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Gesundheit

Das Nastätter Paulinenstift hat Zukunft: Kreis beschließt Finanzierung des Krankenhauses

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NASTÄTTEN Nachdem vor wenigen Tagen die Rettung des Bopparder Krankenhauses verkündet wurde, beschloss der Kreistag des Rhein-Lahn-Kreises in einer Dringlichkeitssitzung die Finanzierung des Paulinenstifts in Nastätten. Doch von einer Rettung kann keine Rede sein, da es schlichtweg nichts zu retten gab. Das Krankenhaus in Nastätten ist bedarfsnotwendig, und somit stand von vornherein fest, dass eine Schließung nie wirklich zur Debatte stand – trotz eines öffentlichkeitswirksam aufgebauten Drohszenarios des GKM, das sich auf das Roland-Berger-Gutachten stützte, welches die Schließung der beiden Standorte in Boppard und Nastätten empfahl.

Laut dem GKM wäre die einzige praktikable Lösung für den Erhalt der Standorte, dass die betroffenen Kreise die Kosten der Krankenhäuser übernehmen. Das GKM verzeichnete in den vergangenen Jahren horrende Verluste. Während der Verbund in den Jahren 2017 und 2018 noch Gesamtgewinne von mehr als 6,2 Millionen Euro ausweisen konnte, stand für 2019 ein sattes Minus von 22,2 Millionen Euro in den Büchern. 2020 und 2021 folgten weitere Verluste von jeweils über vier und knapp zehn Millionen Euro. Darin enthalten waren Anwaltskosten von mehr als 400.000 Euro für die Jahre 2020 bis 2022.

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Lange Zeit setzte das GKM auf die Übernahme durch die Sana Gruppe

Lange Zeit setzte das GKM auf die Übernahme durch die Sana Gruppe. Anfang 2024 war klar, dass es nicht zu einer Übernahme kommen würde. Die weit fortgeschrittenen Verhandlungen scheiterten vor allem daran, dass die Sana die Risiken der über 100 Millionen Euro schweren betrieblichen Altersvorsorge der Belegschaft nicht übernehmen wollte. Somit verblieben die Kommunen im Besitz des Gemeinschaftsklinikums. Bereits 2019 war die wirtschaftliche Misere des GKM nicht mehr zu übersehen. Die Hauptgesellschafter des GKM sind die Stadt Koblenz und der Kreis Mayen-Koblenz, die die operative Verantwortung tragen. Die Stiftungen in Boppard und Nastätten hielten Minderheitsanteile und hatten somit keinen wesentlichen Einfluss auf Entscheidungen.

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Nachdem die Verhandlungen mit Sana im Frühjahr 2024 gescheitert waren, richteten die Hauptgesellschafter ihren Blick auf die Stiftungskrankenhäuser und forderten, dass die kirchlichen Gesellschafter die Kosten der Krankenhäuser tragen oder diese sogar verkaufen sollten. Dabei stützten sie sich auf das besagte Roland-Berger-Gutachten, das nur kurze Zeit nach dem Scheitern der Verhandlungen Anfang Februar 2024 erschien und Grundlage für einige eilige und reißerische Presseberichte in den Medien wurde.

Gerne wurde von weiteren regionalen Krankenhausschließungen gesprochen, obwohl es zu diesem Zeitpunkt bereits Gespräche mit Gesundheitsminister Clemens Hoch gab, der betonte, dass sich die Menschen um den GKM-Verbund keine Sorgen machen müssten, wohl wissend, dass es nach dem Landeskrankenhausplan für die Hauptgesellschafter des GKM nicht einfach wäre, bestimmte Standorte zu schließen.

Eilig vom GKM  in Auftrag gegebenes Gutachten empfieht die Schließung des Nastätter und Bopparder Krankenhauses

Durchgesickerte oder möglicherweise gezielt durchgestochene Informationen aus einem eilig erstellten Gutachten, das die Schließung der Stiftungskrankenhäuser in Boppard und Nastätten empfahl, griffen einige Medien nur zu gerne auf, um damit profitable Negativschlagzeilen zu generieren. Dabei nahmen sie in Kauf, dass unter der Belegschaft und den Menschen im Kreis Angst um ihre Arbeitsplätze und die Gesundheitsversorgung aufkam.

Doch die Rechnung des GKM ging nur teilweise auf. Die Landräte des Rhein-Lahn-Kreises und des Rhein-Hunsrück-Kreises wurden von den Gesellschaftern des GKM in die Gespräche nicht einbezogen, obwohl sie die Hauptbetroffenen gewesen wären. Stattdessen drehten sie den Spieß um und forderten Antworten vom CDU-Landrat des Kreises Mayen-Koblenz, Dr. Alexander Saftig, die sie jedoch nicht erhielten. Erst nach der Veröffentlichung eines offenen Briefes reagierte der GKM-Vorsitzende Saftig, allerdings ohne konkrete Antworten zu geben. Stattdessen verlangte er in einem sogenannten Letter of Intent, einer Absichtserklärung, dass die beiden betroffenen Kreise sich in Zukunft bereit erklären, die Kosten für die Krankenhäuser in Boppard und Nastätten zu übernehmen, und dass dann vielleicht Einsicht in die Geschäftsunterlagen des GKM gewährt werde – unter absolutem Stillschweigen über das Eingesehene. Mit anderen Worten: Erst sollten die Kreise ihre Bereitschaft für einen millionenschweren Blankoscheck zeigen, bevor es überhaupt zu Gesprächen kommen könnte.

Landräte Denninghoff und Volker Boch fordern Antworten vom GKM

Weder der Landrat Jörg Denninghoff für den Rhein-Lahn-Kreis noch Landrat Volker Boch für den Rhein-Hunsrück-Kreis ließen sich davon beeindrucken. Trotz des öffentlichen Drucks machten sie ihre Hausaufgaben. Sie besuchten medienunwirksam die Belegschaften in den betroffenen Krankenhäusern, versicherten ihnen ihre vollständige Solidarität und betonten, dass sie keineswegs bereit seien, eine Schließung mitzutragen. Gleichzeitig zeigten sie jedoch auch, dass sie nicht bereit seien, für die Fehler des GKM der vergangenen Jahre zu bezahlen oder unwissend in ein Fass ohne Boden zu investieren. Während das GKM glaubte, dass es ohne seine Standorte nicht weitergehen könnte, war dies für die beiden Landräte keineswegs selbstverständlich. Warum sollte man eigentlich im Krankenhausverbund des GKM bleiben, wenn es dort immer wieder zu finanziellen Schwierigkeiten kommt?

Landrat Denninghoff: Schließung kommt mit mir nicht in Frage!

Landrat Jörg Denninghoff machte auf einer Kundgebung in Nastätten eindringlich klar, dass es mit ihm keine Schließung des Paulinenstifts geben würde, zumal dies auch nicht möglich gewesen wäre. Das Krankenhaus in Nastätten ist als bedarfsnotwendig im Landeskrankenhausplan ausgewiesen. Ein Hinweis darauf findet sich nicht direkt. Eine flächendeckende Versorgung sieht der Gemeinsame Bundesausschuss dann als gegeben an, wenn durch die Schließung eines Krankenhauses zusätzlich mindestens 5000 Einwohner mehr als 30 Minuten mit dem Pkw fahren müssen, um das nächstgelegene geeignete Krankenhaus zu erreichen. Der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft führen einmal jährlich sämtliche bedarfsnotwendigen Krankenhäuser, auch in Verbünden, auf. Dort ist das Paulinenstift in Nastätten ebenfalls nicht als bedarfsnotwendig gelistet.

Paulinenstift ist bedarfsnotwendig

Tatsächlich ist es jedoch so, dass von Nastätten aus kein Krankenhaus innerhalb von 30 Minuten erreichbar wäre, sodass der Passus zutrifft, der Nastätten als bedarfsnotwendig erklärt. Dies teilte bereits der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch mit. Ob dem Krankenhaus damit automatisch auch die Sicherstellungszuschläge und die zusätzliche Finanzierung in Höhe von 400.000 Euro gewährt werden, bleibt unklar.

Der Rhein-Lahn-Kreis hatte eine Frist bis zum 12. August, um eine Finanzierung und Lösung für das Paulinenstift in Nastätten sicherzustellen. Der Landrat Jörg Denninghoff konnte der Dringlichkeitssitzung aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich beiwohnen. Obwohl er nach einem Krankenhausaufenthalt noch nicht gesundgeschrieben war, nahm er per Videoschaltung an der Kreistagssitzung teil. Der Erste Beigeordnete Marcel Willig vertrat den Landrat. An seiner Seite war die Rechtsanwältin Krause von der renommierten Wirtschaftskanzlei Heuking. Willig erläuterte die Umstände der Dringlichkeitssitzung und gab einen Rückblick auf die GKM-Situation. Er stellte klar, dass das GKM nur mit einem Verlustausgleich für das Nastätter Krankenhaus weitermachen wolle. „Wir werden nicht kommunaler Teilhaber der Gesellschaft“, führte Willig aus. „Wir verschenken Geld an eine Institution, die von der Insolvenz betroffen ist. Deshalb haben wir uns fachliche Beratung eingekauft.“

Kreis beschließt Finanzierung des Krankenhauses | Foto: BEN Kurier

Zwischenzeitlich gab es Gespräche mit dem ehemaligen Landrat und GKM-Vorsitzenden Dr. Alexander Saftig. Zudem durften Unterlagen des GKM eingesehen werden. Zwischenzeitlich wurde ein Vertragsentwurf seitens des Kreises durch Fachanwälte erstellt, der die Bedingungen für die mögliche Finanzierung des Nastätter Krankenhauses definiert. Ob dieser von den kommunalen Hauptgesellschaftern des GKM angenommen wird, bleibt abzuwarten. Möglicherweise müssten Nuancen im Vertragsentwurf geändert werden. Ob es eine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen dem Rhein-Lahn-Kreis und dem GKM geben wird, darf bezweifelt werden. Die Zusammenarbeit ist zunächst nur bis zum 31.12.2025 ausgelegt. Ob es danach weiter mit dem GKM geht oder neue Partner an Bord kommen, wird die Zukunft zeigen.

Die rechtlichen Weichen für die Übergangslösung sind mit dem Sicherstellungsauftrag für den Erhalt des Krankenhauses gestellt. Rechtsanwältin Krause erklärte den Fraktionen ausführlich, weshalb die Delegierten aus juristischer Sicht dem Antrag zustimmen dürfen. Für das Jahr 2024 wird der Kreis mit einer Belastung von 1,5 Millionen Euro rechnen müssen. 2025 sollen es rund 3 Millionen Euro sein. Bezahlt werden soll nur das, was tatsächlich für den Standort in Nastätten anfällt. Dafür soll es eine verpflichtende Berechnung der Ausgleichszahlungen geben. Für das Paulinenstift im Verbund gibt es keine Jahresabschlüsse, sondern nur eine Gewinn- und Verlustrechnung. Quartalsweise sollen die Finanzkennzahlen des Nastätter Krankenhauses dem Kreis mitgeteilt werden. Für den Juli 2024 gibt es seitens des GKM noch keine Berechnung.

Einstimmigkeit unter den Fraktionen: Kreis übernimmt Ausgleichszahlungen für das Paulinenstift

Teile der GSM-Dienstleistungskosten, wie IT oder Personalabteilung, sollen dem Paulinenstift anteilsmäßig an Kosten auferlegt werden. Gezahlte Gelder des Kreises dürfen nur für das Paulinenstift verwendet werden und nicht zur Deckung von Finanzlöchern des GKM-Verbundes. Zwar zahlt der Rhein-Lahn-Kreis in Zukunft einiges für das regionale Hospital, aber Anteilseigner am GKM wird er dadurch nicht. Damit ist auch kein Durchgriffsrecht vorgesehen, weshalb es vertragliche Auflagen für das GKM gibt, um sich abzusichern. Nur Erlöse und Aufwendungen des Paulinenstifts dürfen seitens des GKM in die Berechnung einfließen.

Jens Gülering: Wir haben uns Zeit gekauft

Trotz des normalerweise politischen Sommerlochs waren alle Fraktionen, bis auf die Grünen, bei der Sondersitzung anwesend, und sie stimmten einstimmig für den Erhalt des Nastätter Krankenhauses. Am Ende herrschte Erleichterung und Zuversicht auf allen Seiten.

Wir haben uns Zeit gekauft mit dem Verlustausgleich. Zeit, die wir brauchen und in der wir auch Mut aufbringen müssen“, teilte Jens Güllering von der CDU-Fraktion mit. „Wir haben noch nie im Kreis bewusst Geld verschenkt. Dabei ist das Zukunftskonzept der wichtigere Teil als der Verlustausgleich für die kommenden 1,5 Jahre.“

Ein solches Zukunftskonzept für das Paulinenstift soll von den Verantwortlichen im GKM-Verbund erstellt werden. Dabei müsste das Rad nicht vollkommen neu erfunden werden, denn die Sana hatte während der Verhandlungen zum GKM auch konkrete Vorstellungen für das 60-Betten-Haus in Nastätten präsentiert. Warum das niemals eine nennenswerte Erwähnung in dem durch das GKM erstellten, vernichtenden Gutachten für die Krankenhäuser in Boppard und Nastätten fand, bleibt fraglich. Eine mittelfristige Zukunftsperspektive der Stiftungskrankenhäuser hätte der Forderung nach Finanzierung durch die Kreise entgegengewirkt.

Während hier die Kreise mächtig zur Kasse gebeten werden, darf auch die hypothetische Frage gestellt werden: Was passiert, wenn das Hospital in Boppard oder Nastätten Gewinn machen würde? Käme das dann ausschließlich den betreffenden Kliniken zugute oder verschwindet es in den Löchern der klammen GKM-Kassen?

Manuel Liguori: Wir werden die 1,5 Jahre gut nutzen für Alternativlösungen

Für den SPD-Kreistagsvorsitzenden Manuel Liguori ist die Lösung alternativlos: „Wir haben uns mit der erkauften Zeit eine gute Ausgangslage geschaffen, um die eineinhalb Jahre gut zu nutzen für Alternativlösungen.“

Ähnlich sah es auch Marco Ludwig (SPD): „Die Kreisverwaltung ist sehr konzentriert an das Thema herangegangen. Darum stehen wir heute nicht am Anfang und können die kommenden eineinhalb Jahre gut nutzen.“

Harald Gemmer (FWG) sah ein mögliches, von der GKM erstelltes Zukunftskonzept kritisch: „Hat die GKM überhaupt Interesse, ein Zukunftskonzept zu erstellen, wenn sie Ausgleichszahlungen bekommen?“

Günter Kern: Kommulae Spitzen müssen zukünftig in Gespräche mit dem GKM zum Paulienstift einbezogen werden

Für Günter Kern (SPD) war es wichtig, dass die kommunalen Spitzen zukünftig in Gespräche zum oder mit dem GKM einbezogen werden, wenn es um das Paulinenstift geht.

Am Ende gab es dann ein Ergebnis, in dem breite Einigkeit herrschte: Der Beschlussvorlage des Kreises zum Betrauungsakt wurde einstimmig zugestimmt. Der Tribut heißt zwei weitere Prozent bei der Kreisumlage, die bereits jetzt bei 45 % liegt. Doch einen anderen möglichen Weg gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nicht, wenn man den Gesundheitsstandort erhalten möchte.

Abschließend wurde noch über einen CDU-Antrag abgestimmt, der im wesentlichen Kern die identischen Punkte enthielt, die bereits in der Kreistagssitzung besprochen wurden. Dennoch wurde darüber abgestimmt. Für Mike Weiland war das kein CDU-Antrag, sondern eine fraktionsübergreifende Arbeit, in der Erkenntnisse gebündelt wurden. Gerade die Verwaltung wäre für ihr großes Engagement von allen Seiten gelobt worden.

In dem Antrag wurde auch angeregt, dass der Landrat das GKM beauftragt, die Aufnahme von Verhandlungen mit der Diakoniegemeinschaft Paulinenstift über einen Pachtverzicht für das Krankenhaus Nastätten, mindestens für den Zeitraum der Verlustübernahme durch den Rhein-Lahn-Kreis, zu führen. Das könnte sich als schwierig erweisen, da die Pacht gegenüber der gemeinnützigen Gesellschaft geltend gemacht wird, die überwiegend in kommunaler Hand ist. Die Stiftungssatzung lässt einen solchen Erlass nicht zu, da sich unter anderem dadurch auch das Stiftungsvermögen dauerhaft verringern würde.

Eine weitere Anregung im Antrag war, dass der Landrat über eine strategische Zahlung in Höhe von 750.000 Euro mit der Diakoniegemeinschaft Paulinenstift verhandelt. Dabei soll die Diakoniegemeinschaft auf die Rückzahlung des Betrags verzichten, sofern dadurch der vom Rhein-Lahn-Kreis zu tragende Verlust erhöht würde, oder es soll der Betrag zur teilweisen Deckung der Verlustausgleichszahlung dem Kreis zur Verfügung gestellt werden. Genau diese Forderung ist jedoch nicht neu und laut dem Stiftungsrecht unerfüllbar. Die SPD beantragte, dass mit der Stiftung über ein möglicherweise zinsverbilligtes Darlehen verhandelt wird.

Und jetzt? Nun darf man sich etwas entspannter zurücklehnen. Der Kreis hat seine Hausaufgaben mit Bravour erfüllt, und der Gesundheitsstandort Nastätten muss nicht bangen, außer es wird erneut medial polemisch eine Schlagzeile für den kommerziellen Erfolg generiert.

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Gesundheit

Zusammenreißen statt trauern? Warum unsere Gesellschaft den Verlust nicht aushält Wenn Rückzug keinen Platz mehr hat und Gefühle stören: ein Gespräch über Trauer in unserer Zeit

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Foto: Anja Schrock | Lizenz: Envato
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BAD EMS Ein leerer Stuhl, wo du einst saßt. »Die Stille schreit, du fehlst so sehr«, mit diesen Zeilen beginnt Folge 2 (Teil A) der Reihe »Rund um die Trauer«, in der Moderatorin Anja Schrock erneut mit dem Gestalttherapeuten und Philosophen Mathias Jung spricht. Diesmal geht es um Trauer und Gesellschaft: um Erwartungen, um den sozialen Blick von außen und um das, was an Ritualen verschwunden ist.

Jung beschreibt, wie sich frühere, sichtbare Trauerzeichen »wie Salmiak-Geist« aufgelöst hätten. Das Trauerjahr, schwarze Kleidung, ein Trauerband am Revers: Früher habe das Umfeld am Arbeitsplatz sofort gewusst, dass hier Rücksicht und Schonung nötig sind. Heute passe diese Form von Rückzug kaum noch »rein«, ein Verlust, sagt Jung, weil dadurch auch ein gemeinsamer Rahmen fehle, in dem Trauer mitgetragen wird.

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Ein zentraler Punkt des Gesprächs ist der Gegensatz zwischen Beschleunigung und Trauer. Der Alltag ist getaktet, Rollen müssen funktionieren: Kind zur Schule, Arbeit, Verantwortung. Trauer dagegen sei Entschleunigung, Innehalten, ein Moment, in dem »die Zeit stillsteht«. Jung formuliert es drastisch: Schon dass die Sonne am nächsten Tag ungerührt wieder aufgeht, könne sich wie eine Kränkung anfühlen. In einer Leistungsgesellschaft hätten Gefühle oft »keinen Platz«,  sie gelten als hinderlich.

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Wie konkret diese Überforderung aussehen kann, zeigt eine vorgelesene Zuschrift: Eine Frau schildert den Tod ihres Mannes nach einer Herzoperation und die Doppelbelastung aus Trauer, Alleinverantwortung und familiärem Druck. Während sie für ihre vierjährige Tochter stark sein muss, geraten gleichzeitig alte Abhängigkeiten zurück ins Leben: Entscheidungen, Grenzen, wirtschaftliche Fragen. Jung nennt den Tod in diesem Fall eine Katastrophe, die man nicht »verkleinern und wegreden« dürfe. Der Verlust sei wie eine »Amputation bei lebendigem Leibe«, Trost stelle sich zunächst nicht ein.

Deutlich wird das auch in der Kritik an gut gemeinten Floskeln. Sätze wie »Die Zeit heilt alle Wunden«, »Er oder Sie ist an einem besseren Ort« oder »Das wird schon wieder« seien oft nicht hilfreich, manchmal sogar kränkend. Jung widerspricht ausdrücklich: Zeit allein heile nichts. Trauer brauche Verarbeitung, Gespräch, das Recht, erschüttert zu sein. Und: Wunden dürften bleiben, weil sie auch Bindung bedeuten: Ausdruck dessen, dass der Verstorbene nicht gleichgültig ist.

Am Ende wird der Blick auf den Umgang im Umfeld gelenkt: Sprachlosigkeit, Themawechsel, Schweigen, das könne für Trauernde grausam sein. Stattdessen helfe es, dazubleiben, zuzuhören, die Geschichte auch »zum zehnten Mal« zu hören und Fragen zu stellen wie: »Wie geht es dir im Augenblick?« In einer weiteren Zuschrift beschreibt Carina Trauer als etwas, das kommt und geht: ausgelöst durch Musik, Erinnerungen, Momente. Abschütteln lasse sie sich nicht, akzeptieren müsse man sie, und lernen, mit ihr zu leben.

Folge 2 (Teil A) endet mit dem Ausblick auf Teil B, der sich Regeln und Ritualen widmet und der Frage, wie andere Kulturen mit Tod und Trauer umgehen.

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Gesundheit

Damit Hilfe wirklich hilft: Anziehpunkt Montabaur bittet um wohlüberlegte Sachspenden Caritas dankt für große Spendenbereitschaft – und ruft zur Achtsamkeit auf: Gut erhalten statt aussortiert

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Foto: Caritasverband Westerwald - Rhein-Lahn | Holger Pöritzsch
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MONTABAURWir gehen unter“, sagt Vera Zimmermann, Einrichtungsleiterin des Caritas-Anziehpunkts in Montabaur – und meint das wörtlich. Der Secondhand-Laden in der Kirchstraße 17 mitten in der Innenstadt wird derzeit überflutet mit Sachspenden. „Wir freuen uns sehr über die Hilfsbereitschaft der Menschen. Aber leider ist ein großer Teil der Spenden einfach nicht mehr zu gebrauchen“, erklärt Zimmermann.

Immer wieder landen Kleidungsstücke und Haushaltswaren im Anziehpunkt, die sichtbare Gebrauchsspuren aufweisen: Flecken, ausgeleierte Hosen, Kragenspeck an Hemden, Knötchen im Pulli. „So schade es ist: Solche Dinge können wir nicht weitergeben. Uns fehlt schlicht die Zeit und das Personal, alles zu waschen oder zu reparieren“, so Vera Zimmermann.

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Was nicht in den Verkauf kann, muss entsorgt werden – und das kostet künftig sogar Geld. „Bisher wurden die aussortierten Dinge kostenlos abgeholt. Künftig aber müssen wir die Entsorgung bezahlen. Das belastet uns zusätzlich – und steht natürlich im Widerspruch zu unserem Nachhaltigkeitsgedanken“, betont die Leiterin. Ein Teil der aussortierten Ware wird recycelt oder geht in Drittländer, ein kleiner Teil wird endgültig vernichtet.

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Der Appell an die Bevölkerung ist daher eindeutig: Spenden Sie gerne – aber bitte nur einwandfreie und saubere Ware. „Unsere Kundinnen und Kunden freuen sich über gute, gepflegte Kleidung und intakte Haushaltswaren. Das, was Sie selbst noch guten Gewissens tragen oder verschenken würden, ist auch für uns geeignet“, so Zimmermann.

Um die Flut an Spenden künftig besser bewältigen zu können, gelten im Anziehpunkt Montabaur ab Januar 2026 feste Annahmezeiten:

  • Montag 9 bis 12 Uhr

  • Mittwoch 9 bis 12 Uhr

  • Freitag 13 bis 16 Uhr

  • Samstag 10 bis 13 Uhr

Wir bitten alle Spenderinnen und Spender dringend, sich an diese Zeiten zu halten“, sagt Vera Zimmermann. „Nur so können wir sicherstellen, dass die Spenden auch ordentlich entgegengenommen und sortiert werden können.“ Wer etwas Wartezeit mitbringt, wird im Anziehpunkt freundlich empfangen: „Natürlich bieten wir unseren Spenderinnen und Spendern gerne einen Sitzplatz und eine Tasse Kaffee an“, fügt sie mit einem Lächeln hinzu. Maximal sollten die Spenden nicht mehr als ein bis zwei Einkaufstaschen umfassen, Spenden in Säcken oder Kartons sind nicht möglich.

Der Anziehpunkt in Montabaur ist ein Secondhand-Laden des Caritasverbandes Westerwald-Rhein-Lahn. Hier kann jeder einkaufen – unabhängig vom Einkommen. Angeboten werden u.a. Baby- und Kinderkleidung (bis Größe 176), Schwangerenbekleidung, Kinderwagen, Kinderbetten, Spielsachen, Damen- und Herrenbekleidung, Bett- und Tischwäsche, Handtaschen, Haushaltswaren (bitte keine Einzelteile), Modeschmuck, Accessoires und Dekoartikel.

Unsere Arbeit lebt vom Miteinander“, sagt die Einrichtungsleiterin. Rund 60 Ehrenamtliche engagieren sich derzeit im Montabaurer Anziehpunkt. Sie sortieren, beraten, verkaufen und hören zu – denn längst ist der Laden mehr als ein Ort zum Stöbern. „Viele Menschen kommen nicht nur zum Einkaufen, sondern auch zum Reden. Der Anziehpunkt ist für sie ein Stück Gemeinschaft geworden.“

Kontakt: Anziehpunkt Montabaur, Kirchstraße 17, 56410 Montabaur, Telefon: (02602) 997043, E-Mail: anziehpunkt-ww@cv-ww-rl.de. (pm Caritas Westerwald | Rhein-Lahn)

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Prostatakrebs: „Betroffene sind im Kemperhof in guten Händen“ Norbert Schmiedel profitierte von modernen Behandlungsverfahren und guter Betreuung

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Foto: GK-Mittelrhein | Christina Ehricht
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KOBLENZ Vor drei Jahren suchte Norbert Schmiedel seinen Hausarzt auf, da er unter Problemen beim Wasserlassen litt. Dieser riet ihm zur weiteren Abklärung der Be­schwer­den zu einer Untersuchung bei einem Urologen. So kam Herr Schmiedel in die Sprechstunde von Dr. med. Ludger Franzaring im Kemperhof Koblenz. Neben einer gründlichen Erhebung der Krankengschichte, der sorgfältigen klinischen Untersuchung, die auch das Abtasten der Prostata beinhaltete, und einer Ultraschalluntersuchung der Urogenitalorgane riet der Chefarzt der Klinik für Urologie, Uro-Onkologie und Kinder­urologie dem Patienten auch zur Bestimmung des PSA-Wertes, des so genannten prostataspezifischen Antigens. „Je höher die Konzentration dieses Tumormarkers im Blut ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Prostatakrebs vorliegt“, erklärt Dr. Franzaring. Da erhöhte Werte aber auch andere Ursachen wie nicht-bösartige Veränderungen oder Entzündungen der Prostata haben können, werden bei Bedarf weitere Untersuchungen durchgeführt. Dies sind MRTs der Prostata und bei Auffällig­keiten auch MRT-Ultraschall-Fusionsbiopsien, bei denen auffälliges Gewebe durch die Kombination von MRT-Bildern mit einer Ultraschalluntersuchung besonders zielgenau entnommen werden kann.

Bei Norbert Schmiedel wurde dabei zunächst ein als wenig aggressiv eingestufter Tumor diagnostiziert. „Man riet mir daher zunächst zu einer sogenannten ‚Active Surveillance‘, also der regelmäßigen Kontrolle der weiteren Entwicklung“, erinnert sich der heute 76-Jährige. „Diese Strategie wird verfolgt, wenn ein Tumor ein niedriges Risikoprofil hat und eine krankheitsbedingte Beeinträchtigung auch im Verlauf nicht zu erwarten ist beziehungsweise ein Einfluss auf die Lebenserwartung nicht wahrscheinlich ist“, erläutert Dr. Franzaring. Ziel ist es, eine Übertherapie zu vermeiden, also Patienten nicht unnötig mit Behandlungen zu belasten, die mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein können. „Allerdings ist bei der aktiven Überwachung eine besonders intensive ärztliche Beratung und Begleitung notwendig, um bei eventuellen Veränderungen rasch mit der dann erforderlichen Therapie zu beginnen“, wie Franzaring, stellvertretender Leiter des Prostata­krebszentrums am Kemperhof, ergänzt.

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Daher unterzog sich Norbert Schmiedel alle drei Monate einer Kontrolle, bei der neben einer Tast- und Ultraschalluntersuchung auch der PSA-Wert überprüft wurde. Diese Termine fanden zunächst im Kemperhof statt, wurden später aber auch von seinem Hausarzt durchgeführt, um den Fahrtaufwand vom Wohnort in die Klinik zu reduzieren.

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Ob die aktive Überwachung für einen Patienten infrage kommt, hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie Betroffene mit dem Wissen umgehen, dass in ihrem Körper etwas schlummert, das dort nicht hingehört. „Jeder Mensch hat ein individuelles Sicherheits­bedürfnis – auch wenn das Risiko, dass der Tumor sich während der Überwachung plötzlich zu einem nicht mehr behandelbaren Stadium heranwächst, äußerst gering ist“, betont Dr. Franzaring. In etwa 30 bis 50 Prozent der Fälle kommt es während der aktiven Überwachung zu einem Fortschritt der Erkrankung beziehungsweise einer Veränderung des Aggressivitätsmusters des Tumors, die eine klassische Behandlung erforderlich macht. „Dann ist genug Zeit, gemeinsam zu entscheiden, wie es weitergeht“, erklärt Dr. Franzaring.

Auch bei Norbert Schmiedel wurde ein kontinuierlicher Anstieg des PSA-Wertes festgestellt. Eine erneute Gewebeprobe bestätigte im Juni dieses Jahres den aggressiveren Fortschritt der Erkrankung, sodass Dr. Franzaring seinem Patienten zu einer DaVinci-Prostatektomie riet. „Dieses minimal-invasive Verfahren zur Entfernung der Prostata hat den Vorteil, dass das Risko für Blutungen und damit auch für benötigte Transfusionen deutlich geringer ist“, erläutert Franzaring. Außerdem haben die Patienten nach dem etwa drei Stunden dauerndem Eingriff weniger Schmerzen und Nebenwirkungen wie etwa die Störung der Erektionsfähigkeit oder Inkontinenz.

Davon profitierte auch Norbert Schmiedel, der bereits kurz nach der Kontrollunter­suchung erfolgreich und komplikationslos im Kemperhof operiert wurde. Ergänzende Therapien wie Bestrahlungen und Chemotherapie waren in seinem Fall nicht erforderlich. „Auch die bereitgelegten Schmerzmittel habe ich nicht gar nicht gebraucht“, erzählt der zufriedene Patient. „Bereits auf der Station habe ich mit unterstützenden Übungen zum Beckenbodentraining begonnen, die ich nach der Entlassung regelmäßig ambulant weitergeführt habe.“ Im Juli folgte zudem eine Reha-Aufenthalt in einer Klinik in der Region.

Ich fühlte mich bei Dr. Franzaring und seinem Team sowohl fachlich als auch menschlich von Anfang an bestens aufgehoben. Auch den Aufenthalt auf der Komfortstation kann ich nur empfehlen – ich war rundum gut versorgt und habe mich dort sehr wohlgefühlt“, sagt Schmiedel, der weiterhin regelmäßig alle drei Monate die Kontrolluntersuchungen am Kemperhof wahrnimmt. „Ich kann nur jedem Mann raten, die angebotenen Früherken­nungs­untersuchungen zu nutzen, um im Falle eines Falles rechtzeitig handeln zu können.“ Sein Beispiel zeigt, wie wichtig eine enge medizinische Betreuung, interdisziplinäre Zusammenarbeit und das Vertrauen in das Behandlungsteam für den Heilungsprozess sind. Dafür steht das Prostatakrebszentrum als ein Teil des zertifizierten Onkologischen Zentrums Koblenz-Mittelrhein.

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