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Lahnstein

Ökumenisches Holocaust-Gedenken in der Friedenskirche Friedrichsegen erinnert an ermordete Gruppe von Gotteszeugen

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In der Friedenskirche von Friedrichssegen erinnerten Vertreter des christlichen und des jüdischen Glaubens an die Opfer des Holocaust. Im Zentrum des Gedenkens standen diesmal die Zeugen Jehovas, die schon zu Beginn des NS-Regimes in Lager deportiert und aufgrund ihres Glaubens hingerichtet wurden.
Fotos: Dekanat Nassauer Land/Bernd-Christoph Matern
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FRIEDRICHSEGEN Zu einem Gedenken an die Opfer des Holocaust hatte die Ökumene-Pfarrerin des evangelischen Dekanats Nassauer Land Antje Müller zusammen mit der katholischen Kirchengemeinde und Vertretern jüdischen Glaubens in die Friedenskirche nach Friedrichssegen eingeladen. Vielseitig wurde dort an das unsagbare Leid erinnert, dass das nationalsozialistische Regime Andersdenkenden zugefügt hat. Zur alljährlichen Erinnerung wurden diesmal unter dem Titel „Die vergessenen Opfer“ die Verbrechen der NS-Diktatur an den Zeugen Jehovas besonders in den Blick genommen. Das Gedenken zeigte außerdem: Rechtsextremistischer Hass und Menschenverachtung in Wort und Tat wurde auch von Christen gefördert.

Dir, dir Jehova will ich singen“, erklang es zu Beginn im gut gefüllten Gotteshaus. Der Begriff leitet sich vom hebräischen Jahwe ab, wie Gott im Alten Testament bezeichnet wird: „Ich bin, der ich bin“. Im aktuellen evangelischen Gesangbuch wurde der Gottesbegriff durch „Höchster“ ersetzt. Das war nicht die einzige wissenswerte Erklärung des Nachmittags. Rainer und Talida Dämgen erinnerten an Martin Niemöller. Der Marineoffizier, Pfarrer, Mitbegründer der Bekennenden Kirche, KZ-Häftling und spätere erste Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) stellte den damaligen Christen kein gutes Zeugnis aus. Ein gut Teil der Schuld an „den ewigen Kriegen“ falle auf sie, nicht auf Gott, zitierten die beiden im Altarraum. Antje Müller erinnerte daran, dass zur Ernennung des evangelischen Reichsbischofs Ludwig Müller in Wittenberg Zweidrittel der Pfarrer in NS-Uniform teilnahmen. Anders Martin Niemöller. Er verwies beschämt auf die damaligen Mitglieder „einer sogenannten Sekte wie die der ernsten Bibelforscher, die zu Hunderten und Tausenden ins Konzentrationslager und in den Tod gegangen sind, weil sie den Kriegsdienst ablehnten, und sich weigerten, auf Menschen zu schießen“.  

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Erschütternd die in einem Video präsentierten Augenzeugenberichte über die Hinrichtung August Diekmanns im September 1939, der sich weigerte, Soldat zu werden und seinem Glauben abzuschwören. 8000 Häftlinge mussten dabei zuschauen. Die Abschreckung hatte keinen Erfolg; Hunderte der unbeugsamen Zeugen Jehovas, die bis 1931 „ernste Bibelforscher“ hießen, wurden ebenfalls hingerichtet; tausende kamen in den Lagern ums Leben. „Ein Pakt mit Hitler wäre ihnen als ein Pakt mit dem Satan vorgekommen.“ Ein Mensch könne kein Führer sein; Heil sei nur durch Christus zu erlangen, erklärte Müller deren Haltung. Die Gedenkstunde erinnerte beispielhaft an Verfolgte aus dem Rhein-Lahn-Kreis wie Maria Hombach aus Bad Ems und Max Hollweg aus Marienfels, der die Geschehnisse in der Region und seine KZ-Haft in einem Buch verewigte, das von Zivilcourage im Dritten Reich handelt und den Titel trägt „Es ist unmöglich von dem zu schweigen, was ich erlebt habe“.

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Wie wichtig die Erinnerung an die unfassbar menschenverachtenden Taten des NS-Regimes ist und an deren Ursprünge, bekräftigte Daniel Strauß in einem Video-Statement. Der Zeuge Jehova ist seit 1995 Vorsitzender des baden-württembergischen Landesverbandes der Sinti und Roma, hat das Kulturzentrum „RomnoKher“ in Mannheim gegründet und gilt als renommierter Kenner in der Holocaustforschung; zahlreiche seiner Publikationen beschäftigen sich mit dem Thema „Antiziganismus“.

Zur Sprache kamen während der Gedenkfeier auch aktuelle Entwicklungen wie weltweite Kriege und das Erstarken rechtsextremistischer Gedanken in Deutschland. Panzer, Bomben und Raketen ließen sich zwar nicht aufhalten, „aber wir können etwas tun“, sagte die katholische Gemeindereferentin Tanja Kaminski. „Wir können aufbegehren, wo die Würde des Menschen mit Füßen getreten wird, zuhause, in der Schule, am Arbeitsplatz.“ Und Wolfgang Elias Dorr als Vertreter des jüdischen Glaubens betonte: „Wir sehnen uns nach Gerechtigkeit, die nicht auf Kosten anderer zustande kommt“. Er bat darum, das Gedenken zu stärken und als mutige Menschen zu einem lebendigen Zeichen von Gottes Frieden zu werden.

Musikalisch umrahmt wurde die Feier von Organistin Hannelore Syre und dem Chor Septime aus Miellen, der unter Leitung von Wassily Kotykov passende Lieder anstimmte. „Hevenu Shalom Alechem“ (Wir wünschen Frieden für alle) etwa, das Friedenslied „Tebje Pajom“ („O Herr, gib Frieden“) und „Von guten Mächten wunderbar  geborgen“, das der evangelische Pfarrer Dietrich Bonhoeffer 1945 im KZ Flossenbürg schrieb, bevor er dort 39-jährig ermordet wurde.

Und auch das war ein Zeichen für den Frieden unter Religionen und Völkern: Nikolaus Hermann aus Miellen, von dem bereits der siebarmige hölzerne Leuchter stammt, der die Kirche bei christlich-jüdischen Gedenkveranstaltungen ziert, hatte ein neues Bild geschaffen, das die Versöhnung  zwischen Judentum und Christentum in den Fokus rückt.

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Lahnstein

Anhaltende Verschmutzung und Schäden führen zu Schulhofschließung in Lahnstein

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Foto: Mira Bind | Stadtverwaltung Lahnstein
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LAHNSTEIN Nach einer Reihe massiver Verschmutzungen und wiederholter Sachbeschädigungen muss der Schulhof der Goetheschule Lahnstein ab sofort nach Schulschluss vollständig geschlossen werden. „Auf unserem Schulhof kommt es ständig zu untragbaren Zuständen“, erklärt Schulleiter Marius Klein. Lehrerinnen, Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler finden regelmäßig Verpackungsreste, leere Flaschen und Glasscherben auf dem Gelände.

„Nicht nur der Schulhof leidet unter den ständigen Beschädigungen und Verschmutzungen, sondern auch die Kinder“, betont Klein. Die zunehmende Verrohung schade dem Lernumfeld und gefährde zudem die Sicherheit der Kinder. Neben Müll und Unrat kommt es auch zu gezieltem Vandalismus: Immer wieder werden Äste von Büschen und Bäumen abgebrochen und Pflanzen in den Beeten zerstört. Die Rutsche wurde mit Eiern beworfen – die Reinigung der eingetrockneten Reste stellte die Zuständigen vor große Herausforderungen.

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Besonders besorgniserregend: Der Fallschutzteppich an der Rutsche wurde mutwillig beschädigt – teils herausgerissen oder sogar herausgeschnitten – was eine erhebliche Verletzungsgefahr für spielende Kinder bedeutete. Nur notdürftig konnte der Bereich mit Panzertape gesichert werden. Auch Klettergeräte sind immer wieder Ziel von Schmierereien und Beschmutzungen.
Die Kletterwand sowie die Rutsche wurden mit Spraydosen besprüht und mussten mit Spezialreinigern gesäubert werden. In diesem Schuljahr wurden die Kletterstangen sogar mit Senf und Fäkalien beschmiert.

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Bereits im vergangenen Schuljahr wurde ein Seil am Klettergerüst angeschnitten und im Jahr 2023 mehrere Fensterscheiben beschädigt. Angesichts der anhaltenden Vorfälle sieht sich die Stadt zu konsequentem Handeln gezwungen. Oberbürgermeister Lennart Siefert erklärte: „Die Sicherheit der Kinder hat oberste Priorität. Wir können nicht zulassen, dass durch solche Taten Gesundheit und Wohlbefinden der  Schüler gefährdet werden.“ Die Schließung des Schulhofs nach Schulschluss sei daher leider ein notwendiger Schritt, um
eiteren Schaden zu verhindern.

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Blaulicht

Alltag auf der Wache: Die Polizeiinspektion Lahnstein im Porträt

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Foto: BEN Kurier
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LAHNSTEIN Wenn morgens die ersten Streifenwagen das Gelände der Polizeiinspektion Lahnstein verlassen, beginnt ein Arbeitstag, der selten vorhersehbar ist. Die Einsätze sind so vielfältig wie das Gebiet, für das die Beamtinnen und Beamten hier zuständig sind: Von der Stadt Lahnstein hin zur Verbandsgemeinde Loreley – mit Orten wie Dachsenhausen, Braubach und die Koblenzer Stadtteile Horchheim sowie Pfaffendorf. Mal ist es eine Ruhestörung in einem Mehrfamilienhaus, mal ein schwerer Verkehrsunfall, mal eine Anzeige wegen Internetbetrug. Die Herausforderungen wachsen – aber eines bleibt: der Wille, den Menschen zur Seite zu stehen.

Berufung in Uniform

Wer durch die Flure der Polizeiinspektion geht, begegnet Menschen mit Haltung. Caroline Fachinger, die Dienststellenleiterin, empfängt ruhig und freundlich – mit der Selbstverständlichkeit von über 30 Dienstjahren. Schon mit 16 begann sie ihre Laufbahn bei der Polizei, über Mainz und Koblenz führte sie der Weg zurück in den Rhein-Lahn-Kreis. Seit anderthalb Jahren leitet sie die Inspektion in Lahnstein, ein Team aus rund 40 Mitarbeitenden.

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»Was mich nach all den Jahren immer noch antreibt, ist die Vielseitigkeit dieses Berufs. Man kann sich entwickeln, sich einbringen – und man ist nie allein. Der Polizeidienst funktioniert nur als Teamarbeit«, sagt sie. Dabei ist sie nicht nur Führungskraft, sondern Kollegin, Mentorin, Ansprechpartnerin. Und sie spürt, dass sich der Beruf verändert hat – in der Wahrnehmung, aber auch in der Realität.

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Zwischen Fußstreife und Facebookbetrug

Denn klassische Straftaten wie Einbruch oder Diebstahl sind längst nicht mehr die einzigen Herausforderungen. »Die Kriminalität hat sich stark ins Internet verlagert. Betrugsmaschen über Kleinanzeigenportale, Fake-Shops, Hasskommentare in sozialen Netzwerken – das sind Dinge, mit denen wir heute regelmäßig zu tun haben«, so Fachinger. Und auch die Bürger selbst hätten sich verändert: »Die Schwelle, die Polizei zu rufen, ist gesunken. Die Menschen reagieren sensibler, aber auch schneller. Ein Streit unter Nachbarn, eine Rangelei auf der Kirmes – sofort wird das Handy gezückt und die 110 gewählt

Die neue Generation im Team

Eine, die diese neue Realität aus nächster Nähe erlebt, ist Polizeikommissarin Alisha Ling. Frisch im Dienst, mit viel Begeisterung und einer ordentlichen Portion Realitätssinn. »Für mich war das ein Kindheitstraum. Und was mich bis heute am meisten fasziniert, ist der Teamgeist. Du bist nie allein. Du gehst nicht allein zum Einsatz, du trägst Verantwortung gemeinsam.«

Ling liebt die Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern. »Da sind so viele Begegnungen, die einfach guttun. Menschen, die dankbar sind. Oder auch nur mal reden wollen. Das gehört genauso dazu wie die schwierigen Seiten.«

Und die gibt es. Etwa wenn es darum geht, Todesnachrichten zu überbringen. »Das sind Momente, in denen man sich wünscht, diesen Teil des Jobs könnte jemand anders übernehmen.« Doch die Polizei ist auch darauf vorbereitet: Mit dem sogenannten Kriseninterventionsteam (Kit-Pol) stehen geschulte Kolleginnen und Kollegen zur Seite, um emotionale Belastungen aufzufangen – und aufzuarbeiten.

Streife, Schreibtisch, Zentrale Anzeigenbearbeitung

Viele denken bei Polizeiarbeit nur an Funkwagen und Blaulicht – doch der Dienstalltag ist weit mehr. »Ein Großteil unserer Arbeit spielt sich am Schreibtisch ab«, erklärt Caroline Fachinger. In Lahnstein ist sogar die Zentrale Anzeigenbearbeitung für das gesamte Polizeipräsidium Koblenz angesiedelt. Betrugsdelikte, Sachbeschädigungen, Ladendiebstähle – Fälle mit geringer Komplexität, aber hoher Anzahl, werden hier gesammelt und bearbeitet. »Das entlastet die Reviere vor Ort und bündelt Kompetenzen

Und dennoch bleibt der Kontakt zur Straße wichtig – buchstäblich. »Wir versuchen, regelmäßig zu Fuß Streife zu gehen«, sagt Alisha Ling. »Gerade nach dem Frühdienst, einfach raus in die Innenstadt. Die Leute sehen uns, sprechen uns an. So entsteht Nähe.«

Mit Haltung und Herz: Polizei als Lebensweg

Sven Hohaus, Polizeioberkommissar, ist einer, der den Polizeiberuf von mehreren Seiten kennt. Nach seiner Ausbildung unterrichtet er heute neben dem Streifendienst auch an der Höheren Berufsfachschule in Lahnstein – dort, wo er selbst einst begann. Er lehrt Gefahrenabwehrrecht und bringt den Nachwuchs auf Kurs. »Mir war klar, dass ich keinen Beruf will, der mich täglich ins Büro einsperrt. Hier habe ich alles: Menschen, Herausforderungen, Verantwortung.«

Auch er kennt die Diskussion um Respekt gegenüber der Polizei. „Ja, es ist manchmal rauer geworden. Aber mit dem richtigen Auftreten kommt man weit. Freundlichkeit wirkt oft stärker als jedes Mittel des Zwangs.“ Angst habe er nie. »Man braucht Respekt vor der Situation und den Menschen, aber keine Angst.«

Ein starkes Team – für ein starkes Revier

Was uns beim Besuch in der PI Lahnstein besonders auffiel, war das Miteinander. Die gegenseitige Unterstützung, das Gespräch, das offene Ohr. Vom Schreibtisch bis zur Fußstreife, von der jungen Kommissarin bis zur erfahrenen Leiterin – hier wird zusammengearbeitet, nicht nebeneinander her.

»Polizei ist nicht, was viele von außen denken«, sagt Caroline Fachinger. »Wir sind keine Befehlsempfänger – wir sind Entscheidungsfinder, Gesprächspartner, Helfer. Und manchmal auch nur einfach da.«

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Lahnstein

Verkehrsdebatte in Lahnstein: Ringlösung sorgt für Zustimmung und Unmut gleichermaßen

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Foto: Jennifer Schmidt | BEN Kurier
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LAHNSTEIN Die Umgestaltung der Verkehrsführung in Lahnstein – insbesondere die Einführung einer sogenannten „Ringlösung“ mit Einbahnstraßenregelungen – sorgt für eine kontroverse Debatte in der Stadtgesellschaft. Während Oberbürgermeister Lennart Siefert die Maßnahme als sachlich begründet und verkehrstechnisch notwendig bezeichnet, formiert sich Widerstand in Form einer Bürgerinitiative. Auch im Stadtrat sind die Meinungen geteilt. Klar ist: Einfache Lösungen gibt es nicht, und Einigkeit herrscht weder auf politischer noch auf gesellschaftlicher Ebene.

Oberbürgermeister: »Optimale Verkehrsführung – weniger Unfälle, flüssiger Verkehr«

Im Videointerview mit dem BEN Kurier erklärte Oberbürgermeister Lennart Siefert die Beweggründe für die umstrittene Maßnahme: „Es ist im Prinzip in Oberlahnstein Stein des Anstoßes, die Drehung der Adolfstraße. Dort haben wir die Bürger nicht beteiligt, weil die Rechtsgrundlage hergibt, dass keine Beteiligung erforderlich oder möglich ist. Auch die Gremien wurden nicht beteiligt, weil es sich um eine verwaltungsseitige Entscheidung handelt.

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Die neue Verkehrsführung sei aus Sicht der Stadtverwaltung die effektivste Lösung, um den Verkehr in Lahnstein dauerhaft zu entlasten. „Im Rahmen der Sperrung der Lahnbrücke haben wir festgestellt, dass dies die optimale Verkehrsführung ist, um den Verkehr störungsfrei und kreuzungsfrei durch Oberlahnstein zu leiten. Statt wie üblich 13.000 Fahrzeuge waren es damals fast 30.000, und dennoch lief der Verkehr flüssig„, so Siefert.

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Weitere Vorteile sieht der Verwaltungschef in der Umleitung von Autos über die Bundesstraße: »Das spart Kosten für die Stadt, entlastet Anwohner und reduziert die Zahl der Unfälle. Die Maßnahme dient also der Sicherheit, der Ordnung und der Kosteneffizienz

Bürgerinitiative: »Fehlende Transparenz, wirtschaftliche Risiken, realistische Alternativen«

Die Bürgerinitiative (BI) »Zurück zur ursprünglichen Verkehrsführung« sieht das grundlegend anders. In einer ausführlichen Stellungnahme kritisiert sie nicht nur die mangelnde Bürgerbeteiligung, sondern auch die wirtschaftlichen Folgen für den Einzelhandel.

Ein zentrales Argument der Initiative betrifft die angeblich fehlende Alternative zur Hochstraße. Diese sei sehr wohl gegeben, etwa durch eine sinnvolle Einbindung der Bürgermeister-Müller-Straße. »Durch Verkehrsspiegel oder eine Ampelregelung kann der Tunnel aus dem Rheinquartier weiterhin sicher erreicht werden. Die aktuelle Beschilderung als Anliegerstraße verhindert eine sinnvolle Nutzung«, heißt es in der Mitteilung.

Auch die Diskussion um den Schwerlastverkehr sieht die BI verzerrt dargestellt. Entgegen der Vorwürfe wolle man nicht nur Oberlahnstein entlasten, sondern eine »gerechte Verteilung des Verkehrs auf beide Stadtteile«. Unter dem Motto »Geteiltes Leid ist halbes Leid« fordert die BI eine gleichmäßige Belastung – auch zum Schutz der Brücke und der Anwohner auf beiden Seiten der Lahn.

Einzelhandel warnt vor Existenzbedrohung

Besonders brisant ist die Position der Gewerbetreibenden: 59 lokale Händler haben sich laut BI mit einer Unterschriftenliste an den Oberbürgermeister gewandt und fordern die Rückkehr zur ursprünglichen Verkehrsführung. Sie befürchten durch die Verkehrsberuhigung – insbesondere der Hochstraße – Umsatzeinbußen bis hin zur Geschäftsaufgabe.

Dem entgegnet OB Siefert: »Ich weiß von etlichen Geschäftstreibenden, dass im Prinzip keine Einbußen im Umsatz vorhanden sind.« Zudem stelle sich die Frage nach der Seriosität der Unterschriften: »Wenn Leute, die sich vorher positiv äußern, nachher auf einer Unterschriftenliste stehen, muss man das hinterfragen.«

Die Bürgerinitiative sieht das anders und fordert eine Verkehrsführung, die sowohl den Anwohnern als auch den Gewerbetreibenden gerecht wird: „Ein verkehrsberuhigter Geschäftsbereich mit Tempo 20 und Kurzzeitparkplätzen wäre eine sinnvolle Lösung, ohne wirtschaftlichen Schaden anzurichten.

Streit um Öffentlichkeitsarbeit: Interview abgelehnt – Bürgerinitiative erscheint nicht im Video

Ursprünglich hatte der BEN Kurier geplant, im Videobeitrag sowohl den Oberbürgermeister als auch die Bürgerinitiative »Zurück zur ursprünglichen Verkehrsführung« zu Wort kommen zu lassen. Beide Seiten wurden eingeladen, ihre Sichtweise darzulegen – und beide stimmten zunächst einem Videointerview zu.

Während Oberbürgermeister Siefert dem Gespräch ohne Bedingungen zustimmte, forderte der Initiator der Bürgerinitiative, Michael Cramer von Clausbruch, im Nachhinein eine Vorabfreigabe des Interviews. Obwohl ihm im Vorfeld ausdrücklich mitgeteilt worden war, dass redaktionelle Inhalte aus presseethischen Gründen grundsätzlich nicht zur Freigabe vorgelegt werden, beharrte er dennoch auf einer vorherigen Einsicht. Die Redaktion lehnte dies – wie bei allen Interviewpartnern – ab.

Infolge dieser Forderung zog die Bürgerinitiative ihre Zustimmung zur Veröffentlichung des bereits geführten Interviews zurück. Daher kommt im veröffentlichten Video nur die Perspektive des Oberbürgermeisters zur Geltung.

Redaktioneller Hinweis:

Ein solches Verhalten widerspricht den Grundprinzipien unabhängiger Berichterstattung. Während Interviewpartner selbstverständlich fair und korrekt dargestellt werden, bleibt die inhaltliche Verantwortung bei der Redaktion – nicht bei den Interviewten. Vorabfreigaben einzelner Inhalte wären ein unzulässiger Eingriff in die Pressefreiheit.

Zukunftsperspektive: Bürgerbeteiligung angekündigt

In der jüngsten Stadtratssitzung kündigte die ULL, die Partei des Oberbürgermeisters, eine Bürgerbeteiligung zur Verkehrsführung an. Eine „Koordinationsstelle Bürgerbeteiligung“ soll künftig den Dialog zwischen Verwaltung und Bürgerschaft verbessern. Zwar sei eine Stadt rechtlich nicht an die Ergebnisse solcher Beteiligungsverfahren gebunden, doch verschaffe man sich so ein besseres Gespür für die Bedürfnisse und Sorgen der Bevölkerung. Die Entscheidung über das konkrete weitere Vorgehen soll in der nächsten Sitzung des Hauptausschusses fallen. Dass es bei einem so emotional aufgeladenen Thema am Ende allen recht gemacht werden kann, ist jedoch fraglich.

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