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VG Bad Ems-Nassau

Die neue Grundschule, Mammutbäume und viele Fragen an die Emser Stadtführung

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Anlieger der Austernstücke demonstrieren gegen den Aufsstellungsbeschluss

BAD EMS Adrianus “Rene” Maarschalkerweerd liebt sein Haus, seinen Ausblick und seine Nachbarschaft. Mit einem Haus in den Austerstücken in Bad Ems hat er sich seinen Wunsch vom Leben in der Natur und gleichzeitiger Stadtnähe erfüllt. Die „grüne Lunge der Stadt“ wie die Anwohner den knapp 6 Fußballfelder großen Bereich nennen, ist seit Jahrzehnten im Besitz von Kleingärtnern, Baumschulen und Anliegern aus den umgebenden Wohngebieten, die ihre Gärten hier ins Grüne gelegt haben. Und in eben diesem Wunsch sehen sich die Anlieger jetzt durch Verbandsgemeinde und die Stadt Bad Ems bedroht.

Der Besitzer der Baumschule, Herr Stüber, wollte eigentlich gemeinsam mit seinem Bruder die Baumschule verkaufen und Maarschalkerweerd, der auch Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung ist, war gewillt zu kaufen und daraus ein Naherholungsgebiet mit Anziehungscharakter für alle Emser machen. Der Notartermin gemacht, die Verträge zur Unterschrift reif und das Geld lag auf der Bank: Im Dezember wird auf einmal alles gestrichen, der Notartermin entfiel einen Tag vorher ersatzlos ohne Begründung und der Bruder von Herrn Stüber ist nicht mehr zu erreichen. Was war passiert?

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Der Stadt gehört das große Gelände vom Bartholomäus-Markt-Verein – Vom Platz her wäre dieses ausreichend für eine Schule – Dieses möchte man nicht antasten

Drei Wochen vorher hat es durch den kommunalen Förster Jäger, gemeinsam mit dem Stadtbürgermeister Oliver Krügel und einigen anderen, eine Waldbegehung gegeben. Als Rene den Anwesenden begeistert seine Pläne vorstellte ist der Enthusiasmus bei allen groß. Außer bei Einem: Beim Stadtbürgermeister Oliver Krügel sollen die Alarmglocken geläutet haben, denn Bad Ems hat viele Schüler, zu wenig Platz und die Verbandsgemeinde fordert ein Grundstück für eine neue Grundschule. Und das soll eben hier in diesen Austerstücken sein. Denn laut Oliver Krügel soll die Verbandsgemeinde „da auch schon dran“ gewesen sein. Woher diese Information stammt? Ehemalige Stadtratsmitglieder werfen ihm vor, dass die Aussagen aus nicht-öffentlichen Informationen stammen. Laut Krügel kamen diese Informationen aber aus informellen Gesprächen zwischen ihm und Bürgermeister Bruchhäuser, die nicht den Charakter eines Verwaltungsvorgangs hätten. Daher “kann von einer “Veröffentlichung” keine Rede sein”. Es steht Aussage gegen Aussage, wie bereits öfter in Bad Ems. Aber das spielt auch keine Rolle, denn ab hier kommt die Verbandsgemeinde ins Spiel.

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Kurze Zeit später soll der Verbandsgemeindebürgermeister Bruchhäuser Herrn Stüber angerufen haben mit der Frage, ob seine Grundstücke zum Verkauf stehen würden. Stüber soll mitgeteilt haben, dass der Verkauf fast unter Dach und Fach wäre. Das erweist sich als Trugschluss, denn unmittelbar vor dem Verkaufstermin folgte ja die spontane Absage. Weshalb der Verbandsbürgermeister anrief ist unklar. Die Anlieger spekulierten, dass der Stadtbürgermeister eine Information an den Verbandsbürgermeister übermittelt hätte. Diese Vorwürfe weisen sowohl Uwe Bruchhäuser als auch Oliver Krügel weit von sich. Der Bruder von Herr Stüber, der ebenso Verkäufer war, ist nicht mehr erreichbar, bricht jeglichen Kontakt ab. Im März 2022 kommt das Thema neue Schule erstmals im Ältestenrat und die Austerstücken im Bauausschuss auf den Tisch. Im großen Gremium, dem Stadtrat, ist es da noch nicht. Aber man wird langsam konkreter: Um etwas erschließen zu können benötigt es einen Bebauungsplan für die 44000 Quadratmeter Fläche, die man rund um den Schulstandort hätte. Voraussetzung dafür ist ein Aufstellungsbeschluss. So der formale Weg der Erschließung. Es folgen dann umfangreiche und möglicherweise kostenintensive Untersuchungen um das Bauland schlussendlich bebaubar machen zu können.

Die Austerstücke sind etwa 44.000qm groß – Eine Schule benötigt nur etwa 6.000qm – Stadt möchte das ganze Gebiet erschließen

Kostenintensiv für eine klamme Stadt wie Bad Ems. So die Ansicht von einigen Bürgern und Stadtratsmitgliedern. Im Interview sagt Krügel dazu: Die Kosten für das Aufstellungsverfahren sind nicht so hoch wie manche befürchten, es handelt sich hauptsächlich um Verwaltungsaufwendungen und vieles werde wohl auch durch die Verbandsgemeinde bezahlt. Aber: Der Boden in den Austerstücken soll kontaminiert sein. Auch dadurch könnten finanzielle Mehrbelastungen für das Projekt auf die Investoren oder Stadt zukommen. Das soll natürlich durch Bodenproben geklärt werden, aber solche Verfahren sind sehr teuer und liegen vermutlich auch eher in der Hand externer Firmen, die sich das bezahlen lassen.

Am 07. Juni wurde das Verfahren in der Stadtratssitzung im Marmorsaal besprochen. Etwa einen Tag vor der Sitzung sollen alle Fraktionsvorsitzenden ein Schreiben von Anliegern bzw. Besitzern der Grundstücke in den Austerstücken erhalten haben. Darin schildern sie ihre Sichtweise und Darlegung der Vorgänge. Zusätzlich kamen etwa 20 Protestierende mit Banner zur Stadtratssitzung und demonstrierten gegen das Planverfahren. Sie wollen aufmerksam machen auf die Situation um dieses unbekannte Kleinod am Stadtrand und verhindern, dass etwas durchgewunken wird aus Unkenntnis ihrer Situation.

Anlieger der Austernstücke demonstrieren gegen den Aufstellungsbeschluss

Eines wird zu Beginn der Sitzung gleich auffällig. Das erste Mal in der jüngeren Geschichte, fehlte die CDU Fraktion nahezu komplett. Nur zwei von sieben Ratsmitgliedern sind anwesend. Die Demonstrierenden vermuteten, dass diese sich vorher abgesprochen hätten, um nicht an der Abstimmung teilnehmen zu müssen. Krügel verneint das im Gespräch und verweist auf Operationen, Corona und andere Verpflichtungen der fehlenden Mitglieder. Bereits zu Beginn der Sitzung soll auch die Vermutung entkräftet werden, dass es um ein schnelles Durchwinken einer unbequemen Entscheidung geht, denn sowohl der Verbandsbürgermeister Uwe Bruchhäuser als auch der Stadtbürgermeister Oliver Krügel versprechen sich maximale Transparenz für die Bürger von dem Verfahren was jetzt angestoßen werden soll. Demgegenüber fühlten sich die Protestierenden nicht so gut und transparent informiert. Mit ihnen hätte niemand gesprochen. Und die Sorgen werden nicht weniger, besonders auch weil in der Sitzung nur wenig konkrete Zahlen fallen. Absicht, Dauer und Größe des geplanten Schulbaus und was mit dem Rest der Fläche passiert, werden nur ausweichend oder gar nicht beantwortet.

Dabei wiegen die Fragen schwer: Eine zweizügige Schule für knapp 200 Schüler benötigt etwa 6000qm. Selbst dreizügige Grundschulen kommen mit gut 8000 qm aus. Zwar wird auf räumlichen Mehrbedarf durch die Ganztagsschulpflicht verwiesen, die Vorgaben des Landes Rheinland-Pfalz sehen jedoch nur wenig zusätzliche Räume und weiteren Platzbedarf vor. Ganztagsschule ist eher eine Personalherausforderung, die liegt aber wiederum bei der ADD, der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, die sich quasi um das Innenleben der Schule kümmert und hier gar nicht Thema ist.

Die vorgesehenen Austerstücke verfügen aber über 44.000qm. Das entspricht etwa sechs Fußballfeldern. Viel zu groß für nur eine Schule. Weshalb der ganze Bereich erschlossen werden soll, ist laut Krügel durch die Kosten zu erklären, etwas im Flächennutzungsplan zu entwickeln, eine Voraussetzung für die Stadtentwicklung. Direkt eine größere Fläche auszuweisen sei also eher eine Sparmöglichkeit als ein geheimes Großvorhaben wie mancher vermutet, so der Bürgermeister.

Auch die erwartete Anzahl der zu betreuenden Schüler wurde nicht konkretisiert. Laut dem Verbandsbürgermeister, könnte man diese Zahlen nur mutmaßen. Tatsächlich betreut die Stadt Bad Ems derzeit etwa 370 Schüler in zwei Schulen. 100 in der Ernst-Born-Schule und knapp 270 in der Freiherr-vom-Stein-Schule. Inwieweit in Zukunft mehr Schüler zu betreuen seien will oder kann man derzeit nicht sagen.

Fragen der Stadtratsmitglieder von Bündnis 90/Die Grünen und von Die PARTEI konnten nur teilweise beantwortet werden, da zu diesem Zeitpunkt noch die Fakten fehlten. Fakten die durch das Verfahren geschaffen werden sollen, die aber nach Ansicht einiger besser vorher geklärt worden wären. Konkreter wurde es im Bezug der allgemeinen Schulplanung für Bad Ems. Die neu zu errichtende Schule soll die alte Ernst-Born-Grundschule ersetzen. Das überraschte einige und auch in Gesprächen mit Bürgern wusste niemand davon, dass man plant die geschichtsträchtige Schule aus dem Jahr 1866 nicht zu erweitern oder zu sanieren, sondern nicht mehr zu nutzen. Bei zwei Enthaltungen, vier Ablehnungen und zehn Befürwortungen, wurde das Planverfahren schlussendlich beschlossen.

Demonstranten verließen geschlossen den Sitzungssaal

Die etwa 20 demonstrierenden Betroffenen in der Stadtratssitzung verließen nach diesem Votum geschlossen den Raum. Ein wortloses Statement. Antworten gab es für sie keine. Zu tief sitzt noch immer die Angst vor einer möglichen Enteignung, höheren Steuerbelastungen durch die Grundsteuer C wenn es Bauland werden könnte und die verbundene Sorge um das Naturparadies. Solche und ähnliche Sätze verlauteten die Protestierenden vor und nach der Stadtratssitzung.

Enteignung? Davon kann laut dem Verbandsbürgermeister Uwe Bruchhäuser keine Rede sein. Auch Oliver Krügel weist das von sich und sagt das es derzeit kein Thema ist. Doch weshalb prüft eine Verbandsgemeinde in einem Planungsverfahren, ob ein Grundstück für den Bau einer Schule zulässig ist oder nicht? Das dürfte kommunalrechtliche Gründe haben. Die Verbandsgemeinde ist verpflichtet ausreichend Schulplätze zur Verfügung zu stellen und sie muss zunächst einmal alles in Betracht ziehen was möglich ist. Dazu gehören auch die Austerstücken, die sich die Verbandsgemeinde gefordert habe, so Krügel. Warum die Verbandsgemeinde ausgerechnet dieses Areal fordert und nicht bereits vorher Alternativen prüft ist unklar. 

Dabei ist das Problem: Die Stadt besitzt nur wenig eigene Flächen. Der Sportplatz Hasenkümpel wurde nach Aussage des Bürgermeisters bereits geprüft und sei zu klein und der Hochwasserschutz wäre durch zusätzliche Versiegelung ein großes Thema. Auch Grundstücke in der Nähe der Ernst-Born-Schule seien nicht ausreichend. Und das Gelände des Bartholomäus-Markt-Vereins mit der Wagenbauerhalle und Ausweichflächen des Bauhofs will man nicht antasten. Eine Schule im neuen Wohngebiet „Mergelkaut“, in dem auch eine Kindertagesstätte entstehen soll wird nicht im Beschluss zu diesem Gebiet thematisiert, obwohl das Gelände mit mehr als 66.000 qm wesentlicher größer ist und ein neues Stadtviertel darstellt. Das warum dieser Fragen ist derzeit noch ungeklärt, wird durch den BEN-Kurier aber separat in einem Artikel aufgearbeitet werden, denn das Schulthema ist ein eigenes komplexes Thema, bei dem hauptsächlich Verbandsbürgermeister Bruchhäuser die Verantwortung trägt. 

Rene Maarschalkerweerd möchte, dass die Austerstücke als Naturparadies erhalten bleiben und ein Naherholungsgebiet wird

Das etwas unbefriedigende Fazit ist: Die Sorge der betroffenen Menschen ist nachvollziehbar, doch am Ende könnte es sogar viel Lärm um nichts gewesen sein. Bad Ems hat wenig Baualternativen. Die Austerstücken sind damit verständlicherweise ein begehrtes Planungsobjekt. Ob das zu Lasten der Natur geschehen muss ist eine andere Frage und warum man nicht deutlicher kommuniziert um den Bürgern die Sorgen zu nehmen eine andere. Wir bleiben aber an dem Thema dran.

Schlussendlich wurde eines während der Recherchen jedoch klar: Nichts ist bisher passiert. Jetzt erst sollen aufwendige Untersuchungen und Planungen starten. Und dann sollen Gespräche mit den Grundstückeigentümern folgen. Diese hätten sich eine andere Reihenfolge gewünscht. So haben wir quasi ein Ei ohne Huhn oder andersherum… (Autor: Kenny Kirstges).

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Lahnstein

SPD Lahnstein zeigt Flagge für Toleranz und Menschenwürde bei Demo in Nassau

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Foto: Markus Graf

NASSAU Für die Lahnsteiner SPD ist es wichtig, gerade in diesen nicht einfachen Zeiten zu zeigen, dass unsere im Grundgesetz festgeschriebenen gesellschaftlichen Werte als unverhandelbar angesehen werden. Daher haben mehrere Mitglieder des Ortsvereins gemeinsam mit über 500 anderen Menschen an einer Demonstration in Nassau teilgenommen. Anlass war ein in der Stadthalle Nassau stattfindender Bürgerdialog einer Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird.

SPD Lahnstein bei Kundgebung für Toleranz, Freiheit, Menschenwürde und Demokratie in Nassau

Mit ihrer Teilnahme, so die SPD Vorsitzenden Judith Ulrich und Jochen Sachsenhauser, wollen wir ein gemeinsames Zeichen setzen, dass die große Mehrheit der Menschen in der Region für Freiheit, Vielfalt, Asylrecht und Demokratie einstehen.

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VG Bad Ems-Nassau

Die Zahnarztpraxis Kreutzer & Kollegen feiert ihr 5-jähriges Bestehen in Nassau

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Foto: Stadt Nassau

NASSAU Mit der Übernahme der bekannten Zahnarztpraxis von Barbara und Reinhard Schönfeld durch Zahnarzt Harold Kreutzer vor fünf Jahren, wurde erreicht, dass die zahnärztliche Versorgung in Nassau langfristig gesichert ist. Stadtbürgermeister Manuel Liguori besuchte die Praxis, um persönlich zum fünfjährigen Bestehen zu gratulieren. Dem Stadtoberhaupt liegt die ärztliche Versorgung der Nassauer Bürgerinnen und Bürger besonders am Herzen, gerade wegen der schwindenden Zahl an Ärzten in ländlichen Regionen. Er betonte die Bedeutung, Ärzte in der Gemeinde zu halten, um die Gesundheitsversorgung für alle Menschen zu sichern. Sein Ziel ist es, ein Umfeld zu schaffen, in welchem Medizinerinnen und Mediziner sich willkommen fühlen und langfristig bleiben möchten.

Die Zahnarztpraxis Kreutzer und Kollegen bietet neben allgemeiner Zahnheilkunde auch Implantate an und verfügt über ein eigenes Labor sowie eine hauseigene Zahntechnikerin, um den Patienten eine umfassende und schnelle Versorgung vor Ort zu bieten. Wir wünschen Zahnarzt Kreutzer und seinem Team weiterhin alles Gute!

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Gesundheit

Krebs ist ein Arschloch: Benefizkonzert in Dausenau für 15-jährige Lorena

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Foto: privat

DAUSENAU “Krebs ist ein Arschloch”, schrieb die 15-jährige Lorena aus Obernhof in den sozialen Medien auf ihrem Facebook Account. Im Herbst 2023 bekam die Schülerin die niederschmetternde Diagnose Krebs. Wir trafen Lorena im November 2023 im Häckers Grand Hotel in Bad Ems. Auf der einen Seite fand eine Karnevalsveranstaltung statt, im anderen Saal ein Benefizevent zu Gunsten des Hospizes in Nassau. Wir glaubten seinerzeit noch, dass Krebs für ein junges Mädchen keineswegs das Ende bedeuten muss. Wir sprachen ihr Mut zu und meinten, dass das alles schon nicht so schlimm werden würde.

Lorena lief eine einzelne Träne über das Gesicht. Vielleicht wusste Lorena damals schon, wie schlecht es tatsächlich um sie stand und dass wir uns irren sollten. Im November 2023 eröffnete sie auf Facebook ihren Block und wollte anderen Menschen mit gleicher Diagnose Mut machen.

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Lorena: Sobald ein Funken Hoffnung da ist, kommt ein Geko um die Ecke und nimmt Sie mir

Alles fing im Sommer 2023 mit einfachen Rückenschmerzen an. Damals ging sie davon aus, dass sie es vielleicht mit dem Sport übertrieben hätte. Nichts Ungewöhnliches für einen 15-jährigen Teenager. Der Hausarzt stellte eine kleine, knotenähnliche Verdickung fest. Auch da macht man sich vermutlich erst einmal nur geringe Sorgen. Bei Abszessen ist so etwas nicht ungewöhnlich. Doch genau dieser Knubbel wuchs enorm schnell und die Schmerzen für Lorena wurden unerträglich. Durch ein MRT wurde die niederschmetternde Diagnose Knochenkrebs festgestellt. MPNST, ein äußerst seltener und aggressiver Nervenscheidentumor.

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Für einen erwachsenen Menschen, der gelebt hat, eine psychisch kaum aushaltbare Belastung. Etwas scheinbar Endgültiges, doch wie soll ein Kind darauf reagieren, das noch nicht gelebt hat? Krebs ist ein Arschloch. Lorena hat so recht. Im Dezember 2023 besuchte sie noch einmal ihre Mitschüler in Lahnstein. Noch einmal etwas Normalität und Alltag und dennoch auch ein Abschied. Vor der großen Operation ging es in Kino, zu MC Donald und im Anschluss zu den geliebten Pferden.

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In der Klinik in Marburg dekorierte sie mit ihrer Mutter Tatjana das Krankenzimmer um. Auf dem Fenstersims adventliche Weihnachtsmänner und mitten drin ihr großer Dinosaurier. Ein klein wenig Zuhause in einer bedrückenden Umgebung. Dinosaurier sind eine weitere Leidenschaft der 15-Jährigen. Es gibt die Mama-Saurus, den Papa-Saurus und natürlich die beiden Dino-Geschwister. Alles war vorbereitet für die Operation, doch es sollte anders kommen. Nach der Anamnese, Aufklärung zur Operation und einer weiteren Computertomografie wurde die Mutter Tatjana alleine zum Gespräch mit dem Arzt gebeten während Lorena im Zimmer warten sollte. Nach einer Zeit kam die Mutter tränenerstickt in das Zimmer der 15-Jährigen. Der Tumor war in der kurzen Zeit enorm gewachsen und inoperabel. Trotz einem internationelen Treffen von spezialisierten Ärzten gab es keine Aussicht auf eine erfolgreiche Entfernung des Krebsgeschwürs.

Trotz geringer Chancen auf eine konventionelle Behandlung mit der Chemotherapie, entschlossen sich die Fachärzte zu dem Schritt, in der Hoffnung, dass der Tumor schrumpft und dadurch später vielleicht eine Operation möglich wird.  Die ersten Chemotherapien verkraftete Lorena noch recht gut. Mutig schnitt sie ihre Haare ab, bevor diese überhaupt ausfallen konnten. Aufgeben war keine Option. Die nächsten Behandlungen zerrten sehr an den Kräften von Lorena. Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Übelkeit waren die Folgen, dazu starker Gewichtsverlust.

Weihnachten und Neujahr durfte die Schülerin bei ihrer Familie verbringen, bevor sie Mitte Januar mit einer schweren Entzündung wieder ins Krankenhaus nach Koblenz musste. Die Schmerzen dürfte da längst unerträglich für Lorena gewesen sein. Unterstützende starke Opiate wie Morphium helfen, aber sie trüben auch die Sinne. Für die Eltern Tatjana und Marco eine traumatische Erfahrung. Einerseits müssen sie Stärke und Zuversicht gegenüber Lorena ausstrahlen und andererseits sehen sie ihr geliebtes Kind leiden. Für die beiden eine Achterbahnfahrt, die nicht enden möchte. Dazu noch zwei weitere Kinder, die lebensfrohe Eltern erwarten, auch wenn sie abends heimlich in die Bettdecke weinen, damit es die Kinder nicht merken.  Stets weiter funktionieren, auch wenn man innerlich längst zerbrochen ist.

Marco ist Soldat bei der Bundeswehr. Er ist beruflich darauf trainiert, gut überlegte Entscheidungen zu treffen, doch auf den Krebs seiner Tochter hat ihn keiner vorbereitet. Gedanken gänzlich auszuschalten, ist unmöglich. Eine stetige Angst, dass während der Arbeitszeit eine erneute Hiobsbotschaft kommt. Viele Menschen zerbrechen an so etwas mit ihren Kindern und teilen in dem Moment das gleiche Schicksal. Tatjana arbeitete im Häckers Grand Hotel in Bad Ems. Das ist nicht mehr möglich. Sie kümmert sich liebevoll in Vollzeit um Lorena. 10 Tage lang saß sie Tag und Nacht am Krankenbett ihrer Tochter. Unzählige Tränen wurden vergossen. Wie erträgt man das als Familie?

Ende Januar gab es einen ersten Hoffnungsschimmer. Die Chemotherapie hatte soweit angeschlagen, dass der Tumor nicht weiter gewachsen war. Mittlerweile wo die schmächtige Schülerin nur noch 40kg. Ein wenig Aufatmen. Hoffnung. Dank dem Rewe Pebler in Nassau durfte Lorena mit ihrem Papa, Großvater und VIP Karten im Gepäck, ein Spiel von Borussia Dortmund im Westfalenstadion besuchen. Der Bundesligatrainer Edin Terzic nahm sich Zeit für die Krebserkrankte und unterhielt sich mit ihr auf der Trainerbank am Spielfeldrand.

Die Anteilnahme für Lorena ist gigantisch. Der Heeresmusikkorps Koblenz spielte Lorena ein Ständchen, der Dausenauer Dartverein sammelte Geld für die Familie bei einem Benefizspiel, Jannik Freestyle besuchte die 15-Jährige im Krankenhaus und jetzt gab es die von Bodo Wieseler initiierte Spendenveranstaltung, wo rund 1550 Euro zusammen kamen. Alle halfen mit. Jörg Kaffine von der Hexenküche in Bad Ems spendete gleich einmal 100 Frikadellen für den Verkauf. Über GofundMe wurde hier eine Spendenaktion ins Leben gerufen, die bisher knapp 15.000 Euro einbrachte. Das reicht nicht. Der Vater arbeitet situationsbedingt nicht mehr in Vollzeit und die Mutter kümmert sich ausschließlich um die meist bettlägrige Lorena.

Mittlerweile wird die 15-Jährige palliativ versorgt, um ihr die Schmerzen zu nehmen. Auch der Hospizdienst unterstützt die Schülerin. Das ist nicht das Ende der Reise. Es gibt Hoffnung. Der Tumor hat nicht mehr viele aktive Zellen. Die Ärzte wollen nun doch die Operation wagen. Dafür soll die stark Abgemagerte zunächst 8 Kilogramm in vier Wochen an Gewicht zunehmen, was bei einer zeitgleich verlaufenden Chemotherapie schwierig ist. Aufgeben ist für die Familie und Lorena niemals eine Option und so darf die Geschichte, mit Hoffen und Bangen, mit Lorenas Anfangsspruch enden: Krebs ist ein Arschloch.

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