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VG Nastätten

Oma als Vorbild: Anja Beeres engagiert sich über 35 Jahre für die evangelische Kirche im Rhein-Lahn

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„Mich trägt die Gewissheit, dass ich getragen bin“, sagt Anja Beeres aus Obertiefenbach. Seit mehr als 35 Jahren engagiert sie sich für die evangelische Kirche in der Region. Am 13. April wird sie als langjährige Vorsitzende der Dekanatssynode verabschiedet und geehrt. Dem ehrenamtlichen Verkündigungsdienst bleibt sie treu, um Menschen weiterhin „von der tragfähigsten Botschaft im Leben“ zu erzählen.
Foto: Dekanat Nassauer Land | Matern

OBERTIEFENBACHDu stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Das ist ein Lieblings-Bibelvers von Anja Beeres aus Obertiefenbach. Im geografisch weiten Raum zwischen Lorch am Rhein, Lahnstein und der Stadtgrenze zu Limburg war die 57-Jährige in den vergangenen fast 25 Jahren als Vorsitzende der Synoden unterwegs, des Alt-Dekanats St. Goarshausen, in der Arbeitsgemeinschaft der drei Rhein-Lahn-Dekanate und zuletzt im vereinigten Dekanat Nassauer Land. Am Samstag, 13. April wird sie in Miehlen aus dem Amt verabschiedet und geehrt.

Ich wollte gestalten“, nennt Beeres ihre Motivation für ihr vielseitiges kirchliches Engagement in der Region. „Die Kirchengemeinde war mir damals viel zu eingefahren und eng.“ Der Kirche dienen und mitmachen wollte sie seit ihrer Jugend, „aber mit dem Blick nach vorne und nach oben“, betont die ehemalige Präses. Wobei ihr genau dort in Obertiefenbach wichtige Werte wie Gemeinschaft und Nächstenliebe bereits in Kinderjahren vertraut wurden. „Meine Oma war mir da großes Vorbild“, erinnert sie sich an die stets bei dieser offen stehenden Türen. „Haus der guten Einkehr haben das die Leut’ immer genannt aufgrund ihrer Gastfreundschaft.“ Über die Jungschararbeit (Beeres: „Wir hatten damals oft 36 Kinder im Stuhlkreis aus Obertiefenbach und den Nachbarorten“) wuchs und festigte sich die Verbindung zu Gott und Glauben. Freizeiten und ausgerechnet der Kontakt zu katholischen Theologen wie Diakon Peter Fischer im Kloster Schönau oder Pater Heinz Lau im Kloster Maria Martental bei Cochem bezeichnet sie heute als „Wegweiser im Glauben“; aber auch Evi und Paul Clotz waren lange Zeit geistliche Vertraute.

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Blick nach oben und Menschen nicht aus den Augen verlieren

Am 11. Juni 1999 wurde sie in der Realschule in Nastätten zur Vorsitzenden der Dekanatssynode gewählt. Günter Rein war Dekan. Strukturfragen gehörten damals schon zum kirchlichen Alltag. „Unsere Kirche auf dem Weg ins nächste Jahrtausend“ lautete ein Entwicklungsprozess, zunächst noch moderiert von ihrer Vorgängerin Ute Hahn. Für „Vernetzung und übergemeindliche Kooperationen“, für „Verkündigung und gelebten Glauben“ wurde sich im Dekanat an Pin-Wänden stark gemacht – mittendrin: die 33-jährige Anja Beeres. Das Hantieren mit Flipcharts, Filzstiften und Bewertungspunkten wurde zum Dauerbrenner ihrer 25-jährigen Amtszeit als Vorsitzende des Synodalvorstandes. Das nötige Rüstzeug brachte die Verwaltungs-Expertin aus dem Beruf mit, viele Jahre im Mainzer Wirtschaftsministerium, heute als Leiterin der Zentralgruppe Verwaltung im Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Montabaur.

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Nicht nur im DSV war ihr Teamgeist wichtig. Auch in anderen Gremien agierte sie mit Herzblut, Weitblick und ausgleichendem Geschick; allein mehr als 30 Jahre in der Verbandsvertretung und im Vorstand der Sozialstation Loreley-Nastätten. Große Aufgaben wie eine Erweiterung und Fusion zwischen Westerwald, Rhein-Lahn und Hintertaunus begleitete sie im Vorstand der Regionalverwaltung, das damals noch „Rentamt“ hieß. Und in der Vermittlung unter den Gemeinden und Kirchenvorständen wie bei der regelmäßigen Diskussion über die Bemessung der Pfarrstellen, der Fusion der drei Dekanate oder aktuell der Bildung von Nachbarschaften beraumte sie lieber eine Beratung mehr als eine zu wenig an, um alle mitzunehmen. Echte Herausforderungen nennt sie, was da in den vergangenen Jahren mit immer höherem Zeitdruck „von oben“ kam. Und damit meint sie die kirchliche Leitungsebene, nicht den „ganz oben“.

Anja Beeres engagiert sich seit mehr als 35 Jahren für die evangelische Kirche in der Region Rhein-Lahn – Oma als Vorbild

Von dem und dem „weiten Raum“, den Gott den Menschen ermöglicht, will sie weiterhin erzählen. Seit 35 Jahren predigt sie davon im ehrenamtlichen Verkündigungsdienst in Gottesdiensten im ganzen Blauen Ländchen und rund um die Loreley. „Menschen von der tragfähigsten Botschaft im Leben zu erzählen, sie wahrnehmen zu dürfen, mit ihren Sorgen und Problemen, das ist wunderschön“, sagt die langjährige Prädikantin. Gemeinsam Gottesdienst zu feiern, sei für sie keine Einbahnstraße, sondern ein Wechselspiel zwischen den Akteuren vor dem Altar, denen im Kirchenraum und – „ganz wichtig“ – der Musik. „Das gemeinsame Gebet stärkt alle“.

Überhaupt liebt sie die christliche Gemeinschaft, sei es bei meditativen Taizé-Andachten oder bei großen Events. Unvergessen ist ihr die erste Teilnahme an einem Deutschen Evangelischen Kirchentag im Jahr 1987 in Frankfurt. Seither zählt sie zu den Dauergästen des alle zwei Jahre stattfindenden Christentreffens. So wundert nicht, dass sie den Kirchenmusiktag der drei Rhein-Lahn-Dekanate 2012 in Nassau als einen Höhepunkt ihres ehrenamtlichen Dekanatsdienstes bezeichnet. In bester Erinnerung bleiben ihr die vielen geistvollen und Gemeinschaft bildenden Kirchenvorstand-Fortbildungen vom Elsaß über Königstein bis nach Eisenach, die Dekanats-Wandertage und die Reformationsgottesdienste, bei denen nichttheologische Prominenz wie ZDF-Journalist Wolf von Lojewski auf der Kanzel predigten.

Und natürlich war es schön für sie als Vorsitzende, wenn Synoden-Tagungen und Wahlen fürs Dekane-Amt funktionierten und die Tagesordnung gut abgearbeitet wurde. Solches Mittragen wünscht sie dem DSV weiterhin. „Aber zuerst mal, dass die Verwaltung endlich wieder voll besetzt ist“, sagt Beeres pragmatisch. Ohne „einen solchen Schatz“, wie sie ihn 20 Jahre mit Angelika Konkel-Hansmeyer als Verwaltungsfachkraft gehabt habe, könne die Arbeit nicht gelingen. Und noch ein Wunsch ist ihr beim Rückblick zu entlocken: „Bei all dem Verwalten dürfen die Menschen, die jetzt noch in unseren Kirchengemeinden engagiert sind, die ihr Leben lang dieser Kirche treu blieben, nicht aus den Augen gelassen werden“.

Der Gottesdienst in der evangelischen Kirche von Miehlen am Samstag, 13. April, beginnt um 17 Uhr. Im Anschluss sind die Gäste zu einem Empfang im evangelischen Gemeindehaus gegenüber eingeladen.

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VG Nastätten

Verbandsgemeinderat Nastätten traf sich zur letzten Sitzung in der Legislaturperiode

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Foto: Verbandsgemeinde Nastätten

NASTÄTTEN Der Rat der Verbandsgemeinde Nastätten traf sich kürzlich zur letzten Sitzung in der nun endenden Legislaturperiode. Neben den thematischen Schwerpunkten der Sitzung nutzte Bürgermeister Jens Güllering das Treffen, um einen kurzen Rückblick auf die vergangenen fünf Jahre zu geben. So hat sich der Rat der Verbandsgemeinde seit seiner Konstituierung im Juni 2019 zu insgesamt 25 Sitzungen getroffen. Hinzu kommen 78 weitere Sitzungen der verschiedenen Fachausschüsse. In den Ratssitzungen wurden insgesamt 310 Tagesordnungspunkte beraten und beschlossen.

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Wie auch in früheren Zeiten, so war die nun endende Legislaturperiode von einem insgesamt guten Miteinander der Gremien geprägt,“ so Bürgermeister Jens Güllering. Und genau das ist auch weiterhin das Erfolgsrezept der Verbandsgemeinde im Blauen Ländchen. Keine ideologisch und parteipolitisch geprägten Debatten, sondern sachliche und lösungsorientierte Diskussionen. „Darauf sind wir stolz und so sollte es gerade auf kommunaler Ebene auch sein“, so Güllering.

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Geprägt waren die vergangenen fünf Jahre aber auch von der Corona-Pandemie. „Zu Beginn der Wahlzeit des Verbandsgemeinderates im Jahr 2019 hätte wohl niemand geglaubt, dass wir zahlreiche Sitzungen und Besprechungen online durchführen werden“, resümiert Güllering. Aber auch diese Herausforderung haben Verwaltung und Verbandsgemeinderat gut gemeistert und hinbekommen. So wurden Abläuft komplett hinterfragt und einiges auch neu eingeführt. Insofern lässt sich auch dieser für alle nicht einfachen Zeit sicher auch das ein oder andere Positive abgewinnen.

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Mit einem herzlichen Dankeschön für die gute Zusammenarbeit zwischen Rat, Beigeordneten und Verwaltung beendete Güllering die letzte Sitzung des Rates, bevor dann am 4. Juli der neu gewählte Verbandsgemeinderat zu seiner ersten Sitzung zusammentritt.

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Thematisch hat sich der Verbandsgemeinderat unter anderem mit den folgenden Schwerpunkten befasst:

2019 Contracting Heizungsanlage Grundschule Miehlen, Masterplan Breitbandausbau | 2020 Corona, Neues Beitragssystem für die Verbandsgemeindewerke, Hausärztliche Versorgung, Standortentscheidung für das Feuerwehrgerätehaus Nastätten, Breitbandausbau Schulen, Gewerbegebiete und weiße Flecken | 2021 Sanierung der zentralen Sportanlage der Verbandsgemeinde, Umsetzung des Digitalpaktes Schulen, Standortentscheidung für das Feuerwehrgerätehaus Miehlen, Ärzteversorgung, Lüftungsanlagen Grundschulen, Starkregen- und Hochwasservorsorgekonzepte, Hochbehälter „Spitzenstein“, Übernahme der Aufgabe des überörtlichen Tourismus | 2022 Start der Planungen für die Feuerwehrgerätehäuser in Miehlen und Nastätten, Umstellung Beitragssystem der Verbandsgemeindewerke – Satzungsbeschluss | 2023 Mitverlegung von Leerrohren für die Breitbandversorgung, Gesamtfortschreibung des Flächennutzungsplanes der Verbandsgemeinde (21. Änderung), Kommunaler Klimapakt, Kommunale Investitionsprogramm Klimaschutz und Innovation | 2024 Beauftragung einer Rahmenplanung zur Steuerung der Freiflächen-Photovoltaikanlagen, Kommunale Wärmeplanung, Schulentwicklungsplan für die beiden Grundschulen

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VG Nastätten

Nastätten macht es vor: So einfach kann Nachhaltigkeit gehen

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Foto: Stadt Nastätten

NASTÄTTEN Am vergangenen Mittwoch war es wieder soweit. Nach 2022 lud die Stadt Nastätten zum 2. Nachhaltigkeitstag auf den Marktplatz ein. Bei schönstem Wetter präsentierten 29 Stände aus Nastätten und der Region ihre nachhaltigen Projekte und zeigten mit Ihren liebevoll gestalteten Ständen den Besuchern wie einfach Nachhaltigkeit sein kann. Stadtbürgermeister Marco Ludwig, Bienenprinzessin Viktoria Raab und Beigeordneter u. Leiter der AG Nachhaltigkeitstag Stefan Janzen begrüßten um 10:00 Uhr alle anwesenden Gäste und die zahlreichen Aussteller.

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Im Anschluss übernahm Günter Soukup (Sammy), Mitglied der AG Nachhaltigkeitstag, die Moderation und beschrieb kurz den Ablauf des geplanten Bühnenprogramms. Mit zuckersüßen Auftritten der Kitas Bienenkorb und St. Peter & Paul, zwei professionelle Auftritte des Bläserchors der IGS sowie einem fantastischen Auftritt des Bürgermeisterchors konnte die AG ein abwechslungsreiches Bühnenprogramm anbieten.

Über die gesamte Mittagszeit wurden Interviews mit verschiedenen Ständen über die Bühnenanlage geführt, in denen sich die Stände vorstellen und präsentieren konnten. Das Organisationsteam bedankt sich für die tolle Unterstützung bei: ⁃ Veranstaltungstechnik Florian Emmel. ⁃ Obstspenden der Kornkammer und REWE

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Bei allen Ständen: • IGS • Abfallwirtschaft • Stadtwerke • EGOM • Repair Café • Ziegenhof Tönges • Gönn Dir Wein • Kroki • Kita Bienenkorb • Grundschule Blaues Ländchen • Kita Pusteblume • Natur-Kita • Hof Wolf
• Schäfer Kober • Jugendhaus Hahnenmühle • Ev. Kleiderkammer • Ev. Kirche Grüner Hahn • Fr. Ursula Näther • Fr. Hahn-Schwinn • Stiftung Scheuern • Ukraine-Stand • Kita St. Peter & Paul • Klimaschutzmanagerin des Kreises Frau Lemler • Forstamt • Repair Café • Schmeterlingsfreunde • Diakonie Die Tafel • Imkerverein Nastätten • Schenkeladen

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Nach einem langen Tag ist das Organisationsteam erschöpft, aber sehr glücklich darüber, dass die Veranstaltung so gut angenommen wurde. Als Fazit konnte man sagen, dass sich alle Mühen gelohnt hatten. Team: Stefan Janzen, Tina Behnert, Ulrike Götzensberger-Schrupp, Ulrike Pflug, Günter Soukup (Sammy), Ursula Näther, Stephan Kratz (abwesend)

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Haben Sie Lust sich am 3. Nachhaltigkeitstag 2026 zu beteiligen?

⁃ Aktiv in der Arbeitsgemeinschaft? ⁃ Mit einem eigenen Stand? ⁃ Mit Musik oder Gesang auf der Bühne? ⁃ Haben Sie Ideen oder Vorschläge? Wir freuen uns über Nachrichten unter folgender Mailadresse: nastaetten@vg-nastaetten.de Stichwort: Nachhaltigkeitstag

Foto: Stadt Natätten
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Blaulicht

Lebenshilfe Rhein-Lahn Prozess hat begonnen: Angeklagten droht nach Verständigung mehrjährige Haftstrafe

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NASTÄTTEN/KOBLENZ Heute früh um 9 Uhr wurde das Verfahren gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Lebenshilfe Rhein-Lahn vor dem Schöffengericht im Landgericht Koblenz eröffnet. Die Strafkammer ist mit drei hauptamtlichen und zwei Schöffenrichtern besetzt. Geleitet wird das Verfahren von Dr. Prinz.

Der angeklagte Martin M. nahm zwischen seinen drei Verteidigern auf der Anklagebank Platz. Im Anschluss verlas die Staatsanwältin die Anklage. Mehr als eine Stunde dauerte es, bis die über 250 Anklagepunkte verlesen werden konnten. Die vorgeworfenen Delikte reichten von E-Bike-Käufen im Wert von 101.251 Euro über Tauschgeschäfte bis hin zu Bargeldabhebungen im Zeitraum von 2020 bis 5. Dezember 2021 in Höhe von 115.760 Euro und nicht zu vergessen Überweisungen vom Lebenshilfe-Konto an den ehemaligen Geschäftsführer in Höhe von 262.312 Euro.

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Statsanwaltschaft und Verteidigung verständigen sich auf Strafrahmen zwischen 2 Jahre, 9 Monate bis 3 Jahre und 3 Monate

Zusätzlich gab es noch Bonuszahlungen in Form zusätzlicher Monatsgehälter. Dafür sollen Gesellschafterbeschlüsse schriftlich erstellt worden sein, wo es gar keine Gesellschafterversammlungen gab. Diese hätten den Angeklagten berechtigt, die Bonuszahlungen zu erhalten. Dieser Anklagepunkt wurde schließlich fallengelassen, obwohl es nachweisliche Auszahlungen in Höhe von 44.700 Euro gab. Grund war, dass die Vorsitzende des Lebenshilfe-Vereins laut Angaben des Angeklagten die Protokolle abgezeichnet hätte. Da sie sich selber nicht belasten muss und angeblich nicht wusste, was dort in den vermeintlich gefälschten Gesellschafterbeschlüssen stand, ist unklar, wer die Protokolle tatsächlich unterschrieben hat. Der Angeklagte will es nicht gewesen sein. Um das Verfahren zu verkürzen und weil die Strafe kaum ins Gewicht fallen würde, wurden diese Anklagepunkte nicht mehr berücksichtigt. Dabei wirkten die Begründungen für die Bonuszahlungen skurril. Alleine 15.712 Euro für besondere Leistungen in der Coronazeit. Dafür reichten die offenbar fingierten Gesellschafterbeschlüsse dem Lohnbuchhalter aus, um die Zahlungen anzuweisen. Ein anderes Mal wurde Geld, ein E-Bike als Bonus gewährt.

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Wie in einem Selbstbedienungsladen: 598.232,46 Euro soll der Angeklagte für sich vereinnahmt haben

Schlussendlich warf die Staatsanwaltschaft dem ehemaligen Geschäftsführer vor, dass er für eigene Zwecke Gelder in Höhe von rund 598.232,46 Euro für sich vereinnahmte. Ab August 2021 war die Lebenshilfe Rhein-Lahn bereits zahlungsunfähig. Ratenzahlungsvereinbarungen mit Krankenkassen wurden nicht eingehalten. Beim Verlesen der umfangreichen Anklage hörte es sich teilweise an wie in einem Selbstbedienungsladen. Nahezu jede Woche wurden vom Angeklagten entweder per Überweisungen oder Bargeldabhebungen vierstellige Beträge abgehoben. Teilweise geschah das sogar mehrfach an einem Tag. E-Bikes wurden in Nastätten gekauft, manche kosteten fünfstellige Summen, und an anderen Tagen wieder getauscht oder verkauft. Dazu kam noch ein Quad oder Mobiltelefone, die er für die Mitarbeiter erwarb und anschließend auf einer Auktionsplattform versteigerte, zum eigenen Vorteil.

Der Schaden ist immens und es bedurfte eines erfahrenen Richters, der das gesamte Spektrum des Wirtschaftsrechts abdecken konnte. Der Vorsitzende, Dr. Prinz, leitete die Verhandlung mit Bedacht und Struktur und ließ gar keine emotionalen Ausfälle zu. Für die wenigen Zuschauer war das sicherlich nicht einfach zu verdauen. Vielleicht waren die Erwartungen am ersten Verhandlungstag auch die Falschen. Hier geht es um die juristische Aufarbeitung. Fragen werden offen bleiben und für die ehemaligen Mitarbeiter der Lebenshilfe Rhein-Lahn wird es keine Genugtuung geben. Das wurde schon zu Prozessbeginn sehr deutlich und macht es wahrscheinlich für einige Betroffene unerträglich.

Beim Zuhören der vereinnahmten Zahlen und der dazugehörigen Geschwindigkeit konnte einem schwindelig werden. Während manche Mitarbeiter bei ihren Gehaltszahlungen vertröstet wurden oder um erbrachte geldwerte Leistungen kämpfen mussten, bediente sich der Angeklagte am finanziellen Topf der Lebenshilfe nach Belieben und lebte ein vermeintlich ausschweifendes Leben. So könnte man es durchaus wahrnehmen. Ob das allerdings so zutraf, ist noch unklar. Ein erstelltes Sachverständigengutachten dürfte da mehr Klarheit bringen. Dennoch fiel bereits das Schlagwort Kaufsucht, aber lässt sich damit alles erklären? Auch das wird man abwarten müssen.

Schon vor dem ersten Verhandlungstermin soll es Verständigungsgespräche zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung gegeben haben. Die Anwälte des ehemaligen Geschäftsführers hofften auf eine bewährungsfähige Strafe für ihren Mandanten. Schon zu Beginn der Verhandlung machte der vorsitzende Richter, Dr. Prinz, deutlich, dass es die nicht geben wird. Auch seitens der Staatsanwaltschaft war ein solcher Strafrahmen ausgeschlossen. Sie teilte mit, dass sie deutlich mehr als 3 Jahre Haft für den Angeklagten für angemessen halten würde.

Auf Anraten der Kammer wurden erneute Verständigungsgespräche geführt. Dr. Prinz schlug einen Strafrahmen von 2 Jahren, 9 Monaten bis 3 Jahre, 3 Monate vor. Darauf konnten sich nach kurzer Unterbrechung der Angeklagte, die Verteidiger und die Staatsanwaltschaft einigen. Das bedeutet, dass das Landgericht in diesem Rahmen auf eine Haftstrafe festlegen wird, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Der Richter konnte sich aber vorstellen, dass es im späteren Urteil eine Begründung geben wird, die eine Strafaussetzung nach der Hälfte möglich machen könnte.

Somit könnte der Angeklagte nach 1 Jahr, 3 Monaten bis 1 Jahr, 9 Monaten wieder auf freien Fuß sein, wenn das zutreffen sollte. Damit dieser Strafrahmen überhaupt möglich wird, musste der Angeklagte ein qualifiziertes und vollumfängliches Geständnis ablegen. Das ließ er von seinen Anwälten verlesen. Prinzipiell räumte er nahezu alle Vorwürfe ein, bis auf die gefälschten Gesellschafterbeschlüsse. Ration erklärten könnte er sein Verhalten nicht, und er habe akzeptiert, dass er für seine Verfehlungen geradestehen müsse. Zum Geständnis gehörten die Bargeldabhebungen, die Überweisungen, Tauschgeschäfte, der Kauf der Fahrräder und die Veräußerung der Mobiltelefone. Auch den fälligen Insolvenzantrag habe er nicht gestellt. Die Verteidiger schlossen im Namen ihres Mandanten mit den Worten: “Auch wenn das von den Zuhörern als Floskel abgetan wird, mir tun meine Handlungen sehr leid.”

Wiedergutmachungen gab es bisher nicht

Wiedergutmachungen gab es bisher nicht. Bei einem Haftprüfungstermin teilte der damalige Gefangene mit, dass er mit 1000 Euro monatlich den Schaden beheben möchte. Dazu wäre es wegen Pfändungen und Schwierigkeiten nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft nicht gekommen. Die Verteidiger teilten mit, dass es von einer Versicherung 250.000 Euro an den Insolvenzverwalter Lieser gegeben hätte. Schuldmindernd oder wiedergutmachend sah das die Staatsanwaltschaft nicht, da das Geld nicht von einer Versicherung des Angeklagten kam, sondern von einer Police der Lebenshilfe Rhein-Lahn.

Nun gibt es eine Verständigung mit einem Strafrahmen von 2 Jahren, 9 Monaten bis 3 Jahre und 3 Monate. Ob die hält, hängt davon ab, ob möglicherweise weitere schwere Vergehen im Laufe der Zeugenbefragungen zutage kommen. Dann würde eine solche Verständigung aufgehoben werden. Bereits am morgigen zweiten Verhandlungstag sollen die ersten Zeugen befragt werden.

Am Ende war es nicht allein die erhebliche Schadenssumme, die eine Strafe mit Aussetzung zur Bewährung unmöglich machte. Auch die erheblichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten flossen in die Überlegungen der Kammer mit ein. Bereits in den Vorjahren vor der Beschäftigung bei der Lebenshilfe Rhein-Lahn soll der ehemalige Geschäftsführer wegen Betruges und des Missbrauchs von Titeln verurteilt worden sein, zuletzt 2013 vor dem Amtsgericht in Lahnstein zu einer Strafe von einem Jahr und 10 Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Angeblich soll der Angeklagte unter Minderwertigkeitskomplexen gelitten haben. Mit gefälschten Uni-Abschlüssen und Promotionen der Universität Landau und einer weiteren mit Abschluss Magna cum laude abgeschlossenen Doktortitel in Theologie und als Diplompädagoge bewarb er sich bei einem beruflichen Trainingszentrum in Neuwied und wurde dort eingestellt. Ohne gefälschte Unterlagen hätte er die Stelle nicht erhalten. Das Gleiche später bei einem kirchlichen Krankenhausträger, wo er später fristlos gekündigt wurde, als die Fälschung nachgewiesen wurde.

Dennoch soll er Schriftverkehr mit Banken und Versicherungen mit dem gefälschten Doktortitel unterschrieben haben. 2016 endete seine Bewährungszeit vorzeitig. Nach seiner Tätigkeit bei einem Versandhausriesen ging es 2016 erstmalig als Prokurist zur Lebenshilfe Rhein-Lahn, und da muss tatsächlich hinterfragt werden: Bei einem Träger, der sich für beeinträchtigte Kinder und Erwachsene einsetzt, wurde kein Führungszeugnis eines Prokuristen verlangt? Erstaunlich.

Viele Fragen bleiben offen

Nach dem ersten Verhandlungstag bleiben viele Fragen offen, aber das war nicht anders zu erwarten gewesen. Rückfragen auf das Geständnis waren nicht zugelassen, außer es wäre nicht vollumfänglich und qualifiziert von der Kammer oder der Staatsanwältin anerkannt worden. Dem war zunächst nicht so, was für die Betroffenen unbefriedigend war. Sie hofften auf Antworten. Bei der Lebenshilfe Rhein-Lahn soll nach Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern durch den ehemaligen Geschäftsführer ein hoher psychologischer Druck auf vereinzelte Beschäftigte ausgeübt worden sein. Die Arbeitsverhältnisse beschrieben viele als schwierig, doch wie weit kann daraufhin ein Gericht reagieren? Gar nicht. Hier geht es um die juristische Aufarbeitung, und die erhofften Antworten kann es nicht geben. Hochprofessionell und mit einem ruhigen roten Faden versehen, leitet der Vorsitzende durch die Verhandlung. Genauso unaufgeregt und nicht minder professionell arbeiten die Verteidiger und natürlich die Staatsanwaltschaft.

Angeklagter würdigte dem wenigen Publikum kaum einen Blick. Ruhig und aufmerksam verfolgte er die Verhandlung während er machmal lächelnd mit den Verteidigern kommunizierte

Ein Angeklagter hat das Recht auf eine gute Verteidigung, und genau das machen die Anwälte. Sie verteidigen, so wie es ihr Auftrag ist, überlegt und taktisch klug. Demgegenüber sitzt die Staatsanwältin, die eine Strafforderung formulieren muss, die aus ihrer Sicht den Vergehen des Angeklagten angemessen ist. Und genau darum geht es: Dort sitzen Vollprofis, die nur eins machen können – juristisch aufarbeiten.

Emotionslos ist dort keiner, aber genau darum darf es nicht gehen, denn Emotionen trüben die Sicht auf die juristische Perspektive, und am Ende hat all das durchaus eine Moral, denn mit dem Urteil wird etwas befriedet: Das Verhalten des Angeklagten wird sanktioniert. Mit der Strafe wird das eigene Schicksal nicht unbedingt verbessert. Die Auseinandersetzung mit der Schuld wird dem Angeklagten noch eine Zeitlang begegnen, und die Betroffenen der Lebenshilfe haben möglicherweise etwas Genugtuung erfahren, aber dennoch werden ihre Fragen Fragen bleiben.

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