2024). ***

  • Opferberatungsstellen: Jahresbilanzen zu rechter Gewalt (VBRG).

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