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Lahnstein

“Containern” ist strafbar – Werden Lebensmittelretter zu Recht oder zu Unrecht bestraft?

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Containern ist strafbar - Werden Lebensmittelretter zu Recht oder zu Unrecht bestraft? (Symbolbild)

LAHNSTEIN Wenn das moralische Recht an seine Grenzen stößt, wird dem Populismus Tür und Tor geöffnet. Kürzlich wurde vor dem Amtsgericht Lahnstein gegen zwei sogenannte Lebensmittelretter verhandelt. Diese sollen Lebensmittel beim regionalen Globus Warenhaus aus einem umzäunten Außenbereich entwendet haben. Diese waren zur Vernichtung bestimmt. An dieser Stelle könnte die Geschichte enden und zu gerne hätten dieses auch die Befürworter der Containernszene und so mancher Unterstützer gerne gesehen.

Der Gedanke an entsorgtes Essen durch Lebensmittelhändler lässt so manchen Aktivisten zur Hochform auflaufen. Laut Statista (2022) befürworten 64,8% der in Deutschland lebenden Bürger die Legalisierung des sogenannten Containerns. Und so wurde teilweise medial in beispielloser Einseitigkeit berichtet. Ein Internetportal schlug sogar vor, dass der Globus gekühlte Mülltonnen für Bedürftige zur Verfügung stellen sollte.

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Über 6 Millionen Tonnen verschwenden Endverbraucher jährlich an Lebensmittel. Mit 52% aller vernichteten Lebensmittel machen sie den größten Posten aus. 75kg je Person und Jahr

Der Prozess in Lahnstein zeigte deutlich auf, wo die Gesetzgebung an ihre Grenzen stößt. Für die Angeklagten Julia und Nils ist die Verschwendung von weggeworfenen Lebensmitteln eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Für sie ist das Containern eine legale Methode um verwertbare Essensreste zu retten. Dieses sieht das Bundesverfassungsgericht anders. In einer höchstrichterlichen Grundsatzentscheidung wurde 2020 verkündet, dass das Containern, oder auch Dumpster Diving genannt,  strafbar ist und bleibt. Entgegen der Annahme der sogenannten Lebensmittelretter, gibt der Lebensmittelbetrieb sein Eigentumsrecht nicht auf sondern will, dass die Artikel entsorgt werden. Erst durch die Vernichtung der Waren, wird der Handel aus etwaigen Haftungsrisiken (z.B. Streitigkeiten durch den Verzehr von abgelaufenen oder verdorbenen Waren) entlassen.

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Besonders weil die Unternehmen mittlerweile vielfach die Abfallbehälter bewusst schützen durch Zäune oder Schlösser, zeigen diese an, dass sie zu keinem Zeitpunkt das Eigentumsrecht aufgegeben haben. Die Argumentation der Aktivisten, dass die Ware herrenlos sei, sah das Gericht nicht. Im Gegenteil. Durch den besonderen Schutz der weggeworfenen Lebensmittel, bleibt es eine fremde Ware für die Lebensmittelretter und wer eine fremde bewegliche Sache mit einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Gerade einmal für 4% sind die Lebensmitteleinzelhändler bei der Verschwendung zuständig und bilden damit die kleinste Gruppe

Es ist der Rechtsprechung nach ein Diebstahl und solange das Gesetz nicht geändert wird, bleibt es das auch. In anderen Ländern ist es verboten, genießbare Lebensmittel wegzuwerfen aber es ist auch in anderen Ländern erlaubt zum Beispiel Cannabis zu rauchen doch was fangen wir mit diesen Informationen an?

Die Fakten besagen, dass 11,9 Millionen Tonnen an Lebensmitteln jedes Jahr in Deutschland vernichtet werden doch die Zahlen sind seit Jahren rückläufig und unterliegen in der Gesellschaft einem großen Irrtum. Gerne werden diese polemisch in vereinzelten Medien zu Propagandazwecken verfälscht widergegeben. Würde wir diese Zahl jetzt so stehenlassen, wüssten sie nur die halbe Wahrheit. Von diesen knapp 12 Millionen Tonnen (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2019) werden rund 52% (6,1 Mio. Tonnen) von privaten Haushalten entsorgt. 1,4 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle entstehen bei der Primärproduktion und 2,2 Millionen bei der Verarbeitung von Lebensmitteln. Bei der Außer-Haus-Verpflegung sind es sogar 1,7 Millionen Tonnen. Doch nun wird es interessant. Gerade einmal 4% (0,5 Mio. Tonnen) entfallen auf den Groß- und Einzelhandel denn dieser hat längst reagiert.

64,8% der Deutschen halten Containern für ein legales Mittel um Lebensmittel zu retten – Dafür müsste das Gesetz geändert werden

Der größte Teil der Waren mit knappen Mindesthaltbarkeitsdatum wird reduziert verkauft. Auch der Globus in Lahnstein reagierte auf die Situation und bietet ein ganzes Regal voll mit ermäßigter Ware wo die Haltbarkeit sich dem Ende neigt. In der Tonne landen letztlich nur noch Produkte die beschädigt sind oder Umverpackungen nicht ausreichend sind um die hygienische Sicherheit zu garantieren. Zusätzlich finden sich dort Obst- und Gemüseabfälle. Dieses sind zwar unter Umständen durchaus genießbar, entsprechen aber nicht mehr den Vorgaben des Unternehmens.

Nicht mehr den Vorgaben des Unternehmens? Genau. Doch warum wird es dann nicht an die Tafeln weitergegeben? Genau dieses machen die Lebensmitteleinzelhändler wie REWE oder auch der Globus. Was dann letztlich tatsächlich vernichtet wird ist in einem solchen Zustand, dass der Einzelhandel Haftungsrisiken ausschließen möchte.

Globus spendet an die Tafel

Die Forderung der Lebensmittelretter ist moralisch nachvollziehbar. Nichts sollte weggeschmissen werden solange es verwertbar ist. Doch weshalb stürzen sich die Lebensmittelretter dann nicht auf die tatsächlichen Lebensmittelverschwender? Dieses sind (wie oben beschrieben) mit 52% oder 6,1 Mio. Tonnen die Bürger des Landes.

Am Ende wird es ein leidiges Thema bleiben. Das Bundesverfassungsgericht hat Recht gesprochen. Kein Unternehmen muss es gestatten, dass Personen unbefugt das Gelände betreten. Schon gar nicht wenn es besonders geschützt ist. So nobel die Beweggründe auch sein mögen dennoch bleibt es im besten Fall nur ein Hausfriedensbruch. Sollten für das Containern sogar Schlösser aufgebrochen werden könnte aus dem Offizialdelikt Diebstahl sogar ein besonders schwerer Diebstahl werden.

Die Lebensmittelretter sind davon überzeugt, dass die entwendeten Waren, mindestens für den Einzelhändler, keinen Wert mehr darstellen. Kann eine wertlose Ware ein qualifizierter Diebstahl sein? Ja. So sieht es das Bundesverfassungsgericht. Durch eine Umzäunung oder andere Schutzmaßnahmen zeigt ein Einzelhändler an, dass er das Eigentum auch an wirtschaftlich wertlosen Sachen strafrechtlich schützen will. Ungerecht?

Haben Sie schon einmal Sperrmüll vor die Türe gestellt? Dazu gibt es ein spannendes Beispiel. Ein Künstler wollte ein von ihm gemaltes Bild entsorgen und legte es zum angemeldeten Sperrmüll. Später kam eine Person und wollte es mitnehmen.  Der Künstler verweigerte das und es kam zum Streit. Die Person war der Ansicht, dass das Bild ja sowieso vernichtet wird und somit herrenlos wäre. Dieses sah das Gericht anders. Der Künstler hat das Bild zur Vernichtung gegeben. Diesem Zweck sollte es zugeführt werden. Seine Eigentumsrechte waren damit nicht aufgegeben. Eine ungefragte Mitnahme von Sperrmüll stellt somit ebenfalls einen Diebstahl dar.  Ähnlich wie bei den Lebensmitteln.

Während alle wohlwollend und bewundernd auf die Aktivisten beim Containern blicken, werfen sämtliche Personen in der BRD im Schnitt (Jahr) 75kg an Lebensmitteln weg. Eine unfassbare Verschwendung. Besserung kaum in Sicht. Und genau hier liegt ein Knackpunkt. Während die Forderung laut wird, dass die Lebensmittelhändler ihre nicht verwerteten Waren freigeben, sind dazu die Privathaushalte nicht bereit. Wer möchte schon, dass in seinen Abfällen gewühlt wird doch wo ist der Unterschied? Ist man dazu bereit, dass Fremde das eigene Grundstück betreten um nach Essenswaren zu suchen?

Es gibt mehr Befürworter wie Gegner für das Containern

Eine Gesetzesänderung ist nicht so einfach. Man kann von den Betrieben kaum verlangen, dass sie ihre Rechte an den eigenen Grundstücken preisgeben und auch nicht, dass sie einem Diebstahl zustimmen. Eine solche Tat ist ein Offizialdelikt und muss verfolgt werden per Gesetz.

Ob es in Deutschland zu einer Gesetzesänderung kommen wird in Hinblick darauf, dass die Betriebe keine Lebensmittel wegwerfen oder vernichten dürfen ist fraglich denn dieses ist nach deutschem Recht ein großer Einschnitt in die Eigentumsverhältnisse. Dabei hilft auch keine polemisch – populistische Berichterstattung mit der Meinungen gebildet werden sollen. Die Bürger haben das Recht auf alle Fakten um sich selbständig eine Meinung bilden zu können und diese wird differenziert sein und das ist gut so denn davon lebt eine Demokratie und die Meinungsvielfalt. Als Presse ist es nicht unsere Aufgaben die Ansichten zu beeinflussen sondern den Menschen das Werkzeug mit allen Fakten in die Hand zu geben um sich selber orientieren zu können. Und die Moral am Ende dieser Geschichte? Vielleicht sind beide Seiten interessant. Die Lebensmittelretter mit hohen moralischen Ansprüchen und der Einzelhandel, der gerade einmal 4% der Lebensmittelverschwendung ausmacht……

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Lahnstein

Neueröffnung der Bäckerei Kugel: Ein Familienunternehmen kehrt zurück nach Lahnstein

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Foto: Eva Dreiser | Stadtverwaltung Lahnstein

LAHNSTEIN Seit März gibt es wieder ein vertrautes Schild in Lahnstein: Die Bäckerei Kugel hat in der Bahnhofstraße ihre Türen geöffnet. Früher schon einmal hier ansässig, kehren Laura und Klaus Kugel nun mit ihren traditionell handwerklich hergestellten Backwaren zurück. Und hier wird nicht nur auf Qualität und Geschmack geachtet, sondern auch auf den Ursprung der Zutaten. Das Getreide stammt aus regionalem Anbau in Heimbach-Weis, ist Bioland zertifiziert und wird in der dortigen Stammfiliale selbst vermahlen.

Ein Teil ihrer Philosophie ist es, einen positiven Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten. Daher werden überschüssige Backwaren regelmäßig gespendet. Zur Neueröffnung der Bäckerei Kugel überreichte Oberbürgermeister Lennart Siefert einen Blumenstrauß. Im Gespräch mit Siefert erzählte das Paar, wie herzlich es in Lahnstein wieder aufgenommen wurde, was die Rückkehr zu den Wurzeln noch schöner mache. Auch sind viele ihrer früheren Mitarbeiter nun erneut bei ihnen angestellt.

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Ich freue mich, dass es wieder eine Bäckerei Kugel in Lahnstein gibt“, so OB Siefert. „Hier gehen Tradition und Innovation Hand in Hand!“

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Neueröffnung der Bäckerei Kugel: Ein Familienunternehmen kehrt zurück nach Lahnstein | Foto: Eva Dreiser | Stadtverwaltung Lahnstein
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Lahnstein

Lahnsteiner Schüler ist spitze in Mathe und Chemie

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Foto: Johannes-Gymnasium Lahnstein

LAHNSTEIN Thorben Weinhold besucht die 9. Klasse des Privaten Johannes-Gymnasiums in Lahnstein und steht kurz vor dem „Triple“ in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Wettbewerben in Rheinland-Pfalz. Thorben errang am 13.03.2024 bei der Landesrunde Rheinland-Pfalz/Saarland des Schülerwettbewerbs „Chemie-die stimmt!“ den 1. Platz in der Klassenstufe 9. Durch seine hervorragenden Leistungen in den ersten beiden Runden hat er sich nun für die 3. Runde der Länder Niedersachsen, Nordrhein-Westphalen, Rheinland-Pfalz und des Saarlandes qualifiziert und nimmt vom 04.06. bis 07.06.2024 an einem dreitätigen Auswahlseminar in Münster teil.

Am 12. April wurde Thorben dann beim Landeswettbewerb Mathematik zum Landessieger gekürt. Er hat die Jury mit seinen mathematischen Leistungen sehr beeindruckt und konnte diese im Rahmen eines 3-tägigen Workshops an der Universität Kaiserlautern unter Beweis stellen. Am 25. und 26.04.2024 nimmt nun Thorben Weinhold zusammen mit seinen Mitschülern Enjo Westphal und Gero Hanrath am Landesfinale Schüler experimentieren mit ihrer Forschungsarbeit zur Balkonaufzuchtstation in der Sparte Biologie teil. „Wir drücken den drei Jungs die Daumen für das Landesfinale – die Leistungen von Thorben Weinhold sind schon mit den beiden Erstplatzierungen mehr als außergewöhnlich“ – so der stolze Schulleiter Rudolf Loch – „ein Landessieg bei Schüler experimentieren wäre dann tatsächlich das Triple“.

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Lahnstein

Niemals vergessen: Grüne Lahnstein besuchen die Gedenkstätte Hadamar!

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Foto: Bündnis 90/ die Grünen Lahnstein

HADAMAR An der Gedenkfahrt am Sonntag, den 07.04, nahmen auch interessierte Bürgerinnen und Bürger teil. Zur Teilnahme an der Fahrt war öffentlich eingeladen worden.  Die Idee für den Besuch kam im Zuge der jüngsten Entwicklungen rund um das Erstarken rechten Gedankengutes in der Gesellschaft auf. Ziel war es, allen Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen und insbesondere denen der „Euthanasie“ zu gedenken. Zudem sollte die Teilnahme an dem Besuch dazu anregen, sich mit dem nationalsozialistischen Unrecht auseinanderzusetzen.

Die Gedenkstätte Hadamar hat eine besondere Bedeutung als Ort des Gedenkens und der Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“. In den Jahren 1941 bis 1945 wurden hier fast 15.000 Menschen ermordet. Zu den Opfern gehörten psychisch Erkrankte und Menschen mit Behinderung. Die Gedenkstätte hat auch den Zweck, über die damaligen Geschehnisse aufzuklären. Von Januar bis August 1941 wurden im Keller der Anstalt über 10.000 Kinder, Frauen und Männer mit Kohlenmonoxid in einer als Duschraum getarnten Gaskammer ermordet. Der Abbruch der Gasmorde 1941 bedeutete nicht das Ende der NS-„Euthanasie“-Verbrechen. Ab August 1942 wurde das Morden fortgesetzt, diesmal bspw. durch überdosierte Medikamente und Hungerkost. Während dieser Zeit kamen noch einmal 4.500 Menschen ums Leben.

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Das grausame Vorgehen dauerte bis zum Kriegsende im März 1945 an. Unter den Opfern der zweiten Mordphase befanden sich Anstaltspatienten und -patientinnen, durch den Bombenkrieg verwundete Menschen, Kinder, Tuberkulosekranke, Zwangsarbeiter sowie psychisch Kranke. Die Taten zeigen das Ausmaß der Grausamkeit, das im Namen der Ideologie des Nationalsozialismus begangen wurde. Die Exkursion beinhaltete neben der Führung auch einen Workshop mit Biografiearbeit.

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Die Anwesenden zeigen sich betroffen von dem erfahrungsreichen Tag, aber auch dankbar für die Arbeit der Gedenkstätte. Durch das Engagement haben alle die Möglichkeit, sich ein Bild von den Verbrechen, welche unter dem Vorzeichen der nationalsozialistischen Ideologie geschahen, zu machen und dadurch die Sensibilität für die Wahrung der Menschenwürde und der daraus folgenden Rechte zu stärken. Das Fazit der Gruppe ist, dass nur Erinnerung und Aufklärung sicherstellen können, dass sich solche Verbrechen nie wiederholen und eine entsprechende Ideologie nicht mehr Staatsdoktrin werden kann. „Nie wieder“, wie es in den letzten Monaten häufig heißt, bedeutet daher nicht nur, sich gegen den Anstieg rechtsextremer Ideologien und Rassismus einzusetzen, sondern auch die Aufarbeitung der Vergangenheit zu fördern und die Menschenwürde und die Menschenrechte in der Gesellschaft zu schützen. Die Gedenkstätte Hadamar ist ein Ort, an dem dieser Einsatz gelebt wird und an dem gegen das Vergessen angekämpft wird. Insbesondere wollen die Grünen der Workshopleiterin und Gedenkstättenmitarbeiterin Frau Kabs danken.

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