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Lahnstein

Vor 200 Jahren wurde die Oberlahnsteiner Stadtmauer auf Abbruch versteigert

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Zeichnung zur Versteigerung der Oberlahnsteiner Stadtmauer von 1822, Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 3011, Nr. 627-2 H-1.

LAHNSTEIN Fast 500 Jahre hatten Stadtmauer und Graben die rund 700 Einwohner der kurmainzischen Stadt Oberlahnstein geschützt. Die vergleichsweise starke Stadtbefestigung wurde gleich nach Erhalt der Stadtrechte im Jahr 1324 errichtet und ständig erweitert. Der vorläufige Endausbau erfolgte mit Vollendung des Neubaus der Südostecke, dem mächtigen Pulverturm, im Jahr 1411. Es folgten bis ins 17. Jahrhundert lediglich einige verstärkende Maßnahmen, um sich der verbesserten Waffentechnik anzupassen.

500 Jahre Schutz – heute noch 400 Meter fragmentarisch erhalten

Den Auftakt zur Beseitigung der mittelalterlichen Befestigungsanlagen begann in den 1780er Jahren unter dem damaligen Mainzer Erzbischof und Kurfürsten, der das Martinsschloss als seine barocke Nebenresidenz nutzte und von den Einengungen durch Mauern und Gräben befreite. Schlossgräben und rheinseitiger Stadtgraben wurden verfüllt und um das Schloss ein englischer Garten angelegt. Dabei wurde auch das dem Schloss nahegelegene Zolltor als erstes der sechs Stadttore abgerissen.

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Von diesem Zeitpunkt an wurde das gesamte Mauersystem vernachlässigt, Geld für dringende Reparaturen von der kurmainzischen Rentkammer mit dem Hinweis abgetan, die Stadt sei vom Rhein her ohnehin offen.

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Bereits um 1800 wurden die meisten Türme an Privatleute versteigert, die Vorwerke des Michelstor (neben dem Salhof) wegen Baufälligkeit abgerissen. Das Obertor (vor dem Hotel „Altes Haus“ in der Hochstraße) verschwand 1818, das Viehtor als östliches Stadttor (Burgstraße) wurde abgerissen und sein Steinmaterial im Jahr 1822 für 4 Gulden und 45 Kreuzer versteigert. Schließlich wurden auch das Michelstor, der Salturm und die gesamte Stadtmauer mit Zwinger und stadtseitiger Grabenmauer vor genau 200 Jahren versteigert.

Auf einer im Hessischen Hauptstaatsarchiv erhaltenen Karte sind der Verlauf der Stadtmauer und der sie umgebende etwa 3,50 m breite ebene Gang, Zwinger genannt, eingetragen. „Plan und Explication über den Herrschaftlichen sogenannten Stadtgraben und Zwänger um die Stadt Oberlahnstein“ ist die Karte von 1822 tituliert. Der Zwinger war durch eine zweite, niedrigere Vormauer mit Schießscharten stadtseitig zum Graben hin abgeschlossen. Der Graben war etwa sieben Meter tief und 15 Meter breit und schloss auch feldseitig mit einer Grabenmauer und einem Wall ab.

Die Versteigerung geschah auf Anordnung der herzoglich Nassauischen General Domainen Direktion in Wiesbaden, denn 1803 war Oberlahnstein nassauisch geworden. Sie wurde in den angrenzenden Ortschaften und in der Ehrenbreitsteiner Zeitung bekannt gemacht, eine Lahnsteiner Zeitung gab es noch nicht. Der Verkauf erfolgte gegen Höchstgebot in einem dreiteiligen Versteigerungsverfahren im Winter, Frühjahr und Sommer 1822. Wie die Abbildung zeigt, wurden dazu Stadtmauer und Zwinger in 55 Parzellen aufgeteilt. Der Zwinger begann östlich der Zehntscheune und zog sich um die Süd-, Ost- und Nordseite der Stadtmauer. Geometer Carl Pfaff errechnete die Flächenmaße aus den Längen- und Breitenangaben in Ruthen und Schuh (16 Schuh bilden 1 Ruthe).

Auf der Karte werden sämtliche Stadttürme und Stadttore sowie deren Besitzer genannt, weil diese bereits einige Jahre zuvor in Privatbesitz gelangt waren, beispielsweise der Kerschturm (heute: Kihrstor) an Franz Haber, der Stumpfthurm (Torturm an der Kirchstraße, fiel später dem Bahnbau zum Opfer) an Johann Eimuth, der Graue Turm (stand westlich vom Salturm, wurden ebenfalls für den Bau der Bahn entfernt) an Anton Bornhofen, der Folterthurm (heute Hexenturm) an die Witwe von Kammerrat Gosebruch, der Bürgerturm an Joseph Jungmann, der Filsturm (heute Kleiner Wehrturm) an Joseph Weiland und der Pulverturm an Martin Lamprecht.

Noch heute befinden sich die Türme in Privatbesitz – mit zwei Ausnahmen: Den Hexenturm erwarb die Stadt Oberlahnstein 1890 zusammen mit dem Salhof von den Erben Gosebruchs und richtete ihn nach anderweitiger Nutzung 1965 als Museum her, den Kleinen Wehrturm erwarb sie in den 1950er Jahren und verpachtete ihn.

In der Folgezeit, besonders beim Eisenbahnbau, wurden mehrere Türme und weitere Teile der Stadtmauer abgebrochen. Heute stehen noch ca. 392 Meter Stadtmauer von ehemals 1355 Metern sowie – im Uhrzeigersinn – Salturm (auf der Karte mit dem Buchstaben „H“ gekennzeichnet), Hexenturm („F“), Bürgerturm („E“), Kleiner Wehrturm („C“), Pulverturm („B“), Schloss Martinsburg mit dem Weinsberger Turm und das in den Bahndamm integrierte Kihrstor mit seinem Turm („M“). Bei genauem Hinsehen sind auch Reste eines Mittelturmes der Stadtbefestigung im Bahndamm sowie ein Vormauerrondell hinter dem Haus Hintermauergasse 35 erkennbar. 1981 wurden die noch erhaltenen Stadtmauerreste und -türme unter Denkmalschutz gestellt.

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Lahnstein

Neueröffnung der Bäckerei Kugel: Ein Familienunternehmen kehrt zurück nach Lahnstein

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Foto: Eva Dreiser | Stadtverwaltung Lahnstein

LAHNSTEIN Seit März gibt es wieder ein vertrautes Schild in Lahnstein: Die Bäckerei Kugel hat in der Bahnhofstraße ihre Türen geöffnet. Früher schon einmal hier ansässig, kehren Laura und Klaus Kugel nun mit ihren traditionell handwerklich hergestellten Backwaren zurück. Und hier wird nicht nur auf Qualität und Geschmack geachtet, sondern auch auf den Ursprung der Zutaten. Das Getreide stammt aus regionalem Anbau in Heimbach-Weis, ist Bioland zertifiziert und wird in der dortigen Stammfiliale selbst vermahlen.

Ein Teil ihrer Philosophie ist es, einen positiven Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten. Daher werden überschüssige Backwaren regelmäßig gespendet. Zur Neueröffnung der Bäckerei Kugel überreichte Oberbürgermeister Lennart Siefert einen Blumenstrauß. Im Gespräch mit Siefert erzählte das Paar, wie herzlich es in Lahnstein wieder aufgenommen wurde, was die Rückkehr zu den Wurzeln noch schöner mache. Auch sind viele ihrer früheren Mitarbeiter nun erneut bei ihnen angestellt.

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Ich freue mich, dass es wieder eine Bäckerei Kugel in Lahnstein gibt“, so OB Siefert. „Hier gehen Tradition und Innovation Hand in Hand!“

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Neueröffnung der Bäckerei Kugel: Ein Familienunternehmen kehrt zurück nach Lahnstein | Foto: Eva Dreiser | Stadtverwaltung Lahnstein
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Lahnstein

Lahnsteiner Schüler ist spitze in Mathe und Chemie

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Foto: Johannes-Gymnasium Lahnstein

LAHNSTEIN Thorben Weinhold besucht die 9. Klasse des Privaten Johannes-Gymnasiums in Lahnstein und steht kurz vor dem „Triple“ in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Wettbewerben in Rheinland-Pfalz. Thorben errang am 13.03.2024 bei der Landesrunde Rheinland-Pfalz/Saarland des Schülerwettbewerbs „Chemie-die stimmt!“ den 1. Platz in der Klassenstufe 9. Durch seine hervorragenden Leistungen in den ersten beiden Runden hat er sich nun für die 3. Runde der Länder Niedersachsen, Nordrhein-Westphalen, Rheinland-Pfalz und des Saarlandes qualifiziert und nimmt vom 04.06. bis 07.06.2024 an einem dreitätigen Auswahlseminar in Münster teil.

Am 12. April wurde Thorben dann beim Landeswettbewerb Mathematik zum Landessieger gekürt. Er hat die Jury mit seinen mathematischen Leistungen sehr beeindruckt und konnte diese im Rahmen eines 3-tägigen Workshops an der Universität Kaiserlautern unter Beweis stellen. Am 25. und 26.04.2024 nimmt nun Thorben Weinhold zusammen mit seinen Mitschülern Enjo Westphal und Gero Hanrath am Landesfinale Schüler experimentieren mit ihrer Forschungsarbeit zur Balkonaufzuchtstation in der Sparte Biologie teil. „Wir drücken den drei Jungs die Daumen für das Landesfinale – die Leistungen von Thorben Weinhold sind schon mit den beiden Erstplatzierungen mehr als außergewöhnlich“ – so der stolze Schulleiter Rudolf Loch – „ein Landessieg bei Schüler experimentieren wäre dann tatsächlich das Triple“.

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Lahnstein

Niemals vergessen: Grüne Lahnstein besuchen die Gedenkstätte Hadamar!

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Foto: Bündnis 90/ die Grünen Lahnstein

HADAMAR An der Gedenkfahrt am Sonntag, den 07.04, nahmen auch interessierte Bürgerinnen und Bürger teil. Zur Teilnahme an der Fahrt war öffentlich eingeladen worden.  Die Idee für den Besuch kam im Zuge der jüngsten Entwicklungen rund um das Erstarken rechten Gedankengutes in der Gesellschaft auf. Ziel war es, allen Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen und insbesondere denen der „Euthanasie“ zu gedenken. Zudem sollte die Teilnahme an dem Besuch dazu anregen, sich mit dem nationalsozialistischen Unrecht auseinanderzusetzen.

Die Gedenkstätte Hadamar hat eine besondere Bedeutung als Ort des Gedenkens und der Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“. In den Jahren 1941 bis 1945 wurden hier fast 15.000 Menschen ermordet. Zu den Opfern gehörten psychisch Erkrankte und Menschen mit Behinderung. Die Gedenkstätte hat auch den Zweck, über die damaligen Geschehnisse aufzuklären. Von Januar bis August 1941 wurden im Keller der Anstalt über 10.000 Kinder, Frauen und Männer mit Kohlenmonoxid in einer als Duschraum getarnten Gaskammer ermordet. Der Abbruch der Gasmorde 1941 bedeutete nicht das Ende der NS-„Euthanasie“-Verbrechen. Ab August 1942 wurde das Morden fortgesetzt, diesmal bspw. durch überdosierte Medikamente und Hungerkost. Während dieser Zeit kamen noch einmal 4.500 Menschen ums Leben.

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Das grausame Vorgehen dauerte bis zum Kriegsende im März 1945 an. Unter den Opfern der zweiten Mordphase befanden sich Anstaltspatienten und -patientinnen, durch den Bombenkrieg verwundete Menschen, Kinder, Tuberkulosekranke, Zwangsarbeiter sowie psychisch Kranke. Die Taten zeigen das Ausmaß der Grausamkeit, das im Namen der Ideologie des Nationalsozialismus begangen wurde. Die Exkursion beinhaltete neben der Führung auch einen Workshop mit Biografiearbeit.

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Die Anwesenden zeigen sich betroffen von dem erfahrungsreichen Tag, aber auch dankbar für die Arbeit der Gedenkstätte. Durch das Engagement haben alle die Möglichkeit, sich ein Bild von den Verbrechen, welche unter dem Vorzeichen der nationalsozialistischen Ideologie geschahen, zu machen und dadurch die Sensibilität für die Wahrung der Menschenwürde und der daraus folgenden Rechte zu stärken. Das Fazit der Gruppe ist, dass nur Erinnerung und Aufklärung sicherstellen können, dass sich solche Verbrechen nie wiederholen und eine entsprechende Ideologie nicht mehr Staatsdoktrin werden kann. „Nie wieder“, wie es in den letzten Monaten häufig heißt, bedeutet daher nicht nur, sich gegen den Anstieg rechtsextremer Ideologien und Rassismus einzusetzen, sondern auch die Aufarbeitung der Vergangenheit zu fördern und die Menschenwürde und die Menschenrechte in der Gesellschaft zu schützen. Die Gedenkstätte Hadamar ist ein Ort, an dem dieser Einsatz gelebt wird und an dem gegen das Vergessen angekämpft wird. Insbesondere wollen die Grünen der Workshopleiterin und Gedenkstättenmitarbeiterin Frau Kabs danken.

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