Connect with us

Blaulicht

Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen ehemaligen Geschäftsführer der Lebenshilfe erhoben

Veröffentlicht

am

Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen ehemaligen Geschäftsführer der Lebenshilfe erhoben

NASTÄTTEN Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat gegen einen Verantwortlichen einer mittlerweile insolventen gemeinnützigen Einrichtung im Rhein-Lahn-Kreis Anklage zum Landgericht – Wirtschaftsstrafkammer – in Koblenz erhoben.

Schaden 598.000 EUR in 251 Fällen – Gegen zwei weitere Beschuldigte wird weiter ermittelt

Dem Angeschuldigten wird vorgeworfen, im Zeitraum zwischen Februar 2020 und Dezember 2021 in insgesamt 251 Fällen unberechtigt auf Kosten der gemeinnützigen Einrichtung Anschaffungen für private Zwecke – insbesondere von teuren e-Bikes – getätigt und sich von Konten der Einrichtung Geldbeträge verschafft zu haben. Hierdurch soll ein Schaden in Höhe von 598.000,- EUR entstanden sein. Die Staatsanwaltschaft bewertet dies jeweils als Untreue in einem besonders schweren Fall. Soweit die Untreuetaten in 62 Fällen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der gemeinnützigen Einrichtung erfolgt sein sollen, wird dem Angeschuldigten in der Anklageschrift darüber hinaus jeweils tateinheitlich ein Bankrott durch Beiseiteschaffen von Vermögen zur Last gelegt.

Zusätzlich soll der Angeschuldigte nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft für das Nichtabführen von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung in 24 Fällen mit einer Schadenssumme von ca. 49.000,- EUR zum Nachteil mehrerer gesetzlicher Krankenkassen verantwortlich sein. Diese Handlungen werden ihm in der Anklageschrift als Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a Absatz 1 Strafgesetzbuch) zur Last gelegt. Schließlich wird dem Angeschuldigten vorgeworfen, einen Insolvenzantrag trotz Eintritts der Zahlungsunfähigkeit nicht rechtzeitig gestellt und dadurch den Tatbestand der Insolvenzverschleppung verwirklicht zu haben (§ 15a Absatz 4 Insolvenzordnung).

Der gegen den Angeschuldigten zu Beginn des Ermittlungsverfahrens im Dezember 2021 ergangene Haftbefehl wurde durch die Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Koblenz zwischenzeitlich gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Termin zur Hauptverhandlung ist noch nicht bestimmt, da zunächst dem Angeschuldigten im Zwischenverfahren rechtliches Gehör zu gewähren ist und das Landgericht über die Eröffnung des Verfahrens zu entscheiden hat. Bitte wenden Sie sich wegen des Fortgangs des gerichtlichen Verfahrens zu gegebener Zeit an die Pressestelle des Landgerichts Koblenz.

In dem beschriebenen Tatkomplex wird gegen zwei weitere Beschuldigte ermittelt, bei denen es sich um eine Verantwortliche und einen Beschäftigten der gemeinnützigen Einrichtung handelt. Gegen die weitere Verantwortliche der gemeinnützigen Einrichtung ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts der Beihilfe zu mehreren der angeklagten Untreuehandlungen (§§ 266 Absatz 1, 27 Strafgesetzbuch). Gegen den Beschäftigten der gemeinnützigen Einrichtung besteht der Anfangsverdacht der Hehlerei gemäß § 259 Absatz 1 Strafgesetzbuch. In beiden Verfahren dauern die Ermittlungen an.

Rechtliche Hinweise:

Wegen Untreue gemäß § 266 Strafgesetzbuch (StGB) macht sich strafbar, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Der Tatbestand der Untreue wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ein besonders schwerer Fall der Untreue liegt u. a. dann vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt. Untreue in besonders schweren Fällen wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

Wegen Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit Bestandteile des Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseiteschafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht.

Wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt macht sich gemäß § 266a Abs. 1 StGB strafbar, wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

Das Gesetz sieht für Taten des Bankrotts gem. § 283 StGB oder des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt gem. § 266a Abs. 1 StGB Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor.

Wegen Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 Insolvenzordnung macht sich strafbar, wer entgegen § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 der Insolvenzordnung, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtigstellt. Das Gesetz sieht für Taten der Insolvenzverschleppung Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor.

Allerdings hängt die Höhe einer etwaigen Strafe stets von den Umständen des Einzelfalles ab, lässt sich also nicht schematisch beurteilen.

Gemäß § 152 Absatz 2 der Strafprozessordnung ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet zu ermitteln, wenn ihr zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten bekannt werden. Die Aufnahme von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft bedeutet also nicht, dass Beschuldigte eines Ermittlungsverfahrens sich tatsächlich strafbar gemacht hätten. Vor einer rechtskräftigen Verurteilung gilt vielmehr die Unschuldsvermutung für die Beschuldigten.

Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage, wenn sie aufgrund der Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlicher als sein Freispruch ist. Allein mit der Erhebung einer Anklage ist weder ein Schuldspruch noch eine Vorverurteilung des Angeschuldigten verbunden. Für den Angeschuldigten gilt daher ebenfalls weiterhin in vollem Umfang die Unschuldsvermutung.

In Vertretung
gez. Dr. Moll, Oberstaatsanwalt

Print Friendly, PDF & Email
Teilen Sie mit anderen
Weiterlesen
Zum Kommentieren klicken

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Blaulicht

Rauch im Schulbus: 18 Kinder der Realschule in Katzenelnbogen mit Atembeschwerden behandelt

Veröffentlicht

am

von

KATZENELNBOGEN Gegen 8 Uhr 30 Uhr wurde zunächst ein Kind mit Atemnot in einem Schulbus gemeldet. Nach einem lauten Knall soll sich Rauch im Inneren des Fahrzeugs gebildet haben. Die Kinder konnten umgehend den Bus verlassen. Dennoch mussten 18 Kinder mit gemeldeten Atembeschwerden vom leitenden Notarzt gesichtet werden.

video
play-sharp-fill

Laut dem Organisatiosleiter des Rhein-Lahn-Kreises Christian Elbert, wurde bei allen betroffenen Kindern mit einem speziellen Messgerät der Methämoglobin (Met-HB) Wert gemessen. Ein solches Instrument führt jedes Notfalleinsatzfahrzeug in Rheinland-Pfalz mit sich. Glücklicherweise konnte bei keinem der Kinder eine Rauchgasvergiftung festgestellt werden. Alle Messergebnisse waren unauffällig. Keiner der Schüler musste zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus gebracht werden.

Im Einsatz waren die Rettungswagen aus Diez und Katzenelnbogen sowie ein Notfalleinsatzfahrzeug aus Diez.

Print Friendly, PDF & Email
Teilen Sie mit anderen
Weiterlesen

Blaulicht

Gemeldeter Flächenbrand in Lahnstein – Hohenrain konnte schnell gelöscht werden

Veröffentlicht

am

von

Gemeldeter Flächenbrand in Lahnstein - Hohenrain konnte schnell gelöscht werden

LAHNSTEIN Gemeldet war in Lahnstein – Hohenrain ein Flächenbrand. Vor Ort stellten die Feuerwehreinheiten aus Lahnstein drei Brandstellen im Wald fest. Innerhalb kurzer Zeit konnten die Brände mit zwei Fahrzeugen abgelöscht werden. Im Einsatz waren die Lahnsteiner Feuerwehrwachen Süd und Nord. Da gerade Gerätedienst war, konnte schnell ein weiteres Fahrzeug eingesetzt werden.

Die vermutliche Brandursache war ein nicht richtig gelöschtes Aufwärmfeuer von Waldarbeitern.

Print Friendly, PDF & Email
Teilen Sie mit anderen
Weiterlesen

Blaulicht

Warum?

Veröffentlicht

am

von

FREUDENBERG Der Beruf ist nicht immer eine Berufung. Gestern fuhr ich im Auftrag nach Freudenberg. Ich sollte Bilder festhalten von dem Ort, wo die 12-jährige Luise gestorben ist. Dort, wo die Menschen im Wald Blumen und Kerzen niederlegten. Ein letztes Andenken. Vor dem kleinen Andachtsplatz stand ein junger Mann mit seinem Hund. Stille. Die Blicke einfach nur leer. Er kannte Luise und auch die beiden mutmaßlichen Täterinnen flüchtig. Häufiger kamen sie den Waldweg entlang und grüßten so wie es Kinder nun mal tun.

“Dort hinten ist sie gestorben”, sagte der Mann mit leiser Stimme und zeigte auf ein tiefliegendes Waldstück. Sogar zahlreiche Fußspuren waren noch erkennbar. Vielleicht waren sie von der Polizei, von Luise oder den beiden Täterinnen. Man blickt von oben etwa 100 Meter in ein kleines Talstück abseits des Radweges. Ich wünschte, Luise hätte die Kraft gehabt, dort nicht mit hinzugehen. Hat sie sich gewehrt, hatte sie Angst und wusste sie, was ihr droht? Warum nur?

Es ist gespenstisch still. Die Menschen vor Ort reden leise. Im Hintergrund zwitschern fast friedlich die Vögel. Ich stehe dort oben und habe einen Kloß der Trauer im Hals. Man muss nicht sehen, um zu verstehen. Ich möchte schreien, aber ich kann nicht. Warum nur?

Man sieht viel, wenn man für eine Zeitung arbeitet, doch darauf ist man nicht vorbereitet. Die Gefühle fahren Achterbahn. Ich schaue ins Tal hinab, betrachte die Fußspuren und bin einfach nur entsetzlich traurig. Was hat sich dort nur abgespielt? Sterben durch die wahrscheinliche Hand der besten Freundin. Jemanden, dem man doch vertraut. Ich bin 52 Jahre alt und man macht sich natürlich Gedanken zum Sterben. Vielleicht ein wenig Torschlusspanik. Mancher möchte schnell gehen. Vielleicht im Schlaf sterben oder ein schneller Herzinfarkt. Das war nie mein Wunsch. Ich wollte mich immer verabschieden können. Die Hand eines geliebten Menschen halten, noch einmal in die Augen sehen und wissen, dass alles richtig war. Luise starb alleine. Sie hatte keine Hand, die sie hielt. Keine Mutter, kein Vater, der im letzten Moment bei ihr war. Kein Abschied. Nur der kalte Boden unter ihr im Wald. Wo ist da nur der Gott, von dem alle reden?

Ob diese Frage ernst gemeint ist? Für mich war sie es gestern. 52 Jahre lang wurde mir gesagt, ich soll glauben. Das neue Testament finde ich toll, aber wo warst du die vergangenen 52 Jahre? Die kleinen Zeichen erkennen und du warst da? Ich hätte gerne im Leben diesen Halt und Best Buddy gehabt, aber ich sehe dich nicht. Du hattest die Chance gehabt, dich bei Luise zu zeigen, um es zu verhindern.  Einmal ein großes Zeichen. Irrational? Ja. Rational denken konnte ich nicht mehr. Man fühlt vor Ort diesen Schmerz und die Trauer, obwohl man Luise selber nicht kannte. Warum nur?

Was muss dieses Mädchen ertragen haben? Vielleicht hätte sie gerettet werden können. Sie ist verblutet. Weiß man, dass man stirbt, wenn man verblutet? Ich könnte heulen. Zeit heilt alle Wunden, sagt man, doch wie sollen diese tatsächlich wieder gut werden? Es gibt so viele Opfer in der Geschichte. Die Eltern von Luise. Wie kann man das nur ertragen? Und die Eltern der Täterinnen. Auch diese sind Opfer. Wie soll man mit dem eigenen Kind und deren Schuld umgehen? Ist das überhaupt möglich? Und die Täterinnen? Ich rede mir ein, dass sie verroht sind und aus einer asozialen Familie kommen, doch genau das ist wohl nicht der Fall. Ich bin ein Kind der 80er. Verfehlungen hatten Konsequenzen. Mal war es der Stubenarrest oder auch eine Tracht Prügel. Ob das besser war? Es waren halt die 80er. Der Respekt vor den Eltern war groß und auch der Umgang mit Gleichaltrigen war anders. Auch früher gab es Streitigkeiten in der Schule und auch mal außerhalb, aber es wurde anders gelöst. Ob man sich prügelte? Klar. Man nahm in den Schwitzkasten und versuchte den Kontrahenten zu Boden zu zwingen. Und es wurde in den Bauch geboxt. Doch es gab da ein paar ungeschriebene goldene Regeln. Es wurde nicht ins Gesicht geschlagen und schon gar nicht getreten. Wenn der Unterlegene aufgab, war augenblicklich Ende. In der Schule wurde man auch noch von den Lehrern zurechtgewiesen. In der Grundschule stand ich so einige Male in der Ecke und Nachsitzen war mein Lieblingsfach.

So habe ich es aus meiner Sicht erlebt. Vielleicht verklärt man es mit der Zeit. Doch diese Gewaltexzesse, wie sie heute vereinzelt vorkommen, habe ich nie erlebt. Ich packe meine Sachen zusammen. Ich fahre das Stativ ein, schiebe die Kamera in die Tasche und gehe den Weg durch den Wald zurück ins Auto. Es ist wie das benommene Laufen auf Watte. 96 Kilometer bis nach Hause.

Auf dem Heimweg kreisen die Gedanken um Luise. Um den bedrückenden Ort. Mir kommen Tränen und ich rede mit einem Gott, den es wohl nicht gibt. Warum zeigt er sich nicht wenigstens einmal den Menschen. Jedem einzelnen? Wäre dann so etwas möglich? Vielleicht mit ein wenig Blitz und Donner alles Leid zu beenden und Erkenntnis zu bringen. Wie toll wäre das. Wir gewöhnen uns so schnell an das Schreckliche. Dort die Flutopfer der Ahr, der Syrien-Krieg, dann die Ukraine, das Erdbeben in der Türkei und Syrien und zwischendurch noch ein paar Morde. Was am Beginn unfassbar erscheint, verblasst und wird zur Normalität. Kaum noch jemanden erschrecken die Bilder aus der Ukraine. Man stumpft ab. Jede Hilfsaktion wird schwieriger.

Im Augenblick des Schreckens sind wir ergriffen, doch die Zeit lässt das Unfassbare zur Normalität werden. Man braucht nur Geduld. Meine Mutter starb schon früh in den 90ern. Am Anfang sah ich sie in meinen Träumen und hätte alles dafür gegeben, noch einmal fünf Minuten mit ihr reden zu dürfen. Nach und nach wurden die Bilder undeutlicher, der Schmerz ließ nach und heute kann ich sie nicht mehr in Bildern in meiner Erinnerung erfassen. Ja, dafür schämt man sich, aber vielleicht ist das ein Reflex. Die Erinnerungen verblassen, auch wenn man sie festhalten möchte.

So wird es auch hier sein. Ich frage mich oft, wie es die Rettungskräfte, Feuerwehrleute oder Polizisten schaffen, die Eindrücke zu verarbeiten. Ich hatte gestern keine Bilder gesehen, sondern nur Gedanken in dem Wald, wo Luise starb. Was aber machen erst dann die ehrenamtlichen und beruflichen Einsatzkräfte durch, wenn sie mit dem Tod konfrontiert werden? Wie löscht man diese Erinnerungen aus? Kann man da Abstand zu halten? Ich werde mich in Zukunft wahrscheinlich öfters einmal still fragen, wenn ich einen Feuerwehrmann sehe, was dieser bereits durchgemacht hat und wie er das verarbeiten konnte.

Was uns bleibt im Leben, sind die Erinnerungen. Die Festplatte des Lebens. So manche, würde man gerne gänzlich auslöschen. Am Montag gab es in Koblenz die Pressekonferenz zu Luise. Sämtliche Medienvertreter waren vor Ort. Auch wir. Dort wurden die ersten genaueren Ermittlungsergebnisse bekannt gegeben. Vorne saß ein sichtlich ergriffener Oberstaatsanwalt. Die Situation war surreal. Mit gebrochener Stimme berichtete der Jurist von den Geschehnissen. Und am Ende war auch klar, dass er nichts Genaues zum Tathergang und den Täterinnen sagen möchte. Man hätte es dabei belassen können. Das Unfassbare zu erklären, ist manchmal unmöglich. Die Erwartung an die Justiz ist es bei manchen, dass diese in maschinenartiger Professionalität emotionslos über das Geschehen berichten und vergessen gleichzeitig, dass dort Menschen sitzen, die ebenso Väter sind und fassungslos mit den Tränen kämpfen müssen. Und dennoch muss die Medienindustrie berichten und aggressiv nachfragen. Die große Story zählt offenbar mehr wie Empathie. Zum Kotzen!

96 Kilometer Autofahrt können sehr lange sein. Ich weinte um ein Kind, was ich nicht kannte. Ich führte vermeintliche Zwiegespräche mit Gott. Hätte mich einer im Auto gesehen oder gehört, hätte er wahrscheinlich einen Psychologen zurate gezogen. Antworten? Gibt es tatsächlich eine echte erklärende Antwort auf eine solche Tat? Es tut weh. Man fühlt den Schmerz mit Luise. Ihre Angst und Verzweiflung und man weiß nicht, wie man mit den Täterinnen umgehen soll. Nach Immanuel Kant würde es Auge um Auge gehen. Der Wunsch danach ist verständlich. Das Urteil durch die  Gesellschaft ist längst gefallen. Doch genau dieses geht nicht. Ein pädophiler Kindesmörder wird in einem gerichtlichen Verfahren verurteilt. Oftmals auch mit einer verhängten Sicherungsverwahrung, um die Gesellschaft vor weiteren schweren Straftaten zu schützen, wenn eine weitere Gefährlichkeit des Täters zu erwarten ist.

Ein solcher Täter wird in einer öffentlichen Verhandlung vorgeführt. Die Gesellschaft kann damit langsam abschließen, weil sie daran teilhaben konnte. Bei den mutmaßlichen Täterinnen von Luise geht das nicht. Es wird keine Verhandlung geben. Für all die Menschen in Trauer bleibt nur Leere und Verzweiflung. Das Verarbeiten des Unfassbaren dauert viel länger und ist nahezu unmöglich. Doch bleibt die Tat tatsächlich ungesühnt?

Die Täterinnen werden sich mit ihrem Handeln auseinandersetzen müssen. Momentan befinden sie sich in Obhut des Jugendamtes und in einem geschützten Bereich. Geschützt hört sich ja toll an, dabei bedeutet es in erster Linie eine geschlossene Anstalt. Luise übernachtete bei ihrer vermeintlich besten Freundin, die zu ihrer Mörderin werden sollte. Während sie im Wald verblutete, sollen die Täterinnen die Mutter von Luise angerufen haben, mit dem Hinweis, dass sich Luise auf dem Heimweg befinden würde und die Mutter doch anrufen soll, wenn sie daheim ankommen würde. Sie wussten genau, dass Luise nie mehr nach Hause kommen würde. Kaltblütig und geplant? Ja, so sehe ich das.

Laut werden die Rufe danach, dass die Strafmündigkeit heruntergesetzt wird. In all der Verzweiflung und Trauer absolut nachvollziehbar. Doch was ist denn das richtige Alter? 12 oder besser 10? Vielleicht sogar eine individuelle Lösung? Manch ein 13-Jähriger benimmt sich wie ein 10-Jähriger und viele sind altersgerecht. Muss das eventuell im Einzelfall entschieden werden?  Wann kann ein Kind eine solche Tat und die Folgen erfassen? Ich wäre momentan nicht gerecht. Viel zu viele Emotionen haben mich seit gestern gepackt um neutral zu sein. Wahrscheinlich denke ich in Wochen wieder nüchtern und anders darüber. So schwer es auch fällt, aber auch den Täterinnen muss ein Weg zurück in die Gesellschaft gezeigt werden. Nur zu gerne würde man situationsbedingt wünschen, dass diese sehr lange in einem geschützten Bereich verbleiben müssten. Rache. Da sind wir wieder bei Kant. Doch genau das wird es nicht geben. Luise ist tot. Und ich bin nicht bereit mich mit den Lebensperspektiven der Täterinnen auseinanderzusetzen. Dafür ist für mich jetzt kein Raum.

Aber es wird die Zeit kommen, darüber wieder klar nachzudenken. Und wir müssen uns damit abfinden, dass auch die Täterinnen wieder zurück ins Leben kommen müssen, irgendwann, wenn sie begriffen haben was sie taten. Ihre Auseinandersetzung mit dem Unfassbaren wird sie ein Leben lang begleiten. Ob ich damit Mitleid habe? Nein. Auch dazu bin ich im Moment noch nicht bereit.

96 Kilometer Heimweg. Und 96 Kilometer war ich in Gedanken bei Luise und in einem Zwiegespräch mit Gott. Wer glaubt weiß nichts und wer weiß, wird Glauben. Ich wische mir die Tränen aus den Augen und wünsche mir nichts mehr, dass es diesen Gott doch geben mag. Für Luise. Einen Menschen den ich nicht kannte, aber der mich 96 Kilometer begleitete. Und am Ende bleibt für mich noch immer die Frage: Warum nur?

Print Friendly, PDF & Email
Teilen Sie mit anderen
Weiterlesen

Trending

×

Hallo.

Klicke auf den Button um uns eine WhatsApp Nachricht zu senden oder sende uns eine Mail an redaktion@ben-kurier.de

× Whats App zum BEN Kurier