Gesundheit
Millionen für den Erhalt: Wie geht es mit dem Paulinenstift weiter?

NASTÄTTEN Lange Zeit fieberten die Menschen mit dem Paulinenstift, bis der Rhein-Lahn-Kreis die erhoffte Nachricht verkünden konnte: Das Krankenhaus in Nastätten hat eine Zukunft. Wirklich daran gezweifelt hatte kaum jemand, denn die Klinik im Blauen Ländchen ist vom Land als bedarfsnotwendig eingestuft und ihr Verbleib daher nahezu alternativlos.
Bereits frühzeitig versuchte Landrat Jörg Denninghoff, die Sorgen der Bevölkerung und insbesondere der Mitarbeiter zu zerstreuen. Mit großer Anstrengung aller politischen Fraktionen konnte schließlich eine Lösung gefunden werden: Das Paulinenstift bleibt erhalten – zumindest vorläufig. Als Träger bleibt das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein (GKM) an Bord. Allerdings hat diese Entscheidung einen hohen Preis. Der Rhein-Lahn-Kreis hat sich mit der getroffenen Vereinbarung Zeit erkauft – zu einem hohen Preis, aber einem unerlässlichen. Ein vollständiger Verzicht auf den Träger war in der aktuellen Situation kaum möglich.
Die Idee eines eigenständigen Kreiskrankenhauses hätte womöglich noch höhere Kosten verursacht, denn aktuell profitiert das Paulinenstift von der zentral gesteuerten Verwaltung des Klinikverbundes. Ein Kreiskrankenhaus hätte erst eine eigene Struktur aufbauen müssen, wodurch Einsparpotenziale wie ein zentralisierter Einkauf weggefallen wären. Zudem wären zusätzliche Personalkosten für Verwaltung, Logistik und Verpflegung angefallen.
Hohe Kosten für den Fortbestand
Mehr als drei Millionen Euro jährlich fordert der Klinikverbund, um das Defizit des Paulinenstifts auszugleichen. Solche Verluste sind kein Einzelfall: Zahlreiche kleine Kliniken in Deutschland kämpfen mit finanziellen Schwierigkeiten und werden in Verbünden erhalten, um die Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
Nach der Schließung der Paracelsus-Klinik in Bad Ems und der Reduzierung vieler Abteilungen im Elisabeth-Krankenhaus in Lahnstein, das heute nur noch eine Psychiatrieabteilung unterhält, ist die stationäre Gesundheitsversorgung im Rhein-Lahn-Kreis bereits stark ausgedünnt. Umso wichtiger ist der Fortbestand des Paulinenstifts, das als modernes Krankenhaus einen zentralen Pfeiler der medizinischen Versorgung bildet.
Ein Kreiskrankenhaus bleibt eine schöne, aber teure Vision. Solche Einrichtungen gibt es zwar, sie sind aber die Ausnahme – und die Bürger müssten bereit sein, die damit verbundenen Mehrkosten zu tragen. Daher bleibt der einzig realistische Weg, einen neuen Krankenhausträger zu finden, auch wenn es dafür kaum Bewerber geben dürfte.
Ein Krankenhaus mit langer Tradition
Das Paulinenstift hat eine beeindruckende Geschichte. Bereits 1857 wurde die Stiftung auf Anregung der Herzogin Pauline von Nassau gegründet. Von Beginn an lag der Fokus auf der Pflege kranker und älterer Menschen. 1896 wurde ein Diakonissen-Mutterhaus errichtet, bevor 1904 der Grundstein für das heutige Paulinenstift gelegt wurde.
In den 1960er-Jahren entstand auf dem heutigen Gelände ein neues Krankenhaus. Seit 2003 ist das Paulinenstift in verschiedene Klinikverbünde integriert, zuletzt 2014 durch die Fusion mit dem GKM Mittelrhein. Heute sind rund 150 Mitarbeiter in Nastätten beschäftigt. Jährlich werden dort etwa 3.000 Patienten stationär und rund 9.700 ambulant behandelt. Das Leistungsspektrum umfasst Innere Medizin, Chirurgie, Akutgeriatrie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Frauenheilkunde, Palliativmedizin und Notfallmedizin.
Polikliniken als mögliche Zukunftsoption
Gesundheitsminister Clemens Hoch betonte die Bedeutung des Paulinenstifts für die Bevölkerung, stellte jedoch klar, dass es sich langfristig nur als sogenanntes Level-1-Krankenhaus halten könnte. Das bedeutet, dass das Paulinenstift eine erste Anlaufstelle für die Behandlung bleibt, während komplexere Eingriffe in spezialisierte Kliniken der Umgebung verlagert würden.
Dabei fiel auch der Begriff der Poliklinik, eine Struktur, die in Ostdeutschland noch weit verbreitet ist. Polikliniken sind medizinische Einrichtungen, die vorrangig der ambulanten Versorgung von Patienten dienen und somit eine Alternative zur klassischen Krankenhausstruktur bieten könnten. In Anbetracht der begrenzten 60 Betten des Paulinenstifts wäre dies eine Option, die in Zukunft weiter untersucht werden muss.
Finanzielle Probleme und intransparente Entscheidungen
Die wirtschaftliche Lage des GKM hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. Schwindelerregende Verluste in zweistelliger Millionenhöhe prägten die Bilanzen. In einem internen Gutachten wurden plötzlich die Standorte Boppard und Nastätten als Kostenfaktoren identifiziert. Die Empfehlung: Schließung dieser Häuser.
Doch waren diese Kliniken tatsächlich die Hauptverursacher der Verluste? Wohl kaum. Vielmehr gibt es bis heute keine vollständige Aufklärung über die genauen Ursachen des finanziellen Desasters. Stattdessen setzte das GKM auf Verschwiegenheit und verpflichtete den Rhein-Lahn-Kreis zu einer Stillschweigeerklärung. Dies bedeutet, dass den Bürgern Informationen vorenthalten wurden, obwohl sie durch Kreisumlagen und Steuern letztlich für die finanzielle Rettung aufkommen müssen. Besonders brisant: Die Hauptgesellschafter des GKM sind der Kreis Mayen-Koblenz und die Stadt Koblenz – trotzdem fehlt eine transparente Offenlegung der Zahlen.
Kostenübernahme als einzig gangbare Lösung
Nach langen Verhandlungen entschied sich der Rhein-Lahn-Kreis, die Kosten für das Paulinenstift – zunächst bis Ende 2025 – zu übernehmen. Doch welche Bedingungen wurden dabei gestellt? Die Transparenz ließ zu wünschen übrig. Zeitweise wirkte es, als solle lediglich ein finanzielles Loch gestopft werden, ohne die wahren Ursachen der Misere offenzulegen.
Obwohl der Kreis nun jährlich Millionen zahlt, bleibt fraglich, ob das Paulinenstift tatsächlich die prognostizierten Verluste verursacht. Falls die realen Kosten niedriger ausfallen, stellt sich die Frage: Bekommt der Kreis dann Geld zurück? Die Antwort dürfte wohl negativ ausfallen.
Fehlendes Interesse an der wirtschaftlichen Stärkung des Standorts
Hinzu kommt, dass das GKM bislang kaum Interesse zeigte, das Paulinenstift wirtschaftlich zu stärken. Statt rentabler Abteilungen oder profitabler Fachbereiche in Nastätten zu etablieren, wurden solche Bereiche gezielt in die großen Standorte nach Koblenz und Mayen verlagert. Dies geschah, obwohl mit dem Paulinenstift ein hochmodernes und leistungsfähiges Krankenhaus in der Region vorhanden ist. Diese Strategie macht es noch schwieriger, den Standort eigenständig tragfähig zu machen.
Fazit: Ein notwendiger Kompromiss
War die Entscheidung des Rhein-Lahn-Kreises ein Erfolg? Sie war zumindest die einzig praktikable Lösung, um Zeit zu gewinnen und eine Schließung abzuwenden. Die Zahlungen sind befristet, und bis Ende 2025 muss eine nachhaltige Perspektive gefunden werden. Der Kreis hat sich in eine starke Position gebracht: Sollte die finanzielle Unterstützung eingestellt werden, bleibt dem GKM kaum eine Wahl, als das Paulinenstift freizugeben.
Eines steht fest: Ein Level-1-Krankenhaus ist für die Region unverzichtbar. Das Paulinenstift bleibt erhalten – doch die Bedingungen müssen neu verhandelt werden. Ein neuer Träger, ein durchdachtes Konzept und eine gerechte Finanzierung könnten die Zukunft des Hauses langfristig sichern.
Gesundheit
Nastätter „Sportmedizinisches Forum“ war wieder ein Erfolg

NASTÄTTEN Das Sportmedizinische Forum Rhein-Lahn in Nastätten bleibt auch im Jahr 2025 ein Garant für belebte Fortbildungsveranstaltungen. Die Veranstalter und Kooperationspartner – u.a. der Rhein-Lahn-Kreis, die Stadt Nastätten, das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein, der Sportkreis Rhein-Lahn, der Turnverband Mittelrhein und der Sportbund Rheinland – hatten wieder eine Fülle von interessanten und lebendigen Vorträgen am Vormittag und zahlreiche praktische Übungen in Workshops am Nachmittag zusammengestellt.
Moderiert wurde die Veranstaltung durch den Leiter des Forums Dr. med. Zlatko Neckov, Ärztlicher Direktor des Paulinenstifts Nastätten. Mit „sportlichen“ Grüßen schloss sich Landrat Denninghoff an, welcher den Innenminister und Schirmherr der Veranstaltung, Michael Ebling, vertrat und sich insbesondere bei allen Mitwirkenden seit Anbeginn des Forums bedankte. Carina Mosel, neue Leiterin der Naspa in Nastätten und St. Goarshausen sprach ebenfalls als einer der Hauptsponsoren ein kurzes Grußwort.
Unter den Gästen auch Jens Güllering, Bürgermeister der Verbandsgemeinde, und Stadtbürgermeister Marco Ludwig. Unter dem Motto „Mit legalem Doping zur sportlichen Höchstform!“ – Nutze deine Musik, deinen Rhythmus! konnten sich mehr als 70 Teilnehmer*innen über die interessanten und aktiv auffordernden Vorträge freuen. Neu in diesem Jahr war das Thema Inklusion. Mehr als zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Stiftung Scheuern waren ebenfalls vor Ort.
„Besonders hervorheben möchte ich den erweiterten Fokus auf Inklusion im Sport. Es ist großartig, dass Menschen mit und ohne Behinderung heute gemeinsam an verschiedenen Sportangeboten teilnehmen können. Dies zeigt, wie wichtig es ist, Barrieren abzubauen und allen die Möglichkeit zu geben, aktiv zu sein und Freude an Bewegung zu finden. Um dies weiter voranzutreiben, haben wir als Rhein-Lahn-Kreis gemeinsam mit dem Sportmedizinischen Forum hier in Zusammenarbeit mit der Stiftung Scheuern uns das Ziel gesetzt, die Inklusion im Sport zu fördern und Hürden in Vereinen und Einrichtungen abzubauen. Daher freue ich mich besonders über die Teilnehmer:innen der Stiftung Scheuern, die heute hier gemeinsam mit Frau Klaiber als Vertreterin der Stiftung Scheuern aktiv zeigen, wie Inklusion im Sport funktionieren kann“, betonte Landrat Denninghoff.
Am Morgen warteten interessante Vorträge zum Thema auf die Gekommenen. Dr. med. Zlatko Neckov, Tim Gondorf, Sportwissenschaftler und Gesundheitstrainer Peak Personal Training, und Sportwissenschaftler Klaus Balk erklärten verschiedene sportmedizinische und sportwissenschaftliche Aspekte der Wirkung von Musik während sportlicher Betätigung.
Ein überragendes Highlight hatte das Organisationsteam dieses Jahr noch passend zum Thema zu bieten: Die Little Start der TG Skylights Singhofen präsentierten ihren neuen Tanz der aktuellen Saison und sorgten für staunende Blicke und tosenden Applaus. Nach einer bewegten Pause mit Tim Gondorf und einem leckeren Mittagessen erwartete die Sportlerinnen und Sportler am Nachmittag praxisnahe Workshops, die von Jumping Fitness über Line Dance bis hin zu inklusivem Tanzen reichten.
Nach einem abschließenden Zusammenkommen konnte nochmals die Möglichkeit genutzt werden, um mit den Referenten und Trainern in Kontakt zu treten und Fragen zu stellen. Mit erfolgreichem Abschluss der Veranstaltung erhielten die Teilnehmer*innen in diesem Jahr die Zertifikate digital. Eine rundum gelungene und überzeugende Veranstaltung.
Die Stiftung Scheuern sucht noch Übungsleiter, die inklusiven Sport anbieten.
Kontaktdaten:
Marco Himmighofen, Leitung Familienunterstützender Dienst m.himmighofen@stiftung-scheuern.de 02604 9796790 mobil: 015751657204 Birgit Klaiber, Bildungskoordinatorin b.klaiber@stiftung-scheuern.de 02604 979 6010 mobil: 01774235430 (pm Kreisverwaltung Rhein-Lahn).
Gesundheit
Kemperhof garantiert vertrauliche Hilfe nach Gewalt

KOBLENZ Mehr als eine Viertelmillion Menschen, davon rund 70 Prozent Frauen, wurden 2023 Opfer häuslicher Gewalt. Für diese und alle weiteren von Gewalt Betroffenen geht nun in Koblenz das landesweite Projekt „Vertrauliche Hilfe nach Gewalt“ an den Start. Vor diesem Hintergrund hat der Kemperhof in Koblenz, einer der fünf Krankenhausstandorte des Maximalversorgers Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein, nun mit Frauenministerin Katharina Binz zur Pressekonferenz eingeladen.
„Wir sind sehr froh, dass wir den Kemperhof in Koblenz hier im nördlichen Rheinland-Pfalz als einen von zwölf wichtigen Partnern im Land zur Umsetzung des Konzepts gewonnen haben und die Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Mainz die zentrale Koordination übernommen hat“, betont Frauenministerin Katharina Binz.
„Das Projekt Vertrauliche Hilfe nach Gewalt ist das Nachfolgeprojekt zur Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung. Uns auch hier engagiert im Sinne der Betroffen einzubringen, ist für uns selbstverständlich. Insofern begrüßen wir auch das umfangreiche Schulungskonzept“, erläutert Christian Straub, Geschäftsführer des GK-Mittelrhein.
Worum geht es konkret? Es wird eine sichere Anlaufstelle für Betroffene geboten. Dazu Dr. med. Cleo Walz, Projektleiterin am Institut für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Mainz: „Mit diesem Projekt bieten wir Betroffenen nach häuslicher und sexualisierter Gewalt ein standardisiertes Verfahren, um Spuren vertraulich und gerichtsfest zu sichern und aufzubewahren. Dies hat den großen Vorteil, dass Betroffene sich untersuchen lassen können, ohne entscheiden zu müssen, ob sie Anzeige erstatten wollen oder nicht.“
Diese sichere Anlaufstelle in Koblenz und der Region ist der Kemperhof. „Das neue Konzept macht Mut, sich Hilfe zu holen. Wir erleben es häufig, dass Frauen und Männer insbesondere in der ersten Schockphase nicht an eine Anzeige denken. Dass wir aber nun professionell und rechtssicher Spuren bereits in der Notaufnahme sichern können, ist für die Betroffenen äußerst wertvoll“, erläutert Karin Stahl, Chefärztin der Notaufnahme im Kemperhof. Und Dr. med. Arno Franzen, Chefarzt der Frauenheilkunde, ergänzt: „Unsere Ärzteteams sind speziell geschult, um sensibel und professionell mit den Betroffenen umzugehen. Die ärztliche Schweigepflicht gilt selbstverständlich uneingeschränkt. Das Projekt ist somit ein wichtiger Schritt zur noch besseren Versorgung von Gewaltopfern.“
Wichtiger Partner dabei sind auch die Frauenunterstützungseinrichtungen. Die psychosozialen Schulungen, die ergänzend zu den Schulungen der Rechtsmedizin stattfinden, übernimmt in Koblenz das Frauenhaus. Alexa Koßmann-Hau, Leiterin Frauenhaus Mayen-Koblenz, verdeutlicht die Notwendigkeit: „Es ist wichtig, die betroffenen Frauen ernst zu nehmen, ihnen zu glauben und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen. Damit medizinisches Fachpersonal Sicherheit im Umgang mit und in der Versorgung von Betroffenen nach erlebter Gewalt erlangt, ist eine besondere Sensibilität und Fachwissen erforderlich.“
Das Projekt Vertrauliche Hilfe nach Gewalt vereint Kliniken, Rechtsmedizin und Frauenunterstützungseinrichtungen wie den Frauennotruf und das Frauenhaus in einem wichtigen Zusammenspiel.
Gesundheit
Unfreiwillige Bonitätsabfrage beim Bad Emser Zahnarzt hat weitreichende Folgen für Patienten


BAD EMS Dass Banken und Finanzinstitute Bonitätsprüfungen durchführen, wenn Kunden einen Kredit beantragen oder eine Ratenzahlung vereinbaren möchten, ist allgemein bekannt. Doch was passiert, wenn eine solche Abfrage völlig unerwartet erfolgt – und das auch noch in einer Zahnarztpraxis, obwohl nur eine Kassenleistung beansprucht wird? Der Fall des Patienten Cenk Kayatürk wirft Fragen auf.
Die unbemerkte Zustimmung
In der Zahnarztpraxis in der ehemaligen Paracelsus-Klinik in Bad Ems werden neue Patienten gebeten, ihre Daten über ein Tablet zu erfassen. Neben den üblichen Angaben zur Person und Krankenkasse enthält das digitale Formular auch eine Entbindung von der Schweigepflicht. Soweit nichts Ungewöhnliches. Doch in diesem speziellen Fall sorgten drei vermeintliche Auswahlfelder für Verwirrung – Felder, die angeblich verschiedene Aspekte der Einwilligung zur Datenverarbeitung betrafen, darunter auch eine Bonitätsprüfung.
Cenk Kayatürk, der lediglich eine von der Krankenkasse abgedeckte Zahnbehandlung erhalten wollte, ließ diese Kästchen bewusst unausgewählt. Für ihn bestand kein Anlass, einer Schufa-Abfrage zuzustimmen, da er keine zusätzlichen kostenpflichtigen Leistungen in Anspruch nahm und eine Ratenzahlung für ihn nicht infrage kam.
Erst später stellte sich heraus: Die vermeintlichen Auswahlfelder waren gar keine echten Optionen, sondern lediglich eine Aufzählung. Damit hatte der Patient unwissentlich pauschal in eine Bonitätsprüfung eingewilligt – mit gravierenden Folgen.
Ein rapider Bonitätsverlust
Cenk Kayatürk verfügte vor dem Zahnarztbesuch über einen exzellenten Schufa-Score von 97,2. Außer zwei Mobilfunkverträgen waren keine weiteren Finanzverpflichtungen in seiner Akte erfasst. Doch nach der Abfrage sank sein Score erheblich.
„Eine Handelsabfrage durch eine Zahnarztpraxis deutet für die Schufa darauf hin, dass der Betroffene möglicherweise finanzielle Schwierigkeiten haben könnte. Das führt zu einer automatischen Abwertung des Scores“, erklärt ein Finanzexperte. Genau dieses Prinzip machte sich im Fall von Cenk Kayatürk bemerkbar: Der abrupte Score-Abfall hatte direkte Auswirkungen auf seine Pläne zur Existenzgründung. Eine Bank lehnte seine Kreditanfrage ab – wegen des schlechten Bonitätswerts, der allein durch die unautorisierte Schufa-Abfrage entstanden war.
Erst nach einer Intervention in der Zahnarztpraxis und der Kontaktaufnahme mit der Schufa konnte die Anfrage gelöscht werden. Der Score stieg daraufhin sofort wieder auf über 97 Punkte an. Doch der Ärger blieb.
Kosten, die nicht hätten entstehen dürfen
Neben der Bonitätsabfrage kam es in der Praxis zu weiteren Unstimmigkeiten. Obwohl Kayatürk ausschließlich eine Kassenleistung in Anspruch nehmen wollte, wurde ihm nach der Behandlung eine Zahnreinigung in Rechnung gestellt. Nach seinen Angaben hätte diese Leistung aufgrund seines zahnmedizinischen Befunds eigentlich von der Krankenkasse übernommen werden müssen. Zudem wurde ein Aufklärungsgespräch zur Zahnpflege separat abgerechnet. Der Patient bezahlte die Rechnung vor Ort in bar – ohne zu wissen, dass zu diesem Zeitpunkt längst eine Bonitätsprüfung über ihn durchgeführt worden war.
Die unbeantworteten Fragen an die Zahnarztpraxis
Die Redaktion hat die Zahnarztpraxis in Bad Ems mit den Vorwürfen konfrontiert. Wir wollten unter anderem wissen:
- Aus welchem Grund werden überhaupt Einwilligungen für Schufa-Abfragen eingeholt, wenn Patienten ausschließlich Kassenleistungen in Anspruch nehmen und kein Schuldverhältnis entsteht?
- Wenn ein Patient eine Leistung bar oder per Kreditkarte zahlt, warum wird dann dennoch eine Bonitätsprüfung durchgeführt?
- Werden Patienten außerhalb des digitalen Formulars explizit auf die Bonitätsprüfung hingewiesen – insbesondere auch Personen, die nicht technikaffin sind oder Schwierigkeiten beim Lesen haben?
- Gibt es in der Praxis einen deutlich sichtbaren Aushang, der über die Bonitätsprüfung informiert, sodass Patienten bewusst widersprechen können?
Bis Redaktionsschluss lag leider keine Antwort des Zahnarztes oder seiner Praxis vor. Wir haben der Praxis eine Stellungnahme bis zum 14. Februar 2025 angeboten – sei es telefonisch, schriftlich oder per Videointerview.
Ein Fall mit weitreichenden Folgen
Der Fall von Cenk Kayatürk zeigt eindrucksvoll, wie eine unbemerkte Zustimmung zu einer Bonitätsprüfung erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen kann. Insbesondere stellt sich die Frage, inwieweit Patienten in Arztpraxen überhaupt mit solchen Prüfungen konfrontiert werden sollten – vor allem dann, wenn sie ihre Leistungen ohnehin aus eigener Tasche bezahlen oder von der Krankenkasse abgedeckt werden.
Ob dieser Vorfall ein Einzelfall ist oder eine gängige Praxis in medizinischen Einrichtungen darstellt, bleibt offen. Sicher ist jedoch, dass es an klaren und transparenten Informationen für Patienten mangelt. Wer sich einer Behandlung unterzieht, sollte nicht nebenbei auch noch seine Kreditwürdigkeit aufs Spiel setzen müssen.
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