Connect with us

Allgemein

18. Juni 1938: „Juni Aktion“ in Bad Ems – Massenverhaftungen in der Kurstadt

Veröffentlicht

am

BAD EMS Vor 84 Jahren und fünf Jahre nach dem Start der Nazi-Diktatur begann in Deutschland und damit auch im Lahntal der organisierte Terror. Schon fünf Monate vor den organisierten Judenverfolgungen im November 1938 kam es auf Anweisung des „Führers“ reichsweit zu den ersten willkürlichen Massenverhaftungen.

Adolf Hitler lässt im Sommer 1938 fast 10 000 Männer, darunter etwa 2300 Juden als sogenannte „Asoziale“ in Konzentrationslager verschleppen. Auch in Bad Ems und in den Nachbargemeinden werden unliebsame Bürger im Rahmen der so genannten “Juni-Aktion“ auf der Straße festgenommen, oder gewaltsam aus ihren Wohnungen geholt. Die selektive Auswahl in der Kurstadt erfolgt in vielen Fällen nach dokumentarisch belegten Hinweisen des damaligen Rathaussekretärs und NS-Funktionärs Theodor Schüssler.

Anzeige

Am 18. Juni 1938 nimmt die Ortspolizei Bad Ems im Auftrag der Gestapo den Schriftsteller und späteren Zeitungsverleger Anton Veit (46) mit fadenscheinigen Begründungen in politische Vorbeugungshaft. Einen Tag später folgen ihm die Bad Emser Arbeiter Willi Struth (31), Albert Grünebaum (32), Heinrich Zöller (55), Fritz Jockel (35), der Schlosser Jakob Schaust und der Metzger Bernhard Strauß (28) ins örtliche Amtsgerichtsgefängnis. Von dort werden sie ins berüchtigte Polizeigefängnis „Klapperfeld“ nach Frankfurt gebracht. „Am 20.6.38 an die Kriminalleitstelle abgeliefert“, schreibt Polizeimeister Valentin Molitor an jenem Montag ins Tätigkeitsbuch der Bad Emser Polizeiwache, gegengezeichnet von Polizeimeister Johann Wimmers, der die sechs Häftlinge an die Kriminalpolizei in Frankfurt übergeben muss. Mit einem Sammeltransport werden sie von dort ins Konzentrationslager Sachsenhausen (Oranienburg) überstellt.

Anzeige

Am 9. Juli 1938 folgt den bereits in KZ-Haft Verschleppten der Malergeselle Christian Kohler aus der Bad Emser Schulstraße. Für alle acht Betroffenen wird es eine qualvolle Zeit bei Zwangsarbeit und übelsten Misshandlungen. Nur Struth, Zöller und Jockel werden nach zehn leidvollen Monaten und erzwungenen Selbstbeschuldigungen mit Drohungen als nun politisch zuverlässig unter Vorbehalt entlassen.

Auch Albert Grünebaum darf nach mehreren Monaten KZ-Haft wieder nach Bad Ems zurück, als sogenannter Halbjude kommt er aber im November 1941 erneut in Haft. Eine Transportliste der Gestapo Frankfurt dokumentiert, dass er, seine Schwester Käthe und Alfred Kirchberger, ein Mitbewohner aus der Grabenstraße, am 11. November 1941 nach Minsk deportiert werden. Tatsächlich rollt der Zug mit 1062 Menschen aber erst am frühen Morgen des folgenden Tages gegen Osten. Im Vernichtungslager Maly Trostinez bei Minsk wird Grünebaum vermutlich noch im selben Jahr ermordet.

Anton Veit kehrt nach einem Jahr Zwangsarbeit aus Sachsenhausen zurück. Seitdem steht er aber ständig unter Beobachtung und ist vielfach Demütigungen und Repressalien ausgesetzt. Nach Kriegsende, im August 1945, gründet er in Bad Ems mit dem „Mittelrhein-Kurier“ (zeitweise 315 000 Exemplare) eine der erste lizensierten deutschen Nachkriegszeitungen – und startet neun Wochen später (14.10.1945) als Vorläufer des Südwestfunks unter 1031 KHz den Radiosender „Koblenz“.

Jacob Schaust wird von Sachsenhausen in das Konzentrationslager Neuengamme überführt und am 25. August 1939 nach Dachau gebracht. Von dort kehrt er am 23. März 1943 als gebrochener Mann nach Hause zurück. Er soll bereits 1940 entlassen werden, aber eine Anfrage bei der Stadtverwaltung verhindert das. NSDAP-Kreispropagandaleiter Theodor Schüßler, Obersekretär im Bad Emser Rathaus, meldet der Gestapo, dass Schaust politisch nicht zuverlässig sei.

Christian Kohler darf zwar wenige Monate später nach Hause, aber eine weitere Festnahme, gemeinsam mit dem politisch Gleichgesinnten Wilhelm Stahl (Jahrgang 1891) und dem ehemaligen SPD-Mitglied Wilhelm Heinz (Jahrgang 1889, beide aus Bad Ems) im August 1944 überlebt der frühere KPD-Genosse nicht. Seit 16. September 1944 sind sie als Häftlinge im Konzentrationslager Dachau gemeldet. Kohlers Leiden endet dort am 14. März 1945 um 7.05 Uhr. 13 Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner in Bad Ems und 46 Tage vor dem Ende der SS-Barbarei in Dachau. Wilhelm Heinz stirbt drei Wochen später, angeblich an einer Darminfektion. „Abgang durch Tod“, beurkundet ein Formular vom 2.4.1945 in kaltem Beamtendeutsch. Wilhelm Stahl kommt nach seiner Befreiung durch die US-Armee im Mai 1945 von den Leiden der langen Haft gezeichnet nach Bad Ems zurück, er erlebt seine wiedergewonnene Freiheit aber nicht mehr lange.

Bernhard Strauß wird nach der Ankunft im KZ Sachsenhausen sofort von seinen Leidensgefährten getrennt und kommt als sogenannter „Aso-Jude“ und Häftling 6297 in den „Isolier“-Block elf. Damit beginnen sieben Jahre seines Lebens in fünf Konzentrationslagern, erst im Juli 1945 sieht er seine Heimatstadt wieder.

Die Schreckensbilanz in Bad Ems nimmt nach 1938 neue Dimensionen an: 45 jüdische Mitbürger, die in ihrer Heimatstadt zurückgeblieben sind, werden aus ihren Häusern vertrieben und verschleppt. Sie sterben in den Vernichtungslagern der Nazis. Auch wer arisch, aber krank oder politisch nicht auf Linie ist, steht nun unter anderem auf den gefürchteten schwarzen Listen. Geistig behinderte Menschen werden von ihren Familien, getrennt und Opfer der Euthanasie oder zwangssterilisiert. Meist nach heftigem Widerstand, manchmal aber auch mit Duldung der Angehörigen. Es ist ein besonders finsteres Kapitel mancher Familiengeschichte und bis heute verdrängt.

Dutzende Bad Emser Mitbürger werden zwischen 1933 und 1945 als Gegner des NS-Regimes festgenommen, sie befürchten das Schlimmste und erdulden zum Teil lange Gefängnisstrafen. Wie der Glasermeister Karl Lemler, der im Februar 1940 nach Reparaturarbeiten in einem Bad Emser Cafe Maxeiner verhaftet wird. Zum Hitler-Attentat im Münchner Bürgerbräukeller (8.11.1939) sagte er: „Es ist schade, dass die Bombe nicht früher losgegangen ist, dann wäre der Hitler in die Luft geflogen“. Ein verhängnisvoller Satz, der ihn fast das Leben gekostet hätte. Lemler kommt in Gestapohaft, unter dem Aktenzeichen FfM 6S Js.216/40 beginnt ein Verfahren vor dem Frankfurter Sondergericht. Aus ungeklärten Gründen wird es plötzlich eingestellt. Die genauen Umstände können nicht mehr geklärt werden, denn das gesamte Aktenschriftgut der Frankfurter Gestapo-Dienststelle wurde vor Kriegsende vernichtet. Aus einer Protokollnotiz der örtlichen Polizeibehörde geht jedoch hervor, dass die beiden Bad Emser NSDAP-Funktionäre Karl Kauth und Franz Linkenbach zu Lemlers Entlastung beigetragen haben sollen (Text: Autor Wilfried Dieterichs).

Print Friendly, PDF & Email
Teilen Sie mit anderen
Weiterlesen
Zum Kommentieren klicken

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Allgemein

Ärger bei den Freien Wählern: Lahnsteins Siefert und Seifert treten nicht mehr für den Kreis an

Veröffentlicht

am

von

Foto: Archivbild Stadt Lahnstein

LAHNSTEIN Die Landtagsabgeordnete Lisa-Marie Jeckel lehnte auf dem Bundesparteitag der Freien Wähler in Bitburg den Antrag gegen die Zusammenarbeit mit der AFD ab. Zum gleichen Zeitpunkt war Sebastian Siefert für die Freien Wähler als Redner auf der Demonstration gegen Rechts in Nastätten. Für den Lahnsteiner Oberbürgermeister Siefert eine unerträgliche Situation. Während auf der einen Seite der Stadtratskollege gegen Rechtsextremismus demonstrierte, musste das Stadtoberhaupt erleben, dass die Landtagsabgeordnete sich nicht klar abgrenzte gegen die AFD.

Zusätzlich steht Lisa-Marie Jeckel auf dem ersten Listenplatz der Freien Wähler für den Kreistag Rhein-Lahn. Für Siefert ist jede Zusammenarbeit mit der AFD ausgeschlossen. Er befürchtet, dass Jeckel themenbezogen eine solche nicht kategorisch abweisen würde.

Anzeige

Rund 92 Prozent sprachen sich in Bitburg für ein Kooperationsverbot mit der AFD aus. Ein klares Votum. Vier Personen aus den rheinland-pfälzischen Freien Wähler stimmten dagegen. Eine davon war die Landtagsabgeordnete Lisa-Marie Jeckel. Gründe für die Ablehnung sollen rein juristisch gewesen sein. Von einer Zusammenarbeit mit der AFD möchte die Landtagsabgeordnete nichts wissen. Dagegen würde bereits der Bundesbeschluss der Partei sprechen.

Anzeige

Doch das alleine sollen nicht die Gründe von Siefert und Seifert für die Ablehnung Lisa-Marie Jeckel gewesen sein. Sie bemängeln fehlende Unterstützung und Zusammenarbeit für die Kreistagsfraktion. Im Kreis wäre die Landtagsabgeordnete wenig präsent gewesen. Doch dabei alleine ist es nicht geblieben. Die Lahnsteiner Mitglieder der Freien Wähler stellten sich demonstrativ hinter den Lahnsteiner Oberbürgermeister Lennart Siefert und Sebastian Seifert, indem sie allesamt eine Kandidatur für den Kreistag ausschlossen.

Print Friendly, PDF & Email
Teilen Sie mit anderen
Weiterlesen

Allgemein

Lahnsteiner Rathaus öffnet seine Türen für Schüler der Freiherr-vom-Stein-Schule

Veröffentlicht

am

von

Fotos: Mira Bind | Stadtverwaltung Lahnstein

LAHNSTEIN Voller Neugier betraten die Schüler und Schülerinnen der 4. und 5. Klassen der Freiherr-vom-Stein-Schule in Lahnstein das Rathaus, um einen Einblick in die verschiedenen Arbeitsbereiche dort zu erhalten. Im Fach „Geschichte / Erdkunde / Soziales“ behandelten sie das Thema „Lahnstein“ und beschäftigten sich mit Sehenswürdigkeiten und Attraktionen der Stadt, aber auch mit bekannten Persönlichkeiten.

Aufgeteilt in zwei Gruppen und mit zahlreichen Fragen bewaffnet führte sie ihre Tour ins Büro des Oberbürgermeisters. „Warum bist du Oberbürgermeister geworden?“, „Arbeitest du jeden Tag?“, „Bist du reich?“, „Was machst du in deiner Freizeit?“, „Wo bist das goldene Buch?“ – von der Arbeit als Stadtchef bis hin zum Privatleben des Oberbürgermeisters reichte das breite Spektrum der Gesprächsthemen, die die jungen Besucher interessierten und für die sich Lennart Siefert gerne geduldig Zeit nahm. Sie nutzten aber auch die Gelegenheit, Themen anzusprechen, die sie persönlich betreffen. Wünsche wie eine Schaukel und ein Klettergerüst auf dem Schulhof konnte er nicht erfüllen, versprach jedoch, die Ideen an den zuständigen Landrat Jörg Denninghoff weiterzugeben.

Anzeige

Einen Einblick in die Arbeit der Lahnsteiner Stadtverwaltung erhielten die 15 Kinder auch in anderen Abteilungen: Sie besuchten das Personalamt, wo sie außerdem Informationen über Ausbildungs- und Praktikumsplätze erhielten, den Büroleiter, der ihnen die Organisation der Stadtverwaltung erklärte, sowie die Zentrale, in der sie die Arbeitsweise der Mitarbeiter live miterleben konnten. Eine Station führte die zwei Gruppen aus dem Rathaus raus bis zum Salhof. Hier befindet sich die Touristinformation der Stadt, die sie ebenfalls besichtigten. Anschaulich erhielten sie einen ein Einblick in den Bereich des Tourismus.

Anzeige

Zum Abschluss des Besuchs versammelten sich alle Schüler im Konferenzraum des Rathauses. Dort erwartete sie eine Stärkung und kleine Geschenktüten als Andenken an ihren Besuch.

OB Siefert stellte sich gerne allen Fragen der Schüler | Foto: Mira Bind - Stadtverwaltung Lahnstein
Print Friendly, PDF & Email
Teilen Sie mit anderen
Weiterlesen

Allgemein

Kreisstraße K 10 bei Dessighofen wird ausgebaut

Veröffentlicht

am

von

Foto: LBM Diez

DESSIGHOFEN Am Montag, dem 18. März 2024 beginnen die Arbeiten für den Ausbau der K 10 von der Landesstraße L 335 bis in die Ortslage von Dessighofen.  Der Rhein-Lahn-Kreis investiert rund 1,2 Millionen Euro, wovon das Land Rheinland-Pfalz im Rahmen der Förderung des kommunalen Straßenbaus etwa 70 Prozent übernimmt. Sämtliche Arbeiten erfolgen aufgrund der vorhandenen geringen Fahrbahnbreiten unter Vollsperrung. Die Umleitungsstrecke verläuft über die Kreisstraßen K 11 und K 9 über Geisig nach Dessighofen.

Zur Minimierung der Beeinträchtigungen der Anwohner sowie Verkehrsteilnehmer und zur Gewährleistung der größtmöglichen Erreichbarkeit der Anlieger von Dessighofen wird der Ausbau in zwei Bauabschnitten ausgeführt.

Anzeige

Der Straßenausbau selbst erfolgt auf der freien Strecke als Hocheinbau mit einseitiger Verbreiterung auf eine durchschnittliche Straßenbreite von rund 5 m, die dann einen reibungslosen Begegnungsfall Lkw/Pkw ermöglichen.

Anzeige

Die Ortslage von Dessighofen wird im Vollausbau als Gemeinschaftsmaßnahme zwischen dem Rhein-Lahn-Kreis, der Verbandsgemeindewerke Bad-Ems-Nassau, der Ortsgemeinde Dessighofen sowie der Syna GmbH durchgeführt. Durch den Ausbau soll der Straßenquerschnitt auch in der Ortsdurchfahrt vereinheitlicht werden. Es ist eine einheitliche, für das auftretende Verkehrsaufkommen genügende Fahrbahnbreite ebenso vorgesehen wie ein durchgehender 1,50 m breiter Gehweg innerhalb der Ortslage. Ergänzend erfolgen notwendig gewordene Erneuerungen am Leitungssystem der Versorger, Verbandsgemeindewerke Bad Ems-Nassau und der Syna GmbH.

Mit Baubeginn am Montag, dem 18. März 2024, erfolgt zunächst der Ausbau der freien Strecke zwischen der Landesstraße L 335 bis zur Kehlbachstraße in Dessighofen. Erst nach Abschluss der Arbeiten auf diesem Streckenabschnitt werden die Arbeiten bis zum Ortsrand von Dessighofen fortgeführt.

Insgesamt wird die Maßnahme voraussichtlich bis Ende 2024 fertiggestellt sein. Der Landesbetrieb Mobilität Diez bittet die Verkehrsteilnehmer und Anlieger für die während der Bauarbeiten auftretenden Behinderungen um Verständnis. In Abhängigkeit des Baufortschrittes wird der LBM Diez zu weiteren Verkehrsbeschränkungen informieren.

Print Friendly, PDF & Email
Teilen Sie mit anderen
Weiterlesen

Trending

×

Hallo.

Klicke auf den Button um uns eine WhatsApp Nachricht zu senden oder sende uns eine Mail an redaktion@ben-kurier.de

× Whats App zum BEN Kurier